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Gerda Blechner - Von wegen Überforderung

Wenn wir in der Presse mal wieder von einer schlimmen Misshandlung von Pflegebedürftigen in einem Altersheim oder in der familiären Pflege lesen, sind wir kurz höchst empört, besänftigen diese Emotion aber schnell mit der Erklärung „Überforderung“.
Doch dieses Image wird sich nun ändern. Denn ich bin dem Thema Überforderung akribisch nachgegangen und siehe da... Misshandlungen hängen mit ganz anderen Fakten zusammen.
Das bedeutet: Wenn wir Misshandlungen eindämmen wollen, müssen wir uns mit diesen Tatsachen auseinander setzen. Einfacher wird dies, wenn wir nicht nur das Vordergründige, sondern auch die Ursachen betrachten.

Keine Sorge, daraus wird nicht eine trockene wissenschaftliche Abhandlung, sondern eine lockere Ausführung mit erlebten Pflegesituationen.

Sie werden eingeteilt:
1. Nach Allgemeinkriterien,
2. Nach Persönlichkeitskriterien

Zur ersten Kategorie gehören z.B. Schläger, Alkohol-Drogensüchtige, Zorn-Beutel, Selbstverliebte, “Genies“, Soziopathen, Herrschsüchtige, Habgier-Zerfressene, bei denen jeder schreit „Nein, diese Typen können doch nicht pflegen.“

Die zweite Kategorie ist nach Persönlichkeitskriterien aufgedröselt, bei denen die Überraschungen nach dem ersten Eindruck kommen. Davon sind Pflegende wie Pflegebedürftige betroffen. Gleichzeitig wird aufgezeigt, wie man sich am besten miteinander arrangiert.

Diesem Hauptteil folgt ein notwendiger Abstecher ins Altersheim. Hier geht es nicht um die schrecklichen Gewalttaten, sondern um die vielen Unzulänglichkeiten, die bösen, kleinen Nadelstiche, die sehr belasten können, aber noch nirgendwo Erwähnung fanden.

Zu guter Letzt folgt das Thema Selbstmisshandlung. Was soll das sein? Lassen Sie sich überraschen, aber denken Sie schon mal an die viel zu vielen Medikamente oder an Selbstvernachlässigung.

Aufgelockert wird das ganze mit Zwischenüberlegungen zum Nachdenken, Tests zum Üben, kleinen Geschichten zum verstehenden Aufatmen, eingestreute Ironie und lässiger Stil zum Entspannen.

Leseprobe: Der Reiz der Macht

Falls noch nicht geschehen, werden Sie sich nun langsam klar, Pflegebeziehungen ändern die Familiendynamik. Früher haben nur die Kinder Sachen falsch gemacht. Jetzt machen nur noch die Eltern Fehler. Und uneinsichtig sind sie obendrein. Das muß doch geändert werden. Wie? Durch Machtumkehr der früher abhängigen Kinder gegenüber den Eltern.
Nicht bearbeitete Konflikte setzen dann große, negative Energien frei. Manchmal wiederholen sich sogar die Verhaltensweisen, die in der Kindheit erfahren wurden wie bei Frau S. und ihrem Vater.
Tochter: „Papa, das ist der beste Lachs, den du je gegessen hast.“
Vater: „Ich mag Lachs nicht.“
Tochter: „ Den hier mußt du einfach probieren, es ist ganz frischer Alaska-Lachs. So etwas Gutes bekommst du nicht im Supermarkt.“
Vater: „Auch Alaska –Lachs ist Lachs, den ich nicht mag.“
Tochter: „Erst probieren und dann kannst du immer noch nein sagen. Oooooh er ist einfach köstlich. So was Gutes hast du noch nie gegessen.“
Vater: „Ich will aber nicht.“
Tochter: „Nur ein kleines Stück.“
Vater. „Ich möchte nichts.“
Tochter: „Nimm schon. Ich will nicht, daß du mir krank wirst.“
Vater: „Ich werde nicht krank, weil ich keinen Lachs esse. Es gibt genügend andere Nahrungsmittel.“
Tochter: „Aber keinen solchen Leckerbissen wie diesen Lachs. Also nimm schon und sei nicht so stur.“
Vater: „Ich bin nicht stur, ich mag nur keinen Lachs.“
Tochter: „Aber du mußt etwas essen.“
Vater: „Ja, aber keinen Lachs.“
Tochter: „Ich habe dir davon etwas auf den Teller getan und der wird jetzt gesessen.“
Vater: „Nein.“
Tochter: „Doch. Dann gibt es nachher auch deinen Lieblingspudding.“
Vater: „Ich kann nicht.“
Tochter: „Du kannst. Kein weiteres Getue mehr. Schluß jetzt, iß.
Vater: Würg,würg.
Tochter: „Na also, geht doch. Es ist ja zu deinem Besten. Du stellst dich nur immer so eigensinnig an. Das muß doch nicht sein.“


Das hätte früher auch nicht sein müssen. Aber so liefen in ihrer Kindheit die Szenen ab, wenn sie das eine oder andere nicht essen wollte. Ob bewußt oder unbewußt hat sie dieses Muster in die Pflege mit genommen und das Vorgehen mit der Brechstange zur Sorge um den Vater herunter gerudert.
[...]

Über die Autorin

Jahrgang 1937.
Als Ethnologin/Psychologin im Migrationsbereich tätig.
Im Laufe der Zeit immer mehr mit älteren Menschen konfrontiert, daher Promotion über „Altwerden von Migranten hier und in der Heimat“. Meine damalige Professorin fand die Arbeit so hervorragend, dass Sie mich bat, weiter in der Altersforschung tätig zu sein, dem ich auch nach kam.

Während dieser Forschungsarbeit stieß ich überall auf das Problem „Misshandlung von alten Menschen“ und musste feststellen, dass dazu weltweit nur völlig ungenügende Forschungsgrundlagen existieren. Für die Allgemeinheit war sogar gar nichts vorhanden. Dies, obwohl allein in Deutschland Millionen bei der häuslichen Pflege alter Menschen involviert sind.

Deshalb habe ich mich in diese Thematik sehr vertieft sowohl mit ethnologischem Auge (teilnehmende Beobachtung) wie mit psychologischem Wissen.
Dabei hatte ich immer die Allgemeinheit im Blick. Wenn sich die Leute nämlich informieren können, weshalb bei der Pflege etwas aus dem Ruder läuft, hilft dies mehr als ein Beitrag für die Wissenschaft. Aber gelesen wird eher, wenn etwas locker, lässig daher kommt.

Inhalt des Buches

Autor: Feierabend.de Mitglied Kritika

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