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Sonntagspause

Kolumnist Mickel

Sonntagspause

Hat man bei der Arbeit eine Pause eingeschaltet,
halten die Gedanken eine kleine Weile Rast.
Sieht ganz nebenbei, indem man seine Hände faltet,
durch das Fenster einen Vogel drüben auf dem Ast.

Wie durch dichten Nebel hört man die Fabriksirene.
Sie erinnert an das Meer, an eine ferne Zeit.
Man durchträumt aus vielen Jahren das erlebte Schöne
In den wenigen Minuten der Beschaulichkeit.

Auf dem Hofe spielen, munter lachend, kleine Mädchen.
Durch das Fenster blinkt ein heller, zukunftsreicher Schein.
In der Pause webt, gleich einem zarten Silberfädchen,
sich ein Stückchen Sonntag in den grauen Alltag ein.

Heute aber ist Sonntag, und die meisten von uns Älteren haben (leider) diese Pause immer, obwohl sie doch gerne etwas tun würden.
Was haben wir falsch gemacht, frage ich mich immer wieder. Und nach vielen Jahren glaube ich es zu wissen: Wir haben in der Zeit unserer Arbeit nicht an die Zeit nach der Arbeit gedacht. Wir haben vergessen, uns auf das Altsein vorzubereiten, wir haben keine Vorsorge getroffen für die Minuten, Stunden, Tage des Nichtstuns.

So hören wir heute in uns hinein, entdecken hier und da ein Zipperlein und dort ein anderes Wehwehchen; sorgen für Kontendeckung unserer Ärzte und freuen uns über die Gespräche in den Wartezimmern. Da kommt man doch endlich mal wieder unter die Leute. Und das ist gut so. „Die Zeit heilt Wunden“, sagt der Volksmund, weshalb uns ja so viele Ärzte auch so lange in den Wartezimmern ausharren lassen.

Früher einmal, ja, früher sagte man „Rentner haben niemals Zeit“. Bücher wurden darüber geschrieben und das DDR-Fernsehen brachte eine Serie unter diesem Titel. Was wir ererbt von unseren Vätern und angelernt in dem Beruf, das gaben wir weiter, das war gefragt. Die Erfahrung der Älteren. Klar, warum sollte man auch den Jungen zumuten, das Fahrrad noch einmal neu zu erfinden, wenn man doch schon wusste, wie es funktioniert.

Große Aktionen wurden gestartet, um Alt und Jung zusammen zu bringen, damit jeder einen Vorteil davon hat. Die Alten spüren, sie werden noch gebraucht; die Jungen erkennen, dass ein Brett nicht nur ein Brett ist. Aber es kam wie überall: Das Zusammenspiel war und ist nicht realisierbar. Zu teuer!

Und wenn man, auch wenn das die Ministerin abstreitet, immer mehr Fünfundfünfzigjährige nach Hause schickt, dann sollte man doch wohl über die „Rente mit 67“ nicht mehr diskutieren.

Wenn die heute Jungen in dieses Altersfeld gelangen, wird die Automatisierung und die Gesamtheit der Technik noch weiter voran geschritten sein, es werden noch weniger Arbeitskräfte benötigt, als heute und das Heer der Arbeitslosen wird wieder ansteigen. Mit Statistik und sonstigen Zahlenschaukeleien kann man das sicher klein halten, geht aber wie schon heute an der Realität vorbei. Als älterer Mensch kann man daher den Jüngeren nur auf den Weg geben, sich beizeiten auf das Alter und die Altersarmut vorzubereiten. Denn es ist eine Einheit zwischen vorzeitigem Ruhestand und Armut. Die Lebenshaltungskosten werden enorm steigen in den nächsten Jahren.

Beispiel: In der Sendung Plusminus vom 02.11.10 wird gezeigt, wie Finanzhaie eine neue Quelle entdeckt haben. Waren es bisher die ostdeutschen Industriebetriebe und Wirtschaftsunternehmen, die zu Grunde gingen, so werden jetzt riesige Landstriche aufgekauft. Nicht etwa zur Nahrungsmittelproduktion, sonder zum Maisanbau, zumeist genmanipuliert, damit man diesen zu Bio-Kraftstoff verarbeiten kann. Und der wird teuer in den Wirtschaftskreislauf gebracht, Agrarprodukte hingen, können nicht mehr angebaut werden. Landwirtschaftliche Erzeugnisse müssen folglich importiert werden, was den Preis auch hier in die Höhe treibt. Schon heute werden beispielsweise 65 % der Kartoffeln (der Deutschen liebstes Kohlenhydrat) aus zum Teil außereuropäischen Staaten eingeführt. Und wie „biologisch“ dort der Anbau ist, ist kaum nachprüfbar (www.plusminus.de).

So zieht das eine, das andere nach sich. Bekommen wir nach Streiks mehr Lohn, steigen anschließend die Preise; diese Spirale ist doch altbekannt. Schon bei der letzten angeblichen „Rentenerhöhung“ wurde den Rentnern von Anbeginn genommen, was sie mehr bekamen, nämlich durch Anhebung der Kassensätze und Beiträge. Vollmundig wird jetzt eine Rentenerhöhung für 2011 angekündigt, aber parallel teilen auch die Kassen mit, dass sie ab 01. Januar die Beiträge anheben „müssen“. Da sind die Erhöhungen bereits verbraucht, ehe sie überhaupt zur Auszahlung kommen, nämlich um die Jahresmitte.

Ach nein, kehren wir doch zur Idylle des Altseins zurück.

Es ist so schön in freier Zeit zu wühlen –
An den Minuten wie am Süßholz kauen –
Mit den Gedanken Fußball oder Tennis spielen –
Aus den Ideen Kartenhäuschen bauen –
Auf einer Wolke über Berg und Tal zu reiten –
Der Wind als treuer Köter hinterdrein –
Auf einem Glockenton in ferne Weiten gleiten –
Und in der Einsamkeit nicht einsam und allein zu sein.
(Im großen Heer der Almosenempfänger.)

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