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Artikel erstellt am 07. August 2011

Im idyllischen Gartetal, auf einer kleinen Insel, gebildet von der Garte und dem Mühlenkanal, liegt nicht weit entfernt von Göttingen ein Industriemuseum. Seine Besonderheit erhält es durch die Seltenheit, dass dort die Ausstellungsstücke nicht nur noch oder wieder funktionstüchtig sind, sondern sie sich alle in dem Gebäude befinden, in dem sie einstmals zum Einsatz kamen.

Arbeitshalle - Pegasus 8551

Bereits gegen Ende des 16. Jahrh. befand sich auf diesem Hofgrundstück eine Getreidemühle. 1651 zu einer Papiermühle umgebaut, entstand nach einem Totalbrand im Jahr 1823 der auf dem Bild zu sehende zweigeschossige Fachwerkbau. Durch Lamellenfenster an der Giebelseite und große Lüftungsklappen in den Dachgauben bei jeder Witterung gut belüftet, trocknete unter seinem steilen Satteldach das Papier, das wie schon vorher hauptsächlich an die nahe Universität Göttingen geliefert wurde.
Ab 1847 stellte man die Maschinen auf die Belange einer Spinnerei um. Mit einer kurzen Pause während es 2. Weltkrieges, blieb diese über 200 Jahre in Betrieb bis 1967.

Ihre größte wirtschaftliche Blütezeit erlebte der Betrieb in der neueren Zeit nach 1945.
Ab 1952 kümmert sich ein extra gegründeter Verein Historische Spinnerei Gartetal e.V. um die Sanierung der Gebäude sowie die Wiederherstellung und Wartung der Maschinen.


Der Antrieb für alle Maschinen von der Getreidemühle bis heute findet über eine große Welle statt, die ursprünglich durch ein Wasserrad im Mühlenkanal, ab Ende des 19. Jahrh. durch eine Turbine, später mittels einer Dampfmaschine und ab 1952 unter Verwendung eines Starkstrommotors angetrieben wird.

Wände und Fußboden des Gebäudes waren aus Lehm, der auch bei der Restaurierung Berücksichtigung findet. Es herrschte daher in dem großen Betriebsraum ein feuchtes, im Winter sehr kaltes Klima. Ein kleiner Eisenofen am Ende der Halle bot nicht mehr Wärme, als gerade zum Aufwärmen der Hände der Arbeiter ausreichte. Die Maschinen ratterten sehr laut, auch war ihre Konstruktion weit entfernt vom heutigen Standard von Schutzvorrichtungen für die Arbeiter. Bei der sehr harten und schweren Arbeit gab es auch einige Unfälle und sogar Tote.

Die meisten Aufträge erhielt die Spinnerei ursprünglich von der Bevölkerung der Umgebung, die Wolle ihrer Schafe, teils sogar ungewaschen, hierher zum Verspinnen brachte. Hierfür gab es früher dann noch einen extra großen Waschkessel. Die Wolle wurde von Hand auf dem Fußboden verteilt, später dann evtl. noch mit anderen Wollarten ebenfalls per Handarbeit gemischt und in die 1. Maschine, dem sog. Krempel- oder Mischwolf eingebracht. An seinen Walzen befinden sich eiserne Haken, von denen die Wolle auseinandergerissen wird. Lose an der anderen Maschinenseite wieder herausgeschleudert, entwickeln diese groben Wollflocken viel Staub, der die Atmung der Arbeiter belastete und von diesen wiederum per Hand in Körben eingesammelt zur nächsten Maschine getragen werden musste


Im Pelzkrempel werden die Wollflocken mehrmals über Walzen gezogen, dabei gedreht, gekämmt und dabei von Schmutz- und Fremdteilchen befreit. Der so allmählich entstehende Wollflor wickelt sich am Ende der Maschine um eine große Walze, von der er mittels Handarbeit in Einzelstücken abgenommen und zur wiederum nächsten Maschine gebracht wird.



Der Langflorkrempel arbeitet so ähnlich wie die vorige Maschine. Es entsteht ein ca. 10 dicker Wollvlies. Bei einer Länge von 10 m wird die Maschine gestoppt, die Vliesbahn von Hand längs geteilt und auch quer gerissen. Durch Umkehrung der Walzenlaufrichtung wickelt er sich nun auf eine abnehmbare Stange, die zur nächsten Maschine getragen wird.

Hier im Vorgarnkrempel geschieht durch die zunächst gleichen Vorgänge wie in den vorherigen Maschinen eine weitere Verfeinerung und Reinigung des Vlieses. Am Ende jedoch läuft der Wollflor über sehr viele Lederriemchen, durch die er in einzelne Stränge aufgeteilt und diese dann nach etwas Rollen zum Vorgarn verarbeitet wird. Ebenfalls aufgewickelt auf Stäben wird es dann zunächst zwischengelagert, bis die Wolle endlich in die eigentliche Spinnmaschine eingelegt wird.

Der Selfaktor - aus dem Englischen eingedeutscht – ist nun hier die erste selbst arbeitende Maschine, die mehrere Arbeitsgänge hintereinander selbständig ausführt, ohne dass von Menschenhand eingegriffen werden muss. Dadurch können 240 Vorgarnfäden gleichzeitig gesponnen und im nächsten Arbeitsgang auf den Spindeln aufgewickelt werden. Nur wenige Arbeiter sind zur Beaufsichtigung des gesamten Vorganges nötig, müssen allerdings bei während des Spinnvorgangs gerissenen Fäden eingreifen und diese von Hand wieder zusammenfügen.

Eine mühselige, anstrengende und wohl auch gefährliche Arbeit, denn die einzelnen Spindelwagen fahren unaufhörlich auf im Boden angebrachten Schienen hin und her, wobei der Faden beim Ausfahren gesponnen und beim wieder Einfahren auf die Spindeln gewickelt wird. Ein einzelner Arbeiter überwachte mehrere solcher Wagen und musste dabei ständig abwechselnd rückwärts und wieder vorwärts gehen.

Der letzte Arbeitsgang, ehe die Wolle die Spinnerei wieder verließ, fand in der Haspel statt. Das Garn der einzelnen Spindeln wird zu sog. Docken aufgerollt, die dann beim Empfänger je nach Wunsch eingefärbt werden können.
Strickerinnen unter den Lesern erinnern sich sicherlich noch, dass man früher Wolle in Form solcher Docken kaufte und dann von Hand zu einem Knäuel wickelte.

Zum Schluss der Besichtigung ging es dann noch in das obere Stockwerk, wo wir uns einen über die Spinnerei und die Arbeitsvorgänge einen kleinen Videofilm ansahen, um danach im hofeigenen Café unter freiem Himmel von den Veranstaltern selbst gebackenen Kuchen und guten Kaffee zu genießen.

Ehe wir wieder nach Hause aufbrachen, entstand dann noch ein Gruppenbild, auf dem man etwas von der schönen Landschaft rund um den Gebäudekomplex erkennen kann.

Gruppenild - 2011_07_31_002

Zum Schluss eine kleine Bildergalerie mit Personenbildern.

Warten auf die Besichtigung - 2011_07_31_1-2
Warten - Teetante 1
Teetante 3
Teetante 7
Teetante 10
widder35 - 06
widder35 - 07
widder355 - 08
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widder352 - 47
widder35 - 48

Autor: Otima

Lieselotte Beuermann

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