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Buon giorno Elba

Annabelles Erlebnisse

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Monterosso

Namen wie Musik: Marciana Marina; Sant'Andrea; Chiessi; Pocchio; Isola Paolina; Porto Azurro; Portoferraio ...

Spätestens hier holt einen die Realität wieder ein: Portoferraio - "Eisenhafen". Hauptstadt Elbas, der Insel, die einst wegen ihrer Erzvorkommen und deren Verhüttung vierundzwanzig Stunden am Tag "brannte". Etrusker, Römer, Sarazenen, Spanier, Engländer, Franzosen, Habsburger - alle versuchten nacheinander, die Bodenschätze auszuplündern. Erze und Mineralien weckten Begehrlichkeiten, die erst nach dem zweiten Weltkrieg mit der totalen Zerstörung sämtlicher Industrieanlagen ein Ende fanden.

Den "Besetzern" von heute, den Urlaubern, wird "sanfter" Tourismus geboten. Viel schneller als erwartet sind die Ausplünderungswunden der geschundenen Erde mit der Macchia, dem niedrigen Busch- und Baumwerk, zugewachsen. Strenge Bauvorschriften untersagen Betonsilos und Bettenburgen, um den Charakter der Landschaft nicht zu verschandeln.

Dreigeteilt wirkt die Insel: Dem Osten mit seiner Landwirtschaft, den Olivenbäumen und einer Vielzahl von exquisiten Weingütern steht der Westen gegenüber mit seinen schroffen, steil ins Meer abfallenden Felsen und kleinen, kiesbedeckten Buchten. Und dann Elbas Mittelteil mit den feinsandigen Sandstrandstreifen; den kleinen Ortschaften, an die Felsen geklebt wie überdimensionierte Adlerhorste.

Ankunft in Portovenere/Ligurien am späten Abend. Über dem "Hafen der Venus" hängt ein fahler Vollmond. Das mächtige Castello thront ehrfurchtgebietend über Stadt und Hafen. Der Blick aus dem Hotelzimmer fällt auf enge, verwinkelte Gässchen. Leise schmatzen die Wellen im schmalen Hafenbecken an vertäuten Fischerbooten. Mager beleuchtet die Piazza. Vom Kirchturm tönt die volle Stunde. Ein Schatten löst sich aus dem Lichtkegel der blakenden Straßenlaterne: ideale Krimi-Szenerie. "Harry, hol' schon mal den Wagen" ... Lieber das Fenster geschlossen halten.

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Portoferraio

Strahlender Sonnenschein am nächsten Morgen. Meterhohe Kakteenfinger umklammern gelbe Häuserwände. Dickfleischige Agaven dominieren heruntergekommene Hauseingänge. Stubentiger sämtlicher Kategorien: Gestreift, rotbraun, schwarzweiß. Alle scheinen irgendwie miteinander verwandt. Aalen sich auf Schiffsplanken, streunen einem um die Beine, hocken auf Pfählen, stieren missmutig ins Hafenbecken. Es riecht nach Meer, Fisch, kaltem Zigarettenrauch und frischem Kaffee.

Aufbruch ins Cinque Terre. Mit dem Schiff nach Riomaggiore. Auf holprigen Steinstufen hinauf und hinunter. Oregano- und Rosmarinduft umschmeicheln die Sinne. Sonne erwärmt den Teutonenrücken. Luigi oder Paolo schaufelt großzügig Eis in Waffelhörnchen. Augenzwinkernd sieht er zu, wie die Touris allmählich seine Stadt wieder in Besitz nehmen. Ihm kann's nur recht sein.

Das Örtchen Corniglia bleibt verschlossen. Die Via dell'Amore - was für ein Name! - ist wegen Erdrutsch gesperrt und 450 Stufen nicht zumutbar. Aber ein Zug fährt über Manarola nach Vernazza. Allerdings mit fünfzehn Minuten Verspätung. Kein Problem. Das ist bekannt von daheim. Endlich rollt er ein. Aber nun lassen sich die Türen nicht öffnen. Das ist neu. Außerdem hält der Express nicht da, wo er halten sollte. Er transportiert seine menschliche Fracht gleich einen Ort weiter. Also wieder zurück. Diesmal stoppt er. Allerdings im Tunnel. Halb blind das Ziel ertasten. Auch das ist neu. Wer schimpft eigentlich ständig über die Macken der Deutschen Bahn?

In den Badebuchten knackige Schönheiten in noch knackigeren Bikinis. Sonnenanbeter allerorten.
Ein silberbärtiger Macho mit Goldkettchen auf nackter Heldenbrust lächelt mir freundlich zu. Dabei entblößt er eine tiefdunkle Zahnlücke. Schade. Auch ein Macho ist nicht mehr das, was er mal war.

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Forte Stella

Am nächsten Tag über Carrara mit seinen monumentalen Marmorbrüchen vorbei an Pisa und Livorno nach Piombino. Es regnet nicht, es gießt. Die Überfahrt nach Elba wird zweifach feucht und ein wahrhaft stürmisches Erlebnis. Im Hotel wimmelt es von Carabinieri: Der Herr Justizminister ist auf Wahlkampftour und hält Hof. Wen interessiert's? Ein warmes Zimmer und eine heiße Dusche sind im Moment angesagter.

Die Sonne weckt am frühen Morgen die unterkühlten Glieder mit südländischer Intensität. Ein exquisites Weingut macht seinen Reibach beim Verkauf von Wein und Olivenöl. Für Souvenirs in der Edelsteinschleiferei reichen die Lire noch. Ein Stadtrundgang in Portoferraio enthüllt die Schönheiten abseits des beginnenden Touristenrummels. Über dem Häusergewirr die Festungen Forte Stella und Forte Falcone. Trutzig, abweisend, unnahbar.

Allmählich schmerzen die Waden vom ständigen Hinauf- und Hinuntersteigen der vielen Stufen. Ein Blick in die Chiesa della Misericordia. Einmal im Jahr wird hier auch heute noch eine Messe für Napoleons Seelenheil gelesen. Wenn's denn hilft ...

Überhaupt ist der Korse allgegenwärtig. Was Mozart für Salzburg ist Napoleon für Elba. Auch wenn er dort nur etwas mehr als 300 Tage zubrachte. Er ver(un)ziert Kopftücher, Becher, Nachttöpfe, Babylätzchen und Briefbeschwerer. Sein Sommerpalast ist relativ bescheiden. Kalte Füße dürfte der Gute bekommen haben, schließlich ist kein Raum unterkellert. Der protzige Demidoff-Palast im Anschluss daran mit wechselnden Ausstellungen über Napoleons Leben und Wirken wirkt heruntergekommen und im Gegensatz zum simplen Wohngebäude deplaziert.

Rote Bettlaken trocknen quer über der Straße. Aparter Kontrast zu abbröckelndem Putz und zartgrünem Akazienlaub. Ein Baby im Kinderwagen wird von neugierigen Tanten und Nachbarn umringt. Die Lautstärke der Erwachsenen ist erheblich. Ob Babys in Italien mit einem widerstandsfähigeren Trommelfell geboren werden?

Und weiter auf Achse: Der Westen der Insel mit steilen Serpentinen; schroffen Felsen, überwuchert von blühendem, goldgelbem Ginster. Zur Abwechslung heute eine kleine Weinprobe hoch über Sant'Andrea auf einem Parkplatz.

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Blumen Lugano

Wie auf einer colorierten Kitschpostkarte leuchtet das azurblaue Auge des Wassers tief unten. Blühende Büsche, unterschiedlichste Grüntöne auf der Palette der Natur. Orangefarbene Strelitzien und dunkellila Bougainvillaeen konkurrieren mit ihrer Blütenpracht. Taumelnde Schmetterlinge, dösende Salamander auf warmen Sandsteinen. Einfach paradiesisch. Die Sonne meint es gut. Die Seele baumelt im südländischen Flair.

Später bestelle ich mir in einer Bar einen Capuccino, bezahle und möchte draußen serviert bekommen. Aber der Wind pfeift. Ich verziehe mich ins Innere des Hauses. Der Kaffee kommt - mit ihm 2000 Lire auf einer Untertasse. Ich bin verdutzt. Der junge Mann strahlt mich an: "Drinnen ist es billiger!" Wunder gibt es immer wieder. Ich freue mich. Über seine Ehrlichkeit, seine Freundlichkeit und das Herz, das er mir mit dunkelbraunem Kakaopulver auf schneeweiß aufgeschäumte Milch malt. Mille Grazie! Arrivederci! Elba, es war wunderschön mit dir!

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