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Das Attentat

Schon eine ganze Weile saß sie an der Hauswand, direkt neben dem Schlafzimmerfenster, das noch geschlossen war.
Am Teich war es ihr zu kalt geworden, und die Hauswand, die die Sonnenwärme vom Tag gespeichert hatte, war zu verlockend gewesen. Zwar würde schon bald die Kühle der Nacht hereinbrechen, aber hier, in der Fuge zwischen zwei Ziegeln, ließ es sich eine Weile aushalten, denn irgendwann würde sich das Fenster neben ihr öffnen.
In der Hoffnung auf ein warmes Plätzchen und eine reichliche Mahlzeit rieb sie leise summend die Flügel aneinander.

Gegen 10 Uhr öffnete Frau Lena das Fenster und zog den Vorhang beiseite. Der heiße Sommertag hatte ihr zu schaffen gemacht, und so genoss sie jetzt in tiefen Atemzügen das abendlich kühle Lüftchen. Sie schlürfte genüsslich den letzten Schluck Wein, stellte das Glas auf den Nachttisch und gähnte. Und schon bald sank sie aufs Kopfkissen und fiel in einen tiefen Schlaf.

Jetzt oder nie, dachte Sumse, kroch auf den Fensterrahmen und nahm die Kurve ins Zimmer hinein. Sie setzte zum Flug an und landete direkt auf der Wand über Frau Lenas Bett. Ein wenig abwartend, um dann im Sturzflug Frau Lenas weichen Arm zu überfallen.
Hungrig bohrte sie ihren Rüssel in ihre zarte Haut und saugte begierig den leckeren Lebenssaft in sich hinein.
Dieser Saft schien etwas Besonderes zu sein und so süffig, dass sie nicht aufhören konnte zu saugen.
Hilfe, ich werde ja ganz müde, dachte sie überrascht und rülpste leise. Leicht benebelt und nur mit allerletzter Mühe hob sie die Flügel, vergaß sogar das Summen, und ließ sie sich an der Wand neben dem Bild mit Monets Blumenwiese nieder und schlief ein.

Gegen sechs Uhr wurde Frau Lena vom Singen einer Amsel geweckt. Durch den Spalt neben dem Vorhang lugten bereits die ersten Sonnenstrahlen und verhießen wieder einen warmen Sommertag.
Nanu, was juckt mich denn da, dachte sie. Ein Mückenstich, und so angeschwollen?
„Du verdammtes Biest“, rief Frau Lena,
„das wirst du mir büßen. Irgendwo wirst du ja hier noch sitzen. Warte nur.“
Sie erhob sich, griff nach einem Handtuch und ging auf die Suche.
„Himmel! Zum Glück hat sich das Viech nicht zu nah an mein Blumenbild gesetzt. Trotzdem riskant. Und ausgerechnet dort soll ich jetzt zuschlagen? Ich muss das geschickt anstellen.“
Der Schlag traf gezielt, das Bild pendelte nur leicht hin und her.
Aber Sumses sterbliche Überreste klebten im Handtuch.

Schnake an der Wand

Autor: fleurbleue

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