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Senioren-WG als Schutz vor Vereinsamung?

Von KlausNormal Freitag 29.06.2018, 10:45

Als mögliches Motiv für eine Seniorenwohngemeinschaft wird immer wieder der Schutz vor Vereinsamung genannt.
Das klingt erstmal einleuchtend. Doch auf den zweiten Blick ergeben sich doch einige Fragen bezüglich dieses Motivs.
Wer noch nicht in einer Seniorenwohngemeinschaft wohnt, hat in der Regel Nachbarn [Plural].
Warum ist die tatsächliche Anwesenheit von Nachbarn kein Schutz vor Vereinsamung? Sind die denn alle unsympathisch? Oder hat man sich mit denen im Laufe der Jahre unreparierbar verkracht?
Mit welchen der Nachbarn Sie Kontakt pflegen können Sie frei entscheiden. In einer Seniorenwohngemeinschaft ist freie Kontaktauswahl viel schwieriger oder fast unmöglich, da alle unter einem Dach leben.
Sie können natürlich den einen oder anderen Mitbewohner der Seniorenwohngemeinschaft ein bißchen aus dem Weg gehen und ihn damit schneiden. Doch war daß das Ziel bei der Gründung der Seniorenwohngemeinschaft, daß sich da 2 Teilnehmer aus dem Weg gehen? Wohl kaum!
Genauso wenig kann ich mir vorstellen, daß jemand in eine Seniorenwohngemeinschaft eintritt, um anschließend mindestens einem Mitglied der Seniorenwohngemeinschaft aus dem Weg zu gehen.

Außerdem stellt sich die Frage, wenn Sie mit keinem Ihrer Nachbarn zurechtkommen sollten, warum das in einer Seniorenwohngemeinschaft so gut klappen sollte, daß Sie dort mit allen Mitgliedern gut Freund sind?
Gerade wenn dort die „Flitterwochen“ erstmal vorbei sind. Wenn Sie dann also anfangen die Schwächen Ihrer Mitbewohner zu entdecken. Daran anschließend müssen Sie sich entscheiden, ob diese Schwächen tolerieren wollen oder nicht tolerieren wollen.
Falls Sie die eine oder andere Schwäche Ihrer Mitbewohner nicht tolerieren wollen, stellt sich die Frage, mit welchen Mitteln Sie Ihre Intoleranz zum Ausdruck bringen wollen?
Genauso geht es natürlich den anderen. Diese entdecken dann nach den „Flitterwochen“ Ihre Schwächen.

Man könnte hier einwenden, daß man mit den Nachbarn nicht zurechtkommt, weil diese alle wesentlich jünger sind. Wesentlich jüngere Leute sind in der Regel an wesentlichen älteren Leuten nicht so stark interessiert, weil jede Gruppe wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Generation spezifische Problemfelder im Leben zu bearbeiten hat.
Beispiel:
Der Jüngere sucht ein Grundstück auf dem er sein Haus bauen kann.
Der Ältere sucht nach einem passenden Altersheim.

Aber ein eventuell vorhandenes geringeres Interesse jüngerer Leute an Ihnen bedeutet noch nicht, daß die Jüngeren mit Ihnen nicht auskommen wollen. Systemimmanente Konfliktherde sind auf Grund des Altersunterschiedes nicht erkennbar.

Also ich hätte enorme Probleme jemanden in „meine“ Seniorenwohngemeinschaft aufzunehmen, der mit allen Nachbarn verkracht ist.

Auch wer (noch) daheimwohnt, kann Mitglied einer oder mehrerer Gruppen sein.
Beispiel: Skatrunde, Bastelgruppe, Gymnastikgruppe, Wandergruppe, etc.
Alle diese Gruppen bieten einen Schutz vor Vereinsamung.
Wen sich nun jemand um die Aufnahme in einen Seniorenwohngemeinschaft bewirbt, bedeutet das, daß er Mitglied einer Gruppe sein will. Wenn nun der Bewerber bisher keiner Gruppe angehört, stellt sich die Frage, warum er bisher keiner Gruppe angehört.
Ein mögliches Argument könnte sein, daß in solchen Gruppen nur oberflächliche Freundschaften entstehen, die so oberflächlich sind, daß der Gebrauch des Wortes „Freundschaften“ schon fragwürdig ist.
Das Gegenteil von Vereinsamung ist nun aber nicht eine Art von Blutsbrüderschaft. Auch ein Kontakt der wesentlich weniger intensiv ist, stellt einen Schutz vor Vereinsamung dar.

Also ich hätte enorme Probleme jemanden in „meine“ Seniorenwohngemeinschaft aufzunehmen, der bisher nicht Mitglied irgendeiner Gruppe ist, die vor Vereinsamung schützt. Wer bisher allen Gruppen aus dem Weg geht, soll dann auf einmal in der Gruppe der Seniorenwohngemeinschaft wie der Phoenix aus der Asche erheben?

Soziale Kompetenz muß wie jede andere Art von Kompetenz vorhanden sein. Kompetenz muß aufgebaut werden, kann sich im Laufe der Zeit verringern und muß daher ständig trainiert werden. Ich spreche daher lieber von sozialer Fitness als von sozialer Kompetenz, da bei dem Ausdruck sozialer Fitness klarer erkennbar ist, daß es hier etwas zu trainieren gibt.

Eine Seniorenwohngemeinschaft erfordert ein hohes Maß an sozialer Kompetenz. Wer so viel soziale Kompetenz hat, daß er in einer Seniorenwohngemeinschaft reibungslos leben kann, verdient daher Bewunderung. Etwas bei dem einem als Senior noch mehr soziale Kompetenz abverlangt wird, ist schwer vorstellbar.

Wenn alle so denken wie ich, führt das zu folgendem Paradoxon: Diejenigen, die am meisten Schutz vor Vereinsamung benötigen, haben die geringsten Chancen in eine Seniorenwohngemeinschaft aufgenommen zu werden.

Allerdings könnte man daran denken, daß man einen externen Coach oder Moderator beauftragt, der den Teilnehmern einer Seniorenwohngemeinschaft hilft, die für die Seniorenwohngemeinschaft erforderliche soziale Kompetenz aufzubauen.
Dieser externe Coach oder Moderator wird in der Regel nicht kostenlos sein. Außerdem stellt sich die Frage, ob es überhaupt einen Coach oder Moderator gibt, der auf Seniorenwohngemeinschaften spezialisiert ist.

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