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Finanzminister

Von ehemaliges Mitglied 10.10.2021, 11:29

Regierungsverantwortung kann man teilen - das Bundesministerium der Finanzen nicht. Sowohl Christian Lindner als auch Robert Habeck wollen Finanzminister werden. Und haben sehr unterschiedliche Auffassungen davon, wofür Geld gut ist.

Stark gekürzter Auszug des Artikels von Robert Pausch und Mark Schieritz - Die Zeit Nr. 41

Robert Habeck und Christian Lindner, zwei Parteichefs, deren Ambitionen sich in die Quere kommen.
Die erste Sondierungswoche war noch von Nettigkeiten geprägt. Grüne und Gelbe strahlten auf Instagram und erweckten manchmal den Eindruck, als könnten sie auch zu einer ökoliberalen Zitruspartei fusionieren. Doch wenn es um Geld geht, hört die Freundschaft auf. Beziehungsweise : Die ideologischen Konflikte fangen so richtig an.
Wer das Finanzministerium kontrolliert, der kontrolliert das Geld. Der Haushalt wird zwar vom Parlament verabschiedet, aber die Beamten in der Wilhelmstraße stellen ihn auf. Sie sitzen in zahllosen internationalen und europäischen Gremien, die kaum jemand kennt, die aber dafür umso mächtiger sind. Der Wirtschafts- und Finanzausschuss in Brüssel ist eines davon. Er bereitet die Entscheidungen der europäischen Finanzminister vor und verfügt deshalb über erheblichen Einfluss, wenn zum Beispiel irgendwann wieder Rettungspakete für Krisenstaaten geschnürt werden müssen. Eine weitere Besonderheit des Ministeriums : Er verfügt als einziges Haus über sogenannte Spiegelreferate. Das sind spezielle Arbeitseinheiten, die die anderen Bundesministerien überwachen, sodass sich der Bundesfinanzminister einen Überblick darüber verschaffen kann, was in der Regierung so los ist. Das ist ein erheblicher Wettbewerbsvorteil, wenn es darum geht, eigene Initiativen zu platzieren.

Robert Habeck ist kein Finanzpolitiker, aber er hat sich zu einem gemacht. Schon vor zwei Jahren begann der studierte Philosoph und ehemalige Landwirtschaftsminister. sich mit der Materie anzufreunden. Er verfasste wirtschaftspolitische Positionspapiere mit Gewerkschaftsbossen und knüpfte auf der anderen Seite, Kontakte in die Finanzwelt. Er traf Bundesbankchef Jens Weidmann und war auf Einladung des deutschen Bank-Vorstands Gastredner bei einer Tagung für Topkunden. Seine Antwort auf einen Vortrag von Bankchef Christian Sewing kam sehr gut an, wie Teilnehmer berichten. Der Grüne und das Großkapital, das scheint besser zu passen, als man auf den ersten Blick denken würde.
Habeck ist überzeugt, dass sich an der Frage, wie ein Staat mit Geld umgeht, auch entscheidet, wie die Gesellschaft mit dem Klimawandel fertigwird. Aus seiner Sicht hat der Staat eine zentrale Rolle bei der Bewältigung gegenwärtiger Probleme zu spielen.
Nach der Epoche der Deregulierung der letzten vierzig Jahre gehe es nun darum, neue Regeln zu setzen und die öffentlichen Investitionen auszuweiten. Staatsschulden sind in dieser Denkschule nicht die entscheidende Größe.
Habeck hat deshalb bereits vor einigen Monaten einen parteiinternen Kompromiss zur Reform der Schuldenbremse organisiert, der die Grundlage für das Herzstück des Grünen Wahlprogramms bildet : ein Investitionspaket über 50 Milliarden Euro pro Jahr. "Vorsorgende Haushaltspolitik nennen das die Grünen nun. Der neue Leitsatz lautet : Die Sparmaßnahmen von heute sind die Schulden von morgen.
Für Lindner hingegen sind staatliche Ausgaben eher das Problem als die Lösung. Er will die Steuern senken, um die Wirtschaft zu "entfesseln", weil der Staat, wie es auf FDP-Parteitagen heißt, "nicht der bessere Unternehmer ist". Denn warum sollten ein paar Politiker klüger sein als eine Vielzahl von Unternehmern, Investoren, Haushalten ?
Für Lindner steht staatliche Wirtschaftspolitik in der Tradition des deutschen Ordoliberalismus, also : Garantie des Privateigentums und Stabilität des Preisniveaus. Schutz der Märkte und Vermeidung von Machtkonzentration. Eher käme Lindner mit dem Lastenrad zu Koalitionsgesprächen, als sich mit dem Planungseifer seines Duzgegners Habeck anzufreunden.
Sollte Lindner Finanzminister werden, dürfte er seine ökonomischen Positionen eher zuspitzen als abschwächen, wobei die Gründe hierfür nicht im Ideologischen, sondern im Strategischen liegen :
Ein Finanzminister Lindner wäre also von Beginn an mit äußeren Widerständen konfrontiert.
Habeck wiederum hätte seine Probleme vermutlich eher im Inneren. Denn für eine progressive Finanzpolitik gab es in Deutschland bislang noch nie eine gesellschaftliche Mehrheit.
Als Finanzminister müsste Habeck zudem permanent zwischen dem finanzpolitischen Konservatismus der Öffentlichkeit und dem europäischen Bekenntnisdrang seiner eigenen Partei vermitteln. Und weil Habeck nun einmal Habeck ist, sollte man nicht darauf wetten, dass er dabei immer die Geduld behält.

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