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Finanzminister

Von ehemaliges Mitglied Samstag 30.10.2021, 17:13

Politik DIE ZEIT 28.10.21 von J. Stiglitz und A. Toze - Stark gekürzter Auszug

"Es wäre ein Fehler, ihm seinen Wunsch zu erfüllen" - Christian Lindner wäre als Finanzminister ungeeignet - dafür aber ein guter Minister für Digitales, meinen die Wirtschaftswissenschaftler.

Die Ampelkoalition scheint zum Erfolg verdammt, aber es besteht das Risiko, dass es eine schwache Regierung wird, die Schwierigkeiten hat, die Herausforderungen zu meistern, mit denen sie es zu tun haben wird. Umso wichtiger ist die Frage, wer die Spitzenpositionen besetzt. Starke Minister und und Ministerinnen mit gutem Personal können etwas bewegen. Den besten Beleg dafür liefert Olaf Scholz selbst in seiner Rolle als Bundesfinanzminister.
Das Finanzministerium ist deshalb so wichtig, weil es im Gegensatz zu allen anderen Ministerien technische und politische Macht sowie nationale und internationale Aufgaben in sich vereinigt. Deutschland hat einen Außenminister, aber man sollte sich keinen Illusionen hingeben. Nach dem Amt des Bundeskanzlers ist der Posten des Finanzministers derjenige, der für Deutschlands tagtägliche Außenbeziehungen die größte Bedeutung hat. Was Europa benötigt, ist ein deutscher Finanzminister, der weiß, dass es für Länder mit gewaltigem Exportüberschuss wichtig ist, dass es den Handelspartnern gutgeht. Ein Finanzminister, der weiß, dass es bei finanzieller Nachhaltigkeit nicht einzig auf die Höhe der Schulden ankommt, sondern auch auf die Höhe des Bruttoinlandsprodukts.
Die größte Bedrohung für Europas Demokratie ist nicht die Einmischung durch Internet-Trolle oder andere Außenstehende, sondern eine unangemessene und zum falschen Zeitpunkt durchgesetzte Haushaltsdisziplin, die ein Minderheitsbündnis "von Nordstaaten" einer Mehrheit der europäischen Wählerschaft zwangsverordnet. Für Deutschland wäre es katastrophal, sich an die Spitze eines solchen Bündnisses zu stellen, wie es die FDP versprochen hat.
Jeder weiß, dass auch Christian Lindner den Posten des Finanzministers will. Er hat das zu einem zentralen Wahlkampfthema gemacht. Und genau das wäre, ihm seinen Wunsch zu erfüllen. Was Deutschland oder Europa am allerwenigstens gebrauchen können, ist ein Finanzminister, der das Ministerium als Plattform ansieht, von der aus er die konservative Haushaltspolitik seiner Partei predigen kann. Das Problem besteht nicht nur darin, dass Lindners Wirtschaftspolitik - sei es bei der Schuldenbremse oder den Haushaltsregeln für Europa - ein Anhäufung konservativer Klischees ist. Viel wichtiger ist, dass es sich Klischees einer vergangenen Ära handelt, nämlich um die Neunzigerjahre.
Das bedeutet nicht, dass die FDP nicht ein wichtiges Segment, insbesondere der jungen deutschen Wählerschaft repräsentiert. Sie verkörpert eine politische Energie, die offen ist für Hightech, Modernisierung, Liberalisierung und Unternehmertum.
Um seiner selbst willen sollte Lindner die unmögliche Aufgabe erspart werden, seine vorsintflutliche haushaltspolitische Agenda auf die finanzielle Situation von heute übertragen zu müssen. Diese Art Crashtest kann sich weder Deutschland noch Europa erlauben.

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