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Vom Staunen

Von Feierabend-Mitglied 21.11.2021, 22:32 – geändert 21.11.2021, 22:55

Worüber staune ich.

Dass es möglich ist
mit meinem Sohn in Taiwan zu telefonieren,
dass ich in Kapstadt mit google durch die Straßen spazieren kann,
dass meine 85-jährige Nachbarin aus blitzenden Augen immer noch wie eine Junge frech grinst,
dass die Bienen eine getanzte Sprache haben,
dass meine kleinen Tomatenpflänzchen riesige Früchte wachsen ließen,
dass es Menschen gibt, die Töne zu Musik machen, die mich schüttelt,
dass ich zwei Kinder geboren habe,
dass mein Zahnarzt mich zurückgerufen hat,
dass ich Menschen kenne und mag, die ich niemals getroffen habe,
dass Sätze von Menschen gesprochen und geschrieben wurden, die meine sein könnten,
dass meine Kinder und Kindeskinder so sind, wie sie sind,
dass mein Maulwurf im Garten im Frühjahr so verschwindet, wie er im Herbst kam,
dass Menschen vor Tausenden von Jahren dieselben Ideen und Wünsche, Ängste und Traurigkeit hatten wie wir heute,
dass die Traubenhyazinthe ein Produkt aus Staub aus dem All ist,
dass die Evolution so viele Wunderbares, so viel Schönheit schuf

Das ist alles Kopfstaunen.
Staunen einer Erwachsenen.
Mit beantworteten Fragen.
Und es ist nur ein uneigentliches Staunen.

Wir können nicht wirklich staunen.
Kinder können das.
Empfinden Wunder.
Magie und Mystik.
Sie wissen nicht.
Sie staunen.
Was ist das für eine großartige Welt.
Die Kinder bestaunen dürfen.
Nicht einmal erinnern kann ich mich daran.
Wie das war.
Staunend in die Welt hineinzuwachsen,

Das Kleine Mädchen beobachtet staunend mein Klavierspiel und sagt:
Du singst ja mit den Fingern.

Der kleine Bub, der mit offenem Mund das Feuerwerk betrachtet.
In gesamtkörperlichem Staunen
Und irgendwann fragt, woher es kommt.
Eine Frage, die, wenn beantwortet, ihm die Unschuld des Staunens nehmen wird.

Einfach nur staunen.
Einfach nur sich einlassen auf die Wunder.
Ohne Fragen nach warum, woher.
Ich kann das nicht mehr.
Wir können es nicht mehr.
Wir wurden erwachsen.
Aßen die Früchte vom Baum der Erkenntnis.
Fanden Erkenntnis.
Und verloren Staunen.

Fraglos die Vergangenheit vergangen sein lassen.
Fraglos die Hummel in der winzigen Blüte verschwinden sehen.
Fraglos grinsen beim Anblick ihres Hinterteils aus der Blume,
Fraglos etwas auf der Zunge zergehen lassen.
Gedankenlos in eine Musik eintauchen.
Ohne Zweck lieben.

Staunen, dass es das gibt.
Die Hummeln, die Musik, das Gefühl.
Bloß staunen.
Ohne zu hinterfragen.
Zweifeln.
Analysieren.

Wir zerdachten unsere Arglosigkeit mit Erkenntnissen.
Die den Zauber der Sternennacht,
dem Wunder der Liebe,
der Schönheit der Natur,
dem Leben
erklärende Namen geben.
Als ob es Natur und Liebe
zu erklären bedarf.
Als ob man das Universum,
das Leben wirklich verstehen könnte.

Tztztz..
Freilich bedarf es Erklärung.
Wir haben einen Auftrag.
Die Erde uns untertan zu machen.
Was für ein auch missverstandener Auftrag

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