*Der Freund an meiner Seite*

Ich schätze mal, Jeder hatte irgendwann einen Freund, der ihm in schweren Zeiten zu Seite stand. Ohne ihn, wäre manche Enttäuschung, manche Lebenskriese kaum zu ertragen.

Mir begegnete er in den 70-er Jahren, ausgerechnet an dem Tag, als ich die größe Enttäuschung meines Lebens erlebte: Plötzlich gab es *die Andere*, ein bedrohlicher Schatten der alle Pläne zunichte machen drohte, auf die wir in der letzen Zeit hingearbeitet hatten.

An diesem Abend hatte mein Mann einen neuen Kollegen mitgebracht, vielleicht, um die Situation zu entschärfen und dem, was eigentlich war, auszuweichen.
Es war ein junger Schotte mit langen, schwarzllockigem Haar, ein wenig unbeholfen stand er vor mir:
"Hello, I´m Ian...."...dann stockte er, er schien die Spannung zwischen meinem Mann und mir zu spüren und schwieg. Aber irgendwie spürte ich, dass er wusste, wie es mir ging.

Am nächtsten Tag kam er wieder zu uns, mein Mann war wieder einmal irgendwo unterwegs. Ian hockte sich zu meinem Sohn auf den Fußboden, begann ihn mit Gesten zu necken, ich merkte, die Beiden verstanden sich auf Anhieb.
Von da an kam Ian fast täglich, wir sprechen nicht viel miteinander, es war eher so, dass er schon im Voraus wusste, was ich sagen wollte, so eng waren wir mental verbunden, dass wir uns oft unterwegs fragten: "An was denkst du gerade?".. und immer war es richtig.

ER war mein Freund und gleichzeitig mein einziger Halt in dieser Lebenkriese - bis er wieder von seiner Fima zurück nach England geschickt wurde.
Dass ich ihn liebte, wagte ich ihm nie zu sagen.

Ein Jahr später starb mein Mann überraschend, mein Sohn und ich waren von der Situation total überfordert.
Kurz nach der Beerdigung bekam ich von Ian einen Anruf:
"Ich lasse mich wieder nach Hannover versetzen und suche mir dann eine Wohnung in deiner Nähe."
4 Wochen später hatte er alles geregelt, eine Wohnung mir fast vis à vis.
Ohne ihn hätte ich diese schwierige Zeit nie überstanden. Aber merkwürdigerweise wurde wir nie ein Paar.

2 Jahre später begegneten wir fast gleichzeitig neuen Partnern. Was seltsam ist, seine spätere Ehefau war vor vielen Jahren, als mein Sohn noch nicht laufen konnte, zeiweise sein Kindermädchen, das ihn oft mit der Kinderkarre zu ihren Eltern in deren großen Garten holte, in dem er mit ihren kleineren Schwestern spielen durfte.

Vor 3 Jahren haben wir uns alle bei meinem Sohn wiedergetroffen. Unsere Freundschaft besteht auch weiterhin. Im kommenden Sommer werden wir uns alle wieder bei meinem Sohn treffen und sagen:
"Weist du noch....damals...?...."

Ach ja. beim ersten Wiedersehen sagte ich ihm:
"Ian, I didn`t tell You, but I liked You very much:"
Er lächelte nur und sagte: " Mee too..."...