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Mutter und Teenagertochter

Von Feierabend-Mitglied 28.06.2020, 10:11


1991 begann ich im gerade eröffneten Frauenhaus zu arbeiten.

Meine Töchter waren inzwischen 16 und 13 Jahre alt, sehr selbstständig, kamen mich oft auf der Arbeit besuchen, hatten aber auch einen großen Freundeskreis und eigene Interessen.

Meine Große war ein sehr starkes Mädchen, spontan, hypersozial, aber oft so unüberlegt und tat Dinge, die mich oft an meine Grenze brachten. Die Jüngere war introvertiert, musisch begabt und politisch engagiert, zwei Teenager wie sie unterschiedlicher kaum sein konnten.

Ich arbeitete Schicht und hatte auch häufig Bereitschaftsdienst. Eines Tages kam ich am frühen Abend müde nach Hause, schloss die Tür auf, starker Tabakgeruch und Alkohol wehte mir entgegen, aus der Küche kamen Männerstimmen.

Als ich in die Küche kam traf mich fast der Schlag, stumm und fassungslos blieb ich stehen. Am Tisch saßen 5 obdachlose Männer, meine Große fröhlich dazwischen. Der Tisch war voll mit Brot, Aufschnitt, Käse und jeder, außer meiner Tochter, hatte eine Bierflasche in der Hand. Ich ging erst einmal aufs Klo, um mich etwas zu sammeln. Dann richtete ich mich in der Küche zu meiner vollen Größe von 158cm auf und sagte freundlich, sie mögen aufessen und dann bitte die Wohnung verlassen. Zu meiner Großen meinte ich, wir reden später. Freundlich verließ uns die Gesellschaft und ich plumpste auf den nächsten Stuhl mit dem Gefühl, im falschen Film zu sein. "Na, was willst du mir nun sagen?"grinste meine Tochter. Ich meinte, sie solle erst die Küche aufräumen, das Fenster weit öffnen und mir einen Kaffee machen.

Sie brachte mir den Kaffee und begann: "Bevor du jetzt loslegst will ich dir was erklären. Du machst Sozialarbeit mit Frauen, was ich sehr bewundere und ich mache das Gleiche mit Männern. Ich habe den Schlüssel nachgemacht und einem Obdachlosen gegeben. Wir haben ein Dach über dem Kopf, immer was zu essen und nun sei nicht so spießig. Ich habe ein bisschen geteilt, die haben doch nichts. Ich wusste nicht, dass du heute früher nach Hause kommst." Und ehe ich noch etwas sagen konnte hatte sie ihre Jacke an, um zu ihren "Freunden"zu fahren, strahlte mich an und weg war sie.

Am nächsten Morgen weckte sie mich mit Kaffee und sagte: "Wir treffen uns um 17 Uhr an der Ecke im Kaffee, dann reden wir in Ruhe miteinander. Dort flippen wir nicht aus, bis dahin hast du dich beruhigt und tschüss bis später."

Das Gespräch am Nachmittag war anfangs schwierig, zuerst legte sie ihre Position dar und ich hörte zu. Dann war ich dran und sie sollte mich nicht unterbrechen. Ich konnte ihr Verhalten ein Stück verstehen und bestätigte sie in ihrem guten sozialen Wollen. Sie war voller Lebenskraft und Begeisterung, ohne über bestimmte Folgen für uns als Familiengemeinschaft nachzudenken. Und so fanden wir einen Kompromiss. Sie durfte jederzeit Brote machen, auch mal Obst und heißen Kaffee mitnehmen und dies ihren "Freunden" an ihre Plätze bringen, aber unsere Wohnung war absolut Tabu. Das neue Schloss zahlte sie von ihrem Taschengeld.

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