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Der Junge und sein besonderes Weihnachtsgeschenk

Von tastifix Mittwoch 01.12.2021, 15:46 – geändert Donnerstag 02.12.2021, 04:25

Sven lag schon seit Monaten im im Krankenhaus. Die Diagnose: Unheilbarer Krebs! Es war schrecklich für den Neunjährigen, aber genauso schrecklich für seine Eltern, die hilflos mitansehen mussten, wie ihr Kind immer mehr verfiel.
„Kann man denn wirklich nichts mehr ausrichten, Herr Doktor?“
Professor Gerten sah sie ernst an:
„Nein, wir können ihm nur die Schmerzen nehmen. Das ist alles. Und doch auch viel, denn er muss sich nicht quälen.“
„Und, was glauben Sie, wie lange wird er noch … ?“
„Wissen Sie, das kann Ihnen niemand sagen. Vielleicht ein paar Wochen, aber höchstens noch zwei Monate.“

„Würde es gehen,“ fragte die Mutter leise und sehr zögerlich, „dass Sven übers Wochenende mit uns nachhause kommt. Er wäre bestimmt froh darüber ...“
„Bedenken Sie, dass Sie daheim nicht die notwendigen Geräte und Möglichkeiten haben, sofort zu handeln, wenn etwas Unerwartetes auftreten sollte.“
Der Arzt schwieg einen Moment. Wie gut wusste er, was in diesem beiden jungen Eltern nun vor sich ging, welche Gedanken ihnen das Herz schwer machten. Aber er hielt nichts davon, Angehörigen falsche Hoffnungen zu machen. Wenn dann der Tag käme, an dem dies durchschauen würden, wäre es für die Betreffenden noch viel schwieriger, mit der Situation fertigzuwerden. Wie oft schon hatte er es miterlebt, dass verzweifelte Mütter zusammenbrachen, weil sie mit ihrer Kraft am Ende waren. Sie hatten alles tun wollen, sich fast aufgeopfert und denn letztendlich jenen Kampf verloren.

„Seien Sie ganz gewiss, dass wir alles, aber auch alles für Sven machen werden, was eben noch in unserer Macht steht!!“, fügte er herzlich hinzu.
„Wir haben Vertrauen zu Ihnen und Ihrem Team! Nur - Es ist Ihnen ja klar, was uns jetzt bewegt!“, meinte nun auch der Vater.
„Bald ist Weihnachten!“, schluckte die Mutter. „Sven hatte sich so darauf gefreut und sich ein Fahrrad gewünscht. Und nun ...“
Sie sprach es nicht aus. Ihr Mann legte ihr beschützend den Arm um die Schulter. Mehr konnte er ja nicht tun. Da brach es aus ihr heraus und sie schluchzte leise.
„Ich würde Ihnen raten, jetzt nachhause zu fahren und sich, so gut es geht, auszuruhen. Ich verspreche Ihnen, Sie sofort selber anzurufen, falls irgendetwas sein sollte. Und - das möchte ich Ihnen doch unbedingt sagen: Sven hat Eltern, die ihn lieben und immer für ihn da sein wollen. Wie viele Kinder würden sich solche Eltern wünschen ...“
Svens Eltern schauten ihn dankbar an.
„Bis morgen dann!“, verabschiedete der Arzt sie mit warmer Stimme.

Wieder daheim, sagten sie sich:
„Wir können nichts für ihn tun, ihn nur für wenige Minuten täglich besuchen. Aber, Professor Gerten hat Recht: Wir dürfen sicher sein, dass Sven keine Schmerzen haben wird. Und er hat uns versprochen, sich sofort zu melden, wenn etwas passiert sein sollte!“
Eigentlich erwarteten nun bestimmt die Großeltern, dass ihnen berichtet würde, wie es um Sven momentan stand. Aber dazu waren sie noch nicht gefasst genug, gönnten sich erst mal Stunden der Ruhe, um danach solchen aufwühlenden Gesprächen gewachsen zu sein.

Gegen Abend dann informierten sie die engsten Verwandten. Zum Glück waren diese so sensibel, sie nicht mit Beileidsbekundungen zu überfallen.
„Der Arzt hat recht. Für Sven wird alles getan, was noch irgendwie möglich ist. Und wir sind immer für Euch da, wenn Ihr Hilfe braucht!“
„Danke!“, flüsterten die Beiden ins Telefon.
Nach diesem Gespräch saßen sie noch lange zusammen.
„Wenn ich daran denke, wie sehr er sich schon auf das neue Fahrrad gefreut hat ….“, schluchzte die Mutter.

In der Nacht fanden sie kaum Schlaf. Zu sehr waren sie in Gedanken bei ihrem Kind, dem nur noch wenige Tage gegönnt waren. Anderntags führen sie wieder zur Klinik. Professor Gerten bat sie ernster Miene in sein Büro.
„In der Nacht haben sich die Werte extrem verschlechtert ...“, teilte er ihnen mit.
Erstarrt schauten ihn die Eltern an.
´Bedeutet dies, das er vielleicht gar heute, morgen oder übermorgen …?`
„Bitte, sagen Sie uns die Wahrheit? Ist es schon soweit? Geht es vielleicht nur noch um Stunden?“
Ein Blick in seine Augen und sie erkannten, dass sie diese Frage gar nicht mehr hätten stellen brauchen.
„Er ist augenblicklich ansprechbar. Möchten Sie zu ihm?“
„Ja, ach bitte!“

Professor Gerten führte sie fürsorglich den Gang entlang und aufs Zimmer, in dem ihr Kind mit dem Tod rang. Als Sven sie sah, flüsterte er:
„Mama, Papa! Ihr seid hier!“
„Ja, Sven und wir bleiben auch bei Dir!“
Sven schloss die Augen, er atmete erst unruhiger, dann allmählich flacher. Ungefähr nach einer halben Stunde der Wortlosigkeit, in der der Junge die Anwesenheit von Mutter und Vater wohl nur noch gefühlsmäßig mitbekam, legte der Arzt den Eltern die die Hand auf die Schulter und nickte.
„Es sind die letzten Minuten. Gleich wird er sanft einschlafen!“
Mutter und Vater hörten es, waren aber nicht imstande, zu antworten, sich für seine sensible Art zu bedanken. Wie, um ihren Sohn noch festzuhalten, schauten sie ihr Kind unverwandt an.

Auf einmal veränderte sich Svens Miene. Ein Strahlen glitt über das Gesicht des Jungen. Mit einer Stimme, die so ganz anders fest klang als die, mit der er vor einer halben Stunde geflüstert hatte, sagte er:
„Mama..Papa: Da, ein Engel! ... Er nimmt mich an die Hand … Ich seh mein Fahrrad … Silbern wie aus Sternen … Mama, Papa, es ist so schön!“
Seine Eltern hielten sich umfangen, wollten noch etwas antworten. Aber es blieb keine Gelegenheit dazu. Sven war verstummt, verstummt für immer und mit jenem Strahlen auf dem Gesicht eingeschlafen. Sein sehnlicher Weihnachtswunsch, das Fahrrad, war ihm auf eine andere, wunderbare Weise erfüllt worden.
„Auch, wenn es für Sie jetzt furchtbar ist, Ihr Kind verloren zu haben, wird dieses Strahlen bei dem Gedanken an Sven für Sie Ihr Leben lang einen großen Trost bedeuten!“

Svens glückliche Miene und jene lieben Worte des Arztes vergaßen die Eltern nie mehr.

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