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WARUM DER DISTELFINK (STIEGLITZ) SO BUNT IST

Von egalis Samstag 03.04.2021, 16:51

©Elke Bontjer-Dobertin Text und Bild

Es begab sich zu der Zeit, als der Herrgott fast fertig war mit seinen Geschöpfen. Etwas fehlte ihm aber, als er die vier- und zweibeinige Schar so um sich versammelt sah. Alle Wesen sahen so einheitlich farblos aus, dass man sie fast nicht voneinander unterscheiden konnte.
„Das muss ich ändern“, murmelte er in seinen Bart und überlegte nebenher, welche Farbe er denn welchem Tier verpassen sollte.
Bei den großen Tieren fing er an. Elefanten, Esel, Zebras, Rhinozerosse und noch ein paar andere machte er mit einem Fingerschnipsen ziemlich einfarbig grau. Einige Esel bekamen zur besseren Unterscheidung einen dunklen Streifen über den Rücken. Da fiel ihm auf, dass Esel und Zebras fast nicht zu unterscheiden waren. Also bekam das Zebra ein helleres Grau und darüber in wilder Anordnung schwarze Streifen. Das gefiel ihm so gut, dass er mutiger mit der Verteilung der Farben wurde.
Das Ergebnis können wir ja heute noch sehen.
Mit den Säugetieren war er also fertig. Jetzt war das Federvieh an der Reihe. Pinguine sahen bald aus, als wollten sie zum Ball gehen in ihren Fräcken. Hühnervögel gab es in vielen bunten Farben. Bei Papageien, Fasanen, Pfauen, Paradiesvögeln, Kolibris, Eisvögeln und etlichen anderen, schwelgte er nahezu in Farben und konnte sich an den schillernden Federkleidern nicht sattsehen.
Ein büschen fummelig war die Farbgebung bei den kleinen gefiederten Sängern, die da um ihn herumflatterten und auch farbig sein wollten.
So verteilte er rote und andere Farben an diejenigen, die ihn darum baten. Wir kennen sie: Rotkehlchen, Dompfaff, Buntspecht, Pirol, Enten und andere. Schwalben bevorzugten Schwarzweiß. Rabenvögel wollten ganz schwarz sein. Als er endlich fertig war mit Amsel, Drossel, Fink und Star, Meisen, Bussard, Wiesenweihen, Störchen und Flamingos, waren die Farben aufgebraucht und die ganze Vogelschar machte sich auf in deren angestammte Gegenden.
Zufrieden lehnte der Herrgott sich zurück und betrachtete mit Freude die bunte Gesellschaft, die langsam aus seinem Blick entschwand. Gerade wollte er es sich gemütlich machen, da hörte er ein zaghaftes Zwitschern, und ein verspätetes farbloses Vöglein setzte sich auf seinen großen Zeh. (In den Wolken lief der Schöpfer allen Seins ohne Sandalen herum.)
„Ja, sag mal, wo kommst du denn her?“, fragte er den Vogel. „Ach, ich war ganz hintendran und wurde immer wieder zurückgeschubst“, jammerte es. „Und ich möchte doch auch so gerne farbig sein!“ -

„Hm“, machte der liebe Gott und kraulte seinen langen weißen Bart. „Du kommst ein büschen zu spät. Die Farben sind verbraucht!“
Die Traurigkeit von dem kleinen Piepmatz kann man sich gut vorstellen. Aber der Herrgott wäre nicht der Herrgott, wenn er keine Lösung wüsste.
„Weißt du was, ich hole mit einem Pinsel alle Farbreste aus den Pötten. Dann wirst du vielleicht etwas sehr bunt. Aber das ist doch auch schön!“

Der Vogel war es zufrieden und hielt schön still. So tupfte der Herrgott sämtliche Restfarben auf das Gefieder und es war vielleicht der schönste Vogel, als er fertig gefärbt war.
Weil er gerne die Samen von Disteln pickt, bekam er auch den entsprechenden Namen, nämlich Distelfink. In manchen Gegenden kennt man ihn auch als Stieglitz.

Es ist also gar kein so schlechtes Unterfangen, wenn man nicht bei den Ersten ist, die es eilig haben und meinen, dann besser bedient zu werden. Manchmal sind die Letzten die Ersten und Schönsten.

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