Von Monschau nach Mützenich
Von Feierabend-Mitglied Montag 06.11.2023, 12:59 – geändert Montag 06.11.2023, 16:05
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Von Monschau nach Mützenich
1971 war mein Papa 50 Jahre alt. Im Februar 1945 kämpfte er in der Ardennenoffensive als Regimentsmelder. Er war einfacher Gefreiter und seine Aufgabe bestand darin, Nachrichten vom Regimentsgefechtsstand an die Frontlinie zu bringen. Da0 das eine gefährliche Aufgabe war muß nicht extra erwähnt werden.
Am 22. Februar 1945, einem Donnerstag, starteten die Amerikaner eine eine Großoffensive. Wegen des unaufhörlichen Beschu0 beschloß mein Vater in einem Gebäude Schutz zu suchen. Er war in dem Dorf Mützenich direkt an der belgischen Grenze. Mein Vater wollte wegen der dicken Mauern in der Kirche Schutz suchen. Die Kirche steht auf einem kleinen Hügel und von der Straße mußte man etwa 20 Stufen zum Kircheneingang hinaufsteigen. Mein Vater lief also die Treppe hoch und auf der letzten Stufen traf ihn ein Schuß von hinten in das rechte Schlüsselblatt und die Kugel trat vorne aus der Brust wieder aus. Er wurde sofort ohnmächtig und als er wieder zu sich kam, lag er in einem Feldbett und amerikanische Soldaten kümmerten sich um die etwa 30 Verwundeten in dem Feldlazarett. So also kam mein Vater in amerikanische Gefangenschaft.
Diese Geschichte hat uns Papa oft erzählt und immer sagte er, er will noch einmal die Kirche in Mützenich besuchen. 1971 war es soweit und er fragte, ob ich mit ihm gehen würde. Ich sagte ja.
Er wollte das Auto in Monschau abstellen und die rund 30 km von Monschau nach Mützenich wandern, die Strecke, die er auch 1945 marschiert war. Wir hatten in Monschau übernachtet und gingen am Morgen kurz nach acht Uhr los.
Die Landschaft ist wunderschön und wir kamen gut voran. Es war erstaunlich wie gut Papa den Weg in Erinnerung hatte. Kurz nach 15 Uhr kamen wir in Mützenich an. Wir gingen die Treppe an der Kirche hoch. Auf der obersten Stufe blieb Papa stehen. Hier habe ich den Schuß bekommen, sagte er mit Tränen in den Augen. So emotional habe ich meinen Papa noch nie und nie wieder erlebt.
Da habe ich verstanden, wie wichtig ihm dieses wiedererleben dieses Kriegserlebnisses war. Es gab ein paar Erlebnisse im Krieg, die 1971, 6 Jahre nach Kriegsende immer noch nicht verdaut waren. Die Erinnerung an den Schuß in den Rücken auf der Kirchentreppe von Mützenich war eine davon.