So ein zartes Leben....

Futter und Wasser habe ich auf dem Balkon zu jeder Jahreszeit und ich beobachte diese Boten des Himmels so gerne. Sie haben das, was uns Menschen oft fehlt: Leichtigkeit, keine Sorgen, erfreuen uns mit ihrem vielfältigen Gesang, sind hinreißend mit ihren Jungen und sind frei.

So flog letzte Woche eine kleine Blaumeise zu mir ins Zimmer, sie suchte den Ausgang, prallte gegen die Scheibe und fiel mit einem dumpfen Geräusch zu Boden. Dort lag sie auf dem Rücken, sie gab kein Lebenszeichen mehr von sich. Mein Herz tat auch diesen dumpfen Schlag, wie ein Echo. Ich näherte mich diesem kleinen Tier, nahm es behutsam in meine Hände. Ich setzte mich auf den Balkon, die Tränen liefen von allein und ich sprach zu dem Tier: "Wach auf kleine Meise, du hast doch noch kaum gelebt. Ich halte und wärme dich und du hast Zeit, ins Leben zurückzukommen." Ca. 10 Minuten saß ich traurig so da, ich spürte keinen Herzschlag, keine kleinste Bewegung, aber mein Bauch sagte: "Du bist nicht tot, wir beide haben Zeit."

Ich legte das leblose Tier auf ein Tuch auf den Balkontisch, blieb dicht dabei sitzen und beobachtete hoffnungsvoll dieses kleine Leben. Dann bewegten sich fast unmerklich die Flügel, nach wenigen Minuten rappelte sie sich, kam wackelig auf die Beine und sah mich an. Wir hatten eine Verbindung auf der Meta-Ebene. Kleine Meise plusterte sich auf, übte ihre Flügel, war noch benommen. Dann erhob sie sich und flog hinüber auf einen Baum. Dort blieb sie einen Moment sitzen, breitete plötzlich ihre Flügel aus, machete einen Rundflug und kam zurück. Sie setzte sich auf den Balkontisch, machte tschiep, tschiep und dann flog sie weg.

Ich blieb noch eine Weile in diesem kleinen Wunder gefangen. Es war mir, als wollte sie sich bedanken und mein Herz war ganz warm und voller Liebe. Wie achtlos gehen wir oft mit dem Leben um.

© Brigitte Böck