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Prinzessin Weißröckchen (2)

Von tastifix Dienstag 23.03.2021, 14:13

Abends entdeckten die überarbeitete und darum dösige Königin Sauberfein und ihr ebenfalls erschöpfter, allerdings wegen fehlenden Arbeitseinsatzes nicht ganz so Schlaf bedürftiger Ehemann Blitzesrein das durchwühlte Blumenbeet.
„Wer hat die Unverfrorenheit besessen, meine majestätischen Blumen zu zertrampeln?“, entfuhr es der wütenden Königin mit schriller Stimme.
Die Beiden betraten das Haus. Überall Schuhspuren.
„Was ist hier los?“, schrillte Sauberfein noch schriller.
„Jedenfalls ist jemand durchs Schloss gegangen!“, stellte Blitzesrein so sehr zutreffend fest.
Wen er verdächtigte, sagte er lieber nicht. Bereits leicht zittrig auf den Beinen, setzte Sauberfein, inzwischen ebenfalls eine vage Ahnung hegend, angestrengt einen Fuß vor den anderen. An der Tür zum geliebten Ballsaal blieb sie entsetzt stehen. Die Wände waren verziert mit -zig braun-lehmigen Flecken und den Boden bedeckte eine dicke Schmutzschicht.
„Iihiih!“, gurgelte sie mit ersterbender Stimme, sackte wie ein nasser Sack zusammen und in Ohnmacht. Als ein wirklicher Herrscher behielt ihr Mann trotz der Sorge um seine Frau die Nerven, raste mit seinem Luxusauto zur besten Parfümerie Güldenscheins und erstand eine extra große Flasche des Parfüms ´Dornröschenkuss`. Die hielt er dann wenige Minuten später Sauberfein unter die königliche Nase. Der ´Dornröschenkuss` machte selbst ohne ´Kuss` seinem Namen alle Ehre und die Königin schlug die Augen auf. Der Anblick ihres Ehemannes brachte sie denn rasch wieder auf die Beine.

Von all dem hatte Weißröckchen nichts mitbekommen. Nach dem tollen Matschspiel war sie ins Bett gekrochen, während des Schlosszustandsberichtes an Babsie sowie Plumchen zufrieden eingeschlafen und erst gerade erfrischt wieder wach geworden.
„Mama und Papa sind wieder da!“, schwang sie sich aus dem Bett und stürmte in den Ballsaal.
Was sie dort angerichtet hatte und wie sie selber jetzt aussah, hatte sie völlig vergessen.
„Juhuuh, Ihr seid zurück!“, fiel sie pottdreckig, wie sie war, der piekfein gekleideten Mutter um den Hals.
Die schaute sie an und stand prompt kurz vor einer zweiten Ohnmacht. Blitzesrein griff rasch erneut zum ´Dornröschenkuss` und verhinderte so das Schlimmste. Die wilde Umarmung des töchterlichen Schlammspatzes jedoch konnte er nicht mehr rechtzeitig abwehren.
„Igitt, meine Staatsrobe!“, kreischte Königin Sauberfein so gar nicht mehr fein.
„Oh je, mein Beinkleid!“, meckerte König Blitzesrein so gar nicht mehr rein.

Das lähmende Entsetzen stand den Beiden deutlich in die von einer braunen Kruste überzogenen, darunter wachsbleichen Gesichter geschrieben. Der Anblick des unbekümmert strahlenden Töchterchens aber besänftigte König und Königin zunehmend. Schließlich schauten die Drei gemeinsam in den riesigen Spiegel an der Wand. Zunächst noch fassungslos, dann immer gelassener musterten sie die Matschgestalten, die ihnen von dort entgegen sahen. Trotz allen Ärgers zuckte es in ihren Gesichtern und dann grinsten sie tatsächlich.
„Eigentlich ist es gar nicht so schlimm!“, schlug Blitzesrein-so-gar-nicht-mehr-rein vor.
„Im Grunde genommen lebt es sich so einfacher!“, ergänzte Sauberfein-so-gar-nicht-mehr-fein.
„Sieht echt cool aus!“
Weißröckchen erntete noch nicht mal Widerspruch.

Am Tage darauf zogen sich die Königin und der König, weil es sich um ein Beschluss größter Wichtigkeit handeln würde, zur ausgiebigen Beratung ins königliche Arbeitszimmer zurück. Weißröckchen Dreckspatz hockte sich vor die Tür und spitzte die Ohren. Der König und die Königin wogen ab, verwarfen und überlegten erneut. König Blitzesrein-so-gar-nicht-mehr-rein nahm sogar in Kauf, dass sein Kopf vor Grübeln wieder zu rauchen begann. Königin Sauberfein-so-gar-nicht-mehr-fein riss sich wegen des Ernstes der Lage tatsächlich doll am Riemen, hielt eine nur kurze Rede und gestattete es sogar, dass ihr Gemahl auch etwas anmerkte.
„Was werden die Leute dazu sagen?", fragte sie.
„Es wirft die Verfassung über den Haufen!", stellte er fest.
Wieder schwiegen sie. Nach einer Weile aber blickten sie sich lächelnd an.
„Wir haben Weißröckchen noch nie so glücklich gesehen!!"
Die Entscheidung war gefallen. Am nächsten Tag hingen überall im Lande Plakate:
„Von jetzt an ist es streng untersagt, länger als eine Viertelstunde am Tag zu putzen. Stattdessen wird gefeiert und die Kinder dürfen nach Herzenslust im Dreck tollen!"
Das Volk jubelte. So stolz es auf sein blitzreines und sauberfeines Land gewesen war, umso mehr noch zeigte es sich jetzt einverstanden.
„Hoch, der Königsfamilie ein dreifaches Hoch!“
Auch Weißröckchen, der König und selbst die Königin strahlten um die Wette.

Die Staubsauger erholten sich von der jahrelangen Plackerei. Die Waschmaschinen dagegen drehten fast ununterbrochen die Trommeln und veranstalteten Rundenwettbewerbe. Die Hausfrauen trällerten noch fröhlicher als bislang. Sie kauften nur noch selten Staubtücher und sparten so viel Geld. Die zusätzlich gewonnene Freizeit verbrachten sie mit den Kindern oder saßen beim Kaffeekränzchen zusammen und tratschten über den Klatsch in der neuen, denn zweiten Illustrierten, die Königin Sauberfein zwecks umfangreicheren Leseangebotes herausgegeben hatte. Die Kinder tobten übermütig kreischend so lange durch die Schlammpfützen, bis sie ihnen fast zum Verwechseln ähnlich sahen. Endlich durften sie das machen, was alle Kinder dieser Welt so gern taten.
Und wie erging es Staubtuchweber Wischundweg? Nun, er webte statt der Millionen Staubtücher eben nur die halbe Anzahl davon, verdiente nur noch die Hälfte der Millionen und war trotzdem glücklich.

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