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Pappkartons und eine tote, untote Oma (1)

Von tastifix Donnerstag 30.06.2022, 12:49 – geändert Freitag 05.08.2022, 12:17

Überall stapelten sich Umzugskartons, auch in unserem eleganten Wohnzimmer, Na ja: Stilbruch ist ja in!
„Diese Kombination: Ordinäres Mahagoni mit edler Pappe, -einfach umwerfend!“
Klar hatte ich schon eine Idee, wie ich dem Ganzen das berühmte I-Tüpfelchen aufsetzen konnte, wobei mir bestimmte Küchenutensilien helfen sollten. Ich schwärme ja für Ton in Ton.
„Die Brottrommel! Das Mayo - Glas!“
Und schwelgte geradezu im Eigenlob:
„Eigentlich müsste es für immer so bleiben. K. wird begeistert sein!“
Aber da irrte ich mich gründlich.
„Mamaa!!“
Also alles zurück in die verschiedenen Wühlecken, in denen es sich dann gleich bescheiden ausnahm wie all die übrigen Metall- und Kunststoffkollegen auch.
„Tut mir leid!“, entschuldigte ich mich.
Die Brottrommel würdigte mich keines Krümels mehr. Das Mayo-Glas Glas beschlug rachsüchtig und verwehrte mir den Blick auf dessen begehrten Inhalt.

Vorm Haus hielt ein riesiger Umzugswagen, die Nachbarn staunten. Ein Karton, ein zweiter, ein dritter ... Als es endlich ein Ende genommen hatte mit den Pappgesellen, folgten unter Stöhnen der Papa samt TV-Gerät, T. mit dem Lautsprecher und ihr Zwilling K. mit einem Wäschekorb voller Sting-CDs. Erst eine Dreiviertelstunde später war alles verstaut. Nur mit Mühe ließ sich die Ladetür noch verrammeln.
„Und das müssen wir gleich alles wieder raus kramen! Mist!“
Ungeachtet der nachbarschaftlichen Beachtung seufzten wir laut auf.

Dann quetschten wir uns neben und hinter den Fahrer, die erwachsenen Töchter auf dem Schoß.
´Wahrscheinlich zum letzten Male. Also genieße` es!“, sagte ich mir.
Ich genoss, aber sah ausschließlich noch Bubikopf und Pferdeschwanz. So bestand ich auf die Beschreibung der Strecke, die mir denn recht bekannt vorkam:
„Ach richtig. Es geht ja bloß vier Stadtteile weiter!“
Bald erreichten wir K.`s neue Heimat, Omas ehemalige 70qm-Wohnung und so wahrlich praktisch im 98. Stock gelegen. Über den Wolken ... Im Haus traf uns der nächste Schock, den es gab keinen Fahrstuhl.
„Deshalb also war Oma bis zum Schluss dermaßen fit!“

Die Unmengen an Kartons, der Wäschekorb und insbesondere TV samt Lautsprecher erwiesen sich als Elefantenlasten. Doch wussten wir uns zu helfen. Der Papa klemmte sich unter den einen Arm einen großen Bastkorb, darin eine circa 200 m-Wäscheleine, unter den anderen einen der Lautsprecher und ahmte dann mit steigender Begeisterung Reinhard Messner nach. Nur, dass er weitaus erschöpfter dann oben an kam. Tapfer stiefelte K. auf den modernen 10cm-Stiefeletten mit dem zweiten Lautsprecher hinterdrein.

Verwundert betrachteten sie die noch vollständig eingerichteten Zimmer. Fast alle Möbel bedeckten, damit sie nicht verstauben sollten, weiße Leinentücher.
„Eigenartig, Papa! Auf dem Tisch stehen ja noch Kaffeetassen!“, meinte Tochter K..
Irgendwie wurde es ihr mulmig, aber dann war sie abgelenkt, denn es wartete ja ein umfangreiches Pensum. Der Papa kramte das Riesenleineknäuel aus dem Korb, öffnete das Fenster, knotete das eine Ende der Leine um dessen Griff und das andere um den Korb. Der reiste dann Zentimeter für Zentimeter nach unten. Dort hatten T. und ich bereits die Kartons mit den kleineren Dingen wieder ausgepackt und der Straße, weil unvermeidbar, so ein extra apartes Outfit verpasst.
Nach einer Weile verging dem Korb endgültig das ´Lustig sein`. Er machte er sich schwer wie ein Sack oder je nach Inhalt wie mehrere von denen auf einmal.
„Oje! Wenn der jetzt auf halber Höhe streikt …!? - Hätte ja den Vorteil, dass K.`s Wohnung nicht dermaßen voll würde!`
Zum Glück hielt er so lange sein Schlepp- und Hievschicksal durch, bis das letzte Fotoalbum oben war. Danach jedoch machte es ´ratsch` und sein Griff war ab. Der Papa entsorgte ihn resolut auf dem umgekehrten Weg und der Korb landete mit einem heftigen Knall nur um Haaresbreite neben meinen Füßen.
"Der hat ausgedient!”, stellte T. ungerührt fest.
„Stimmt!“
Missmutig erklommen wir Etage nach Etage und schlurften keuchend in K`s neue Wohnung. Nach einer kurzen Verschnaufpause bauten wir Omas Bett ab und ihres auf.
„Ich will nämlich Probe schlafen!“
Zwei Stunden später beim Abschied war es dem Papa, T. , mir, aber auch K. ziemlich sentimental zumute.
„Wenn irgendet was sein sollte, ruf an!“
„Hm!“, nickte sie nur ...

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