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Misslungenes Engagement

Von Feierabend-Mitglied Samstag 20.03.2021, 08:32 – geändert Samstag 20.03.2021, 08:53

Es war in den 80ziger Jahren. Wiedereinmal eine kurze Zeit der Arbeitslosigkeit. Das Arbeitsamt bot mir eine Stelle in einem heilpädagogischem katholischen Kinderheim an. Ich wollte diese Arbeit nicht, hatte andere Pläne, die schwer zu realisieren waren. Hätte ich abgelehnt wäre ich gesperrt worden, das ging nicht mit zwei Kindern als Alleinverdienerin.

So machte ich einen Termin und fuhr zum Erstgespräch. Es war ein Heim mit vier Etagen und einem Garten. Darin waren acht Familiengruppen untergebracht mit je 12 Kindern zwischen 2 und 17 Jahren. Ich wurde von zwei Nonnen begrüßt und weitere sechs Erzieher waren in dem Raum anwesend. Man teilte uns mit, dass die Nonnen seit Jahren mit ihrer Gruppe lebten und wohnten. Es gab kein Personal von Außen, außer den Reinigungskräften und manchmal eine Praktikantin. Das Heim wurde in staatliche Hände verkauft und die Nonnen, schon recht betagt, zogen ins Mutterhaus.

Ein ganz neuer Anfang sollte gemacht werden, pro Gruppe mit sechs Erziehern, im Schichtdienst einschl. Nacht- und Wochenenddienst. Mir fiel bereits in den ersten Tagen auf, dass die Kinder nicht so reagierten, wie ich es aus meiner langen Erfahrung kannte. Die beiden großen Jungen 16 u.17 Jahre erzählten, dass sie zur Schule mit einem Bus abgeholt und gebracht wurden und einmal im Monat ein Ausflug in die Natur unternommen wurde, sonst kamen die Kinder nicht in die Stadt, obwohl manche schon Jahre dort lebten und bis zu ihrem 18 Geburtstag dort auch blieben.

In den Teamsitzungen machten wir ein Konzept. Sie sollten diese für sie neue Welt langsam kennenlernen, Vertrauen aufbauen und das enge Leben erweitern. Die elementarsten Dinge fehlten den Kindern und für die Jugendlichen wirkte sich dieses Eingesperrtsein katastrophal aus. So beschloss ich, in Absprache mit meinen Kollegen am Geburtstag des 17- jährigen mit den beiden Großen in eine Diskothek zu gehen, damit sie auch diesen Bereich zumindest kennenlernten. Ich war inzwischen seit fünf Monaten in der Gruppe, der Kontakt zu den Kindern, besonders zu den Kleineren, wurde vertrauter und sie blühten auf. Ich ging um 23 Uhr mit ihnen in eine nahegelegene Diskothek, meine Jungs waren völlig begeistert, sie genossen die Musik, tanzten wild nach den ihnen unbekannten Klängen, es war recht dunkel und ich verlor sie aus den Augen. Langes Suchen, überall fragen, die Angst stieg in mir hoch. Schließlich ging ich morgens um 3 Uhr mit Herzklopfen ins Heim und rief die Polizei. Mir war klar, ich hatte einen großen Fehler gemacht, sie konnten nach diesen Jahren mit der Freiheit und all dem Neuen noch gar nicht umgehen. Sie hatten die Gelegenheit genutzt und waren ausgerißen. Der eine wurde am nächsten Tag gefunden, der andere blieb eine Woche verschollen.

Für mich hatte es die Kündigung während der Probezeit zur Folge. Ich war sehr erschrocken, hatte mir alle Mühe gegeben, aber zu schnell gehandelt und zu kurz gedacht. Nun konnte ich mich wieder meinem Ziel zuwenden und baute meinen eigenen Kindergarten auf.

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