Gute und schlechte Geheimnisse

Mittwoch früh im Kindergarten, Robert 5 Jahre alt, lebhaft und fast immer fröhlich, war heute verändert. Er aß kein Frühstüch und starrte vor sich hin. Immer wieder guckte er mich kurz an und schaute dann wieder weg, ganz offensichtlich hatte er einen Kummer.
Nach dem Frühstück fragte ich ihn, ob er mit mir in die Küche kommen will, ja meinte er und setzte sich an den Küchentisch, während ich das Geschirr einräumte. Ich wollte ihm Zeit geben.
Plötzlich sagte er: " Ich hab ein Geheimnis"!

"Geheimnisse können sehr schön sein" sagte ich, "aber manche Geheimnisse tun weh im Bauch."
Schweigen....." Kannst du die Tür zu machen?" fragte er, und dann wollte er auf meinen Schoß.
" Du darfst aber das Mama nicht erzählen", ich versprach ihm das und meinte, irgendwann tust du es selbst, dann geht es dir besser.

Robert erzählte:" Ich war gestern allein im Supermarkt, 1 Ltr. Milch für Mama kaufen und da war ein großer Junge und ich hab' gesehen, wie er Süßigkeiten klaute und sie sich in seine Jackentasche stopfte, ich blieb stehen und schaute zu und sagte zu Ihm, das darf man nicht. Dann kam er zu mir und sagte, wenn du mich verraten tust, dann verprügel ich dich. Warte draußen, dann geb' ich dir die Hälfte ab und ich lief ganz schnell weg, bezahlte die Milch und blieb draußen stehen.
Er kam lachend raus und gab mir eine Tüte Bonbons, ein Päckchen Duplo und Kinderschokolade.
Der Junge sagte, das ist jetzt unser Geheimnis und das darfst du niemandem erzählen. Ich steckte die Sachen in meine Hosentasche und rannte nach Hause, stellte die Milch in die Küche und ging in mein Zimmer und versteckte die Süßigkeiten. Mama fragte, ob alles in Ordnung ist und ich sagte, na klar!
Dann bekam ich Bauchweh, ganz doll, wollte gar nicht mehr spielen. und abends im Bett sagte ich zu Mama, ich will heute keine Geschichte, ich bin müde und dann war ich allein und hab geweint."

Ich hielt ihn ganz fest im Arm und sagte: "Robert, das ist ein schlechtes Geheimnis, das tut weh im Bauch und macht schlechte Träume und die Süßigkeiten werden dir auch nicht schmecken. Hast du eine Idee, was du tun kannst oder ob ich dir helfen kann?" "Nein, aber ich kann die Sachen ja wegschmeißen." Ich erklärte ihm, dass man ein schlechtes Geheimnis nicht wegschmeißen kann, es gibt sicher einen anderen Weg. So schlug ich ihm vor, dass wir zusammen zum Supermarkt gehen, er dem Chef die Geschichte erzählt und die Süßigkeiten zurück gibt. Ich versprach ihm, mitzukommen und die ganze Zeit seine Hand zu halten und er braucht keine Angst zu haben.
Dann drückte er mich, ja , morgen machen wir das, wenn ich die Süßigkeiten geholt habe, und dann ging er zu den anderen Kindern zum Spielen.
Am nächsten Tag kam er mit den Sachen an und nach dem Frühstück gingen wir los. Vor dem Laden blieb er stehen und hatte Angst. "Du schaffst das und ich bin bei dir. Dann gehen wir beide ein Eis essen."
Der Chef hörte sich an, was Robert stockend erzählte, er drückte immer wieder meine Hand und ich sah an seinem Gesicht die Erleichterung. Der Chef des Ladens beugte sich zu ihm runter, bedankte sich und lobte ihn und fand es sehr mutig von Robert.
Dann gingen wir Eis essen, ich freute mich über ein fröhliches, entspanntes Kind und fragte ihn, wie es ihm jetzt geht mit dem schlechten Geheimnis. "Jetzt ist es weg und heute Abend erzähle ich es Mama."

In den nächsten Tagen machte ich gute und schlechte Geheimnisse zum Thema und meine Zwerge erzählten viele Beispiele. Es machte mich sehr froh, weil sie verstanden hatten, wo der Unterschied lag und dass ein schlechtes Geheimnis auch immer schlechte Gefühle macht. "Erzählt es jemandem, von dem ihr wisst, dass er euch lieb hat, dann geht es euch gleich besser. Robert weiß das und das ist jetzt ein gutes Geheimnis und wenn er will, wird er es euch erzählen." Ein verschwörerischer Blick zwischen Robert und mir!