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Es schien nur eine kleine Gabe, aber für ihn ....

Von tastifix 09.08.2020, 18:06 – geändert Montag 10.08.2020, 11:36

Der Winter hatte seinen Einzug gehalten. In der kleinen, von dichten Wäldern umgebenden Stadt verkrochen sich die Menschen in ihre warmen Stuben.

Am Wegesrand kauerte ein alter, in einen abgetragenen Mantel gehüllter Bettler, neben sich auf dem Boden sein größtes Gut, einen Schlafsack und in dem verbeulten Filzhut zu seinen Füßen ein paar gespendete Cents. Der Mann fror erbärmlich.
´Es geht mit mir zu Ende!`, dachte er.
Es war ein jämmerliches Leben gewesen. Ein richtiges Zuhause oder gar Glück hatte er nie kennengelernt, stattdessen nur Armut und den Kampf ums tägliche Überleben. Solange er jung gewesen war, hatte er sich mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser halten können und wenigstens nicht hungern müssen. Aber nun waren seine Kräfte verbraucht, die Knochen wollten nicht mehr und nur das Mitleid Anderer gab ihm noch ein wenig Lebenswillen. Wie lange noch?

Seine entzündeten Augen beobachteten die fröhlich lachenden Menschen. Die meisten beachteten ihn überhaupt nicht, entweder aus Hartherzigkeit oder auch nur aus Gleichgültigkeit.
´Sie werden es gleich daheim gemütlich haben! Vielleicht Besuch bekommen und ein Geschenk auspacken dürfen!`
Er konnte sich nicht mehr erinnern, wann ihm das letzte Mal jemand etwas geschenkt hatte.
„Doch, einmal, ein leckeres Stück Kuchen!“
Für ihn war es ein wirkliches Festessen gewesen ähnlich wie ein leckerer Braten für jene Menschen im Glück.
Bei einbrechender Dunkelheit verstummten die Geräusche des Tages und Stille umgab den Einsamen. Er ging nicht fort. Wohin hätte er sich denn wenden sollen? So raffte er den Mantel noch enger um sich, kroch in den Schlafsack, steckte die rot gefrorenen Hände in die Taschen und schloss müde die Augen.

Aber diese Nacht sollte für ihn eine besondere Nacht werden. Gerade wollte ein barmherziger Schlaf ihn in die Arme schließen, als der alte Mann aufschrak und irritiert blinzelnd umher schaute. Die bedrohliche Finsternis war einem herrlichen Leuchten gewichen, das ihn auf eine Weise wärmte, wie er es noch nie erlebt hatte. In dem Leuchten erkannte er einen Engel, dessen Gewand mit goldenen Sternen übersät war.
„Fürchte dich nicht. Ich habe etwas für Dich, was wertvoller ist als alles Andere auf dieser Welt.“
Verständnislos starrte der Bettler das Himmelswesen an, aber Worte, um nachzufragen, fand er nicht. Der Engel löste den schönsten aller Sterne von seinem Gewand und reichte ihn dem Mann:
„Er wird Dich froh machen!"
Staunend betrachtete der die Engelsgabe. Ihm schien es so, als ob der Stern, je länger er ihn in der Hand hielt, zunehmend heller leuchtete und dann, nach nur wenigen Momenten, mit überirdischer Kraft alles um ihn her und besonders ihn, einen der Ärmsten der Armen, in ein goldenes himmlisches Strahlen tauchte. Fassungslos schaute er zu dem Engel empor. Dieser lächelte liebevoll zurück:
„Es ist das Licht der Liebe und es soll Dich glücklich machen!“
Bei des Engels Worten fiel ein Abglanz jenes himmlischen Strahlens auf des Bettlers Gesicht. Alle Bitternes fiel von ihm ab. Ihm war so froh zumute, wie noch niemals in seinem Leben zuvor. Doch schon war das Himmelswesen wieder verschwunden, der Bettler wieder allein. Aber er empfand keine Einsamkeit und fühlte keine Schmerzen mehr. Ermattet schloss er die Augen.

Am nächsten Morgen entdeckten Spaziergänger jenen Alten, der ausgezerrt und in seinen armseligen Mantel gehüllt in seinem Schlafsack dort lag. Er war für immer gegangen, aber auf seinem Gesicht lag ein seliges Lächeln.

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