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Ein wahrlich gemütlicher Einkaufsbummel ...

Von tastifix Dienstag 27.07.2021, 09:32 – geändert Dienstag 27.07.2021, 20:08

Von Zeit zu Zeit quälte mich die Sehnsucht nach der Innenstadt. Doch warnten mich Freundinnen, ebenfalls Mütter, mir den Stress anzutun.
„Was für`n Stress denn?"
„Du kriegst keine ruhige Minute!", meldete sich eine Wahrsagerin, Mama eines quicklebendigen Zweijährigen.
„Quatsch!"
„Danach biste mit den Nerven am Ende!", riet mir eine Andere dringend ab..
Meine Güte, was hatten die bloß? Mein Töchterchen würde im Buggy zufrieden Brötchen mümmeln. Einen ausreichenden Vorrat davon für zwei bis drei Stunden Stadtbummel hatte ich fest eingeplant.

Die Predigten der ´zweijährigen Mama` und ´wohlmeinenden Ratgeberin` nahm ich also auf die leichte Schulter und startete am nächsten Tag einen ersten City-Probe-Ausflug. Klar mit der sicher verstauten Brötchentüte. Noch bettelte S. nicht darum. Wir hatten ja gerade erst gefrühstückt.
´Wie lange das wohl gutgehen wird?`
Zum Glück kam der Bus pünktlich, doch war es für den Rest des Tages die einzige positive Erfahrung. Denn niemand half mir, das Gefährt die relativ steilen Stufen hoch zu hieven.
„Entschuldigung, könnte mal ... ?"
Teils bewusst unbeteiligte, teils abweisende Blicke. Eine Mutter mit noch-fast-Baby - lästiger Störfaktor! Ich bat ein zweites Mal:
„Würde mir bitte jemand helfen!?"
Ein junger Mann erbarmte sich und hob den Buggy hinauf. Ein wenig schuldbewusst machten mir die Umstehenden Platz.
„Nett von Ihnen!“. bedankte ich mich.
Meine Tochter dagegen strahlte ihn an. Er gefiel ihr und sie ihm wohl auch. In rumpelnder Fahrt näherten wir uns der City. Eisern umklammerte ich den Kinderwagengriff. Bei dem waghalsigen Fahrstil des Fahrers konnte man ja nie wissen … Wenige Minuten später erreichten wir das Ziel. Wieder sprang S.`s Verehrer herzu und beförderte den Buggy ins Freie. Wieder strahlte sie ihn an.
Draußen verdrehte sich mein Töchterchen den Hals fast wie eine Eule. Nichts sollte ihr entgehen. Stolz genoss ich so manchen Kommentar:
„Ach, ist die süß!!"
´Und wie!`, dachte ich.

Kurz darauf betrat ich ein riesigen Kaufhaus. In dem waren die Gänge zwischen den Kleiderständern für den Buggy breit genug. Auf Dauer war es ja im Kinderwagen ziemlich langweilig. Doch: Erster Kleiderständer - kein Problem. Der nächste auch nicht, aber dann streiften wir den dritten, der Artikel in grellen Bonbontönen präsentierte. Ein schrecklicher Anblick, aber genau deshalb umso verlockender für ein kleines Kind. S. zog also energisch an einer Bluse, die landete auf ihrem Schoß und ehe ich es verhindern konnte, deren einer Zipfel im Babymund. Bestimmt wollte die spätere Hausfrau das Stück Stoff ja nur auf Farbechtheit prüfen. Ich lief rot an. Zum Glück hatte niemand den Fehlgriff meines Kindes beobachtet. Trotzdem hätte ich es nicht fertiggebracht, die Bluse heimlich zurückzuhängen. Verschämt steuerte ich die Kasse an.
„Hören Sie ... ", stotterte ich.
Ich ähnelte zunehmend einer überreifen Tomate. Klein-S. dagegen krähte weiterhin vergnügt herum. Sie hatte ja erreicht, was sie wollte.
„Ja, was kann ich für Sie tun?", forschte eine ahnungslose Verkäuferin.
„Mir ist es schrecklich peinlich. Meine Tochter hat sich dieses Kleidungsstück geschnappt und daran gelutscht."
Strafend blickte sie mich an, danach die Kleine. Nach nur einer weiteren Sekunde schien ihr Blick bereits erheblich milder zu sein.
„Na, zeig mal, was Du da Schönes hast, hm?"
Ja wirklich, sie lächelte.
´Wie gut nur, dass S. so riesige Kulleraugen hat!`
Ich entwand meiner Kleinen ihr neuestes Spielzeug und hielt es verlegen der Dame des Hauses hin.
„Ach, lassen Se mal!", bedachte sie sie mit einem strahlenden Blick. „Das kriegen wir schon wieder hin!"
Ich stotterte ´danke` und sah zu, dass wir weg kamen. Sollten nochmals leuchtende Stoffe auftauchen, würde ich umkehren und stattdessen lieber stundenlang in der oberen Etage weiße Bettwäsche bewundern. Na ja, dies nahm ich mir zwar vor, aber zu meinem Pech zog mich die Babyabteilung mit der winzigen beinahe-Puppenbekleidung magisch an. Begeistert hielt ich mich recht lange dort auf. Von den Strampelanzügen zu den Kleidern, von den Jeans zu den winzigen Anoraks und wieder zurück.

Kein Wunder, dass S. schon bald beleidigt leise vor sich hin zu murren begann.
„Psst, wir gehen ja gleich!", murmelte ich und hoffte, sie würde es glauben.
Aber ich unterschätzte sie. Das beleidigte Mucksen wurde lauter, die ersten Kunden guckten. Schnell beförderte ich ein Brötchen hinein in die Patschhand. Sofort herrschte Ruhe. Tochter mümmelte zufrieden. Froh zog ich meine Runde. Aber nach fünf Minuten war das Brötchen verschwunden und damit auch der krümelig erkaufte Frieden. S. war es endgültig leid und wollte raus aus dem Buggy. Der Besänftigungsversuch mit einem zweiten Brötchen schlug fehl und sie mir es sauer aus der Hand. Das kugelige Etwas rollte dummerweise bis unter den nächsten Kleiderständer.
„Auch das noch!"
Weil jetzt auch noch das leckere Brötchen futsch war, schrie sie wie von ihrer Mama gepeinigt oder auch am Spieß gebraten los, bäumte sich auf und trat um sich. Ich schämte mich halb zu Tode, zumal ...
„Mein Gott, das arme Kind!", entrüstete sich eine alte Oma.
„Was machen Sie denn mit Ihrer Kleinen?", meckerte mich eine Andere wütend an.
„Leute gibt es!", stellte die Dritte kopfschüttelnd fest.
Mir traten Schweißtropfen auf die Stirn. Ich fühlte mich unter den vorwurfsvollen Blicken der Umstehenden wie eine Verbrecherin, die gerade ihr Kind umzubringen versucht. Jenes geplagte Etwas widerlegte dies jedoch mit mit einem dafür erstaunlich kräftigem Gebrüll. Dermaßen durchdringend, dass sich die Musikbeschallung im Haus dagegen wie Mäusefiepen ausnahm.
„Hör auf mit dem Geschrei!!"
S. brüllte ungerührt weiter. Die Generalprobe hatte ja hervorragend geklappt. Also folgte nun die feierliche Premierenarie, die für die Ohren aller Anwesenden, also auch für meine, in ihrer Intensität denn absolut unzumutbar wurde. Wegen der extremnen Anstrengung glich jetzt auch S. einer überreifen Tomate. Ein Verleugnen des Mutter-Kind-Verhältnisses war unmöglich geworden.
„Bist du nun endlich still!!?"
Ich vergaß meine gute Erziehung, verlor die Selbstbeherrschung und brüllte zurück, war aber darin längst nicht so geübt wie die herzallerliebste Kleine. Sie dagegen unterhielt das ganze Kaufhaus mit ihrem Gezeter. Weil ich mich wehrte und dieses scheinbar so sehr bedauernswerte Geschöpf anschrie, erntete ich von allen Seiten erdolchende Blicke.
´Tjaa, Unterstützung darfste hier nicht erwarten!!`
Blamiert hatten wir uns sowieso schon bis auf die Knochen. Nun kam`s auf ´ein bisschen noch mehr` nicht mehr an.
„Jetzt ist Schluss!", drückte ich meine tobende Tochter energisch in den Sitz zurück und ihr ein Brötchen zwischen die Zähne.
Dies verwirrte sie denn doch. Überrascht schniefte sie nur noch leise und schielte auf die Leckerei. Diese Opernpause nutzte ich, putzte ihr die Tränen von den Wangen sowie die Laufnase, streichelte gerührt den wirren verschwitzten Lockenkopf und war wieder ganz die sanfte, liebende Mama. Und erneut bewies sich die Familienzugehörigkeit: S. hörte auf zu schniefen und der wild gewordene Handfeger im Buggy wurde wieder zu meiner süßen Kleinen. Aufatmend bahnte ich mir den Weg durch das Spalier der vor sich hin raunenden übrigen Kundschaft und verließ fix das gastliche Haus.

Während der Heimfahrt beschäftigte sich S. übrigens damit, das gründlich zerpflückte Innenleben des Brötchens emsig auf dem Boden des Busses zu verteilen. Ich, ihre Mama, schlug heimlich drei Kreuzzeichen. Diese Einkaufstour würde ich garantiert nicht wieder vergessen.

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