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Eine Welt wie unsere und doch anders ...

Von tastifix 14.03.2021, 11:43

An jenem Spermülltag wartete auf meine Kinder eine große Überraschung. Ein Nachbar stellte eine breite Kiste an die Straße, in der sich Lego türmte. Bruchstücke von Fahrzeugen, Schiffen, Flugzeugen, Autos sowie Dutzende von Türen, Fenstern und und und ...
„Weshalb verkaufen Sie das Ganze nicht?“, fragte ich ihn fassungslos.
„Ich mach lieber den Kindern hier damit eine Freude!“, antwortete er. "Nehmen Sie sich soviel davon, wie Sie mögen!"

Meine Töchter rannten fix nachhause, holten ihren Trolly und mehrere Tüten, stürzten sich auf das Steine-Schlaraffenland und schleppten heim, was gerade eben noch hinein passte. Zuhause entdeckten wir zwischen den bunten Bausteinen eine zusammengefaltete Lego-Matte.Wir breiteten sie auseinander. Sie bedeckte einen Fünftel des Hobbyraumes und der hat fast 30 qm. Mein Nachwuchs war hell begeistert, wühlte in den Steinen, fand immer neue ausgefallene Teile und entschloss sich, eine Legowelt zu bauen.

Dabei mischten sie sorglos die Länder durcheinander, die Legosteine protestierten ja nicht! Big Ben reckte sich in Frankreich gen Himmel, Notre Dame stand an der Themse und das Brandenburger Tor gar in Österreich. Es ergab sich gelassen in sein Schicksal und ließ sich zuschneien. Schnee kannte es ja von Berlin. Und der Eiffelturm gab tatsächlich der kargen Landschaft Islands einen imponierenden Anstrich. Ich schwieg lieber zu all dem und freute mich an der lebhaften Fantasie meiner Kinder.

Als ich sie abends mit Mühe und Not aus der Fantasiewelt hinaus- und hinein in die Betten befördert hatte, legte auch ich mich zur Ruhe, dachte an das gemeinsame Bauen zurück und schlief rasch ein. Es waren wohl mehrere Stunden vergangen, als mich im Traum eine Stimme aufforderte, aufzustehen und mich im Hobbyraum nochmals von der bunten Welt verzaubern zu lassen.
„Bin zu müde!“, brummelte ich.
Doch sie blieb hartnäckig - mit Erfolg. Schlaftrunken erhob ich mich, streifte die Pantoffeln über, wankte die Treppe hinunter in den Keller und öffnete die Tür des Hobbyraumes. Drei der vier Wände waren verschwunden, der Raum schien ins Endlose erweitert zu sein. Verblüfft betrat ich unser Spielparadies. Eigenartig: Wenn ich die Häuser bestaunen wollte, musste ich den Kopf weit in den Nacken legen. Die Fahrzeuge schienen riesig geworden zu sein und selbst die Lego-Ähren auf den Feldern überragten mich um Hauptes Länge. Ich war zum Zwerg geworden!

Nachdem ich die Überraschung deswegen überwunden hatte, schlenderte ich munter durch die Miniwelt unserer Baukunst. Dort ging es genauso geschäftig zu wie in der Menschenwelt, nur sehr viel farbenfroher. Überall wurden noch unfertige Häuser weitergebaut. Auf den Straßen herrschte starker Verkehr und die Legopuppen hasteten hin und her. Aber dann spazierte ich durch Parkanlagen, erfreute mich an derem sattem Grün und noch mehr am Anblickder süßen Puppenkinder, die sich auf den liebevoll hergerichteten Spielplätzen auf bunten Schaukeln und Wippen vergnügten. Die ganz jungen hockten in Sandkästen und hielten Schaufeln und Eimer in den kleinen Händen. Unter den umstehenden Bäumen unterhielten sich ihre Mütter miteinander, vor sich hübsche Kinderwagen, in denen winzige Legobabys mit Rasseln spielten.

Und doch unterschied sich diese Welt von unserer. Mir fiel auf, wie friedlich alles ablief. Die Erwachsenen stritten nicht, sondern verhielten sich höflich und aufmerksam zueinander und selbst die Kleinen zankten nicht darum, wer das hübscheste Kleid trug oder, wer den schönsten Sandturm errichtet hatte. Froh überkletterte ich die Grenzen aus winzigen roten Legosteinen, durchwanderte die Länder und genoss überall die Farbenpracht und den Frieden.

Nach meiner vielleicht stundenlangen Weltreise hüllte sich allmählich alles in lichten Nebel und wurde zunehmend von ihm verschluckt. Das Zauberreich verblasste und war kurz darauf entschwunden. Als ich aufwachte, lächelte ich vor mich hin. Zu gern hätte ich den schönen Traum noch festgehalten, aber dann öffnete ich denn doch die Augen. Draußen war es bereits hell, die Sonne schien und ein neuer Tag begann.

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