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Die Reise in den April

Von tastifix Mittwoch 31.03.2021, 14:19 – geändert Donnerstag 01.04.2021, 12:27

Nein, mein süßer Knödel genügte mir nicht als dann einziger Liebling. Dagegen wünschte ich mir noch einen zweiten vierbeinigen Kameraden. Beim dritten Durchstöbern der Zeitung fiel mir die Anzeige ´Süße Mischlingswelpen ausgefallener Rassen` auf.

Kurz entschlossen reiste ich nach Emmerich und traf eine Pudelzüchterin, die zusätzlich Mischlinge verkaufte. Wie verabredet holte sie mich mit dem Wagen vom Bahnhof ab. Auf ihrem Schoß lagen zwei putzige Hundebabys, etwa acht Wochen alt. Das eine sah aus wie ein Cockiermix mit typisch langen Hängeohren, die für den noch winzigen Kerl viel zu riesig ausgefallen zu sein schienen. Er musterte mich neugierig aus dunkelbraunen Kinderaugen. Der zweite Winzling war ein ganz anderer Typ mit Schlappohren, einer kessen Schnauze, einem braun-schwarzen Fell und einer üppigen Rute, die sich schon jetzt etwas über den Rücken rollte. Und dann, beim Blick in seine großen braunen, mich pfiffig musternden Augen passierte es. Die Züchterin hatte eigentlich vorgehabt, mir auch noch alle anderen Welpen zu zeigen. Doch die Entscheidung war schon gefallen.
´Wenn er mir zeigt, dass er mich mag, dann ist er mein Hund!`
Bei mir hatte es gefunkt und bei ihm gab das erste Schnüffeln den Ausschlag. Die Schnupperprüfung bestand ich eindeutig mit Auszeichnung. Kaum saß das Fellknäuel auf meinen Schoß, wollte es schmusen und fiepte dabei selig. Von der Minute an war ich ´Doppelfrauchen`.

Ich nannte ihn ´Quinny`. Laut Tierarzt war er eine Mischung aus Schäferhund, Leonberger und vor allem Spitz. Mühsam verkniff ich mir das Grinsen, denn wenn ich den Mini so anguckte …
´Dann kann aber nur ein Zwergspitz mitgemischt haben!`
Die Anmerkung der Züchterin, er würde wahrscheinlich nur 20cm-Schulterhöhe bekommen, war Quinny total egal und er wuchs munter weiter. Letztendlich gab er sich dann mit 44,5cm zufrieden. Und trotzdem:
´Schäferhund? Leonberger??`
Na ja, es würde für immer sein Geheimnis bleiben.
Quinny wurde erwachsen und wie jeder vernünftige Spitz war er sehr wachsam, bellte entsprechend gern und bewies sich als extrem pfiffig. Er war ein wirklich sehr schöner Hund. Dies brachte mich auf eine verrückte Idee ...

Bald bot sich die Gelegenheit, sie in die Praxis umzusetzen. Wieder einmal spazierten ich und Quinny am Feld einher, beide ziemlich übermütig gestimmt. Nach einer Weile kam uns ein älterer Herr entgegen. Mir fiel auf, mit welch nettem Lächeln er zuerst Hund bedachte und danach erst auch mich.
´Der macht das ähnlich wie ich manchmal. Erst die Tiere und dann die Besitzer! Er wird bestimmt nicht sauer sein, wenn ich jetzt ...`
Ich erwiderte also sein Lächeln und wir kamen ins Gespräch:
„Mein Güte, ist das ein schöner Hund!“
Zu Quinny:
„Wie süß Du ausschaust! Bist Du reinrassig?“
Der fühlte sich außerstande, die Frage zu beantworten. Aber, weil jener Zweibeiner so nett mit ihm redete und ihn anscheinend obendrein noch lobte (wofür eigentlich, er hatte doch gar nichts Besonders gemacht??), setzte er sofort seinen Ventilator in Gang. So nannte ich seine Rute, die bei Freude nämlich wie ein Ventilator durch die Luft wirbelte. So wie jetzt. Mein Gegenüber schmolz sichtlich dahin:
„Der ist ja reizend. Welche Rasse ist das?“

Ich dachte nur:
´Es ist soweit! Jetzt ...Jetzt!!`
Und antwortete mit todernster Miene:
„Ein Schälespitz!“
Oh oh! Würde ich ernst bleiben können? Der ältere Herr erschwerte mir dies mit seiner nächsten Frage ganz erheblich. Denn mit ´Schälespitz` wusste er offensichtlich so gar nichts anzufangen:
„Ein ... waas?“
Krampfhaft mich zusammenreißend, wiederholte ich:
„Ein Schälespitz! Eine sehr seltene Rasse.“
„Eigenartig! Die kenne ich gar nicht. Und das, obwohl ich mich sehr für Hunde interessiere und mir jede Hundezeitschrift vorknöpfe, die ich erwischen kann. Wie sind Sie denn auf die aufmerksam geworden?“, wollte er wissen und sah meinen ihn immer noch heftig freudig an wedelnden Hund liebevoll an.
„Durch eine Zeitungsanzeige. Von denen gibt es wahrscheinlich nur noch sechs Exemplare auf der Welt!“
Wahrscheinlich traf des sogar zu. Hundemütter bekommen ja oft sieben Kinder auf einmal.
„Donnerwetter!“, bewunderte er den immer noch aktiven Ventilator neben mir. „Wie teuer sind diese Tiere denn?“
Ach herrjee! Lange würde ich das Flunkern nicht mehr durchhalten. Mit letzter Kraft entgegnete ich:
„Er ist mir sehr teuer!“
Wenigstens das stimmte.

Inzwischen begann mich mein schlechtes Gewissen zu quälen, diesen so sympathischen Menschen noch weiter zu verulken. Es hätte soundso nicht länger geklappt, weil ich vor unterdrücktem Lachen schon fast platzte. Zögerlich tastete ich mich vor:
„Ich muss Ihnen etwas gestehen ...“
Uff, fiel das schwer!
„Mir wird so oft gesagt, dass Quinny wie ein Rassehund aussieht. Deswegen hab ich mir diesen kleinen Jux erlaubt. Bitte nehmen Sie es mir nicht übel! - ´Au weia! Wie wird er wohl reagieren?`
Meine Menschenkenntnis hatte mich zum Glück nicht getäuscht.
„Ääh, wie biitte??“
Sekundenlang sah er mich verblüfft an. Dann prustete er los:
„Köstlich!!“
Und fügte hinzu:
„Aber eines muss ich Ihnen sagen: Der sieht so toll aus, dass das durchaus hätte zutreffen können. Oh, oh!“
Zu Quinny gewandt, scherzte er:
„Dein Frauchen hat Ideen!“
Dazu begeistert wedelnde Zustimmung meines Vierbeiners.
„Ihr Zwei habt mich aber fein hinters Licht geführt!“

Immer noch schmunzelnd, wünschte er wieder zuerst Quinny, dann auch mir noch einen schönen Spaziergang und verabschiedete sich. Endlich durfte ich mich richtig auslachen.
Dazu brauchte ich eine ganze Weile. Mein kleiner ´Schälespitz` trabte derweil stolz hocherhobenen Näschens neben mir her.

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