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Die neue Kollegin Teil 1

Von billyblue Dienstag 13.08.2024, 22:19 – geändert Mittwoch 14.08.2024, 11:35

Die neue Kollegin

Es ist sechs Uhr, fast noch in der Nacht, was aber die Kirchenglocken nicht abhalten konnten, einen Heidenlärm zu verursachen. Wenn sie des Samstagabends den Sonntag einläuten ist das angenehm und melodiös aber nicht morgens. Der Wecker spielte eine dezente Melodie, aber nichts rührte sich. Bei der Wiederholung nach fünf Minuten macht sich ein leises Grunzen bemerkbar. Kevin bewegte sich ganz dezent. Er hatte einen trockenen Hals und irgendjemand hämmerte in beiden Schläfen im Takt seines Pulses. Er öffnete ein Lid und schloss es sofort wieder, die gleißende Helligkeit verstärkte seine Kopfschmerzen immens. „Lieber Gott, lass die Morgensonne wieder untergehen“ entfleuchte seinen Lippen. Der Abend mit Paul war doch „intensiver“ gewesen als geplant. Am liebsten würde er sich krankmelden und liegenbleiben. Doch ausgerechnet heute war das nicht möglich. Der Chef hatte Anwesenheit angeordnet, da er die neue Kollegin vorstellen wollte.
Kevin wälzte sich mehr oder weniger elegant aus dem Bett. Ob er oder sein Magen zuerst draußen war, ließ sich nicht feststellen. Er schluckte und schlurfte langsam in die Küche, drückte auf den Startknopf der Kaffeemaschine und schluckte ein Aspirin. Jetzt ganz vorsichtig ins Bad. Er stellte sich unter die Dusche und schäumte sich mit seinem teuren Gel so stark ein, als ob er in einem Türkischen Haram wäre. Er entfernte den Schaum unter lauwarmen Wasser, dann drehte er den Hahn nach der anderen Seite bis zum Anschlag und ließ das eiskalte Nass über sich perlen. Der Schock nahm ihm fast den Atem, mit einem Schlag war er hellwach. Das Föhnen ging bei seinen relativ wenigen Haaren ziemlich zügig voran, und das Aspirin schien zu wirken. Langsam war er fähig, sich die Zähne zu putzen ohne dass es ihm hochkam, es war ja auch nicht viel in seinem Magen enthalten.
Mittlerweile war der Kaffee durchgelaufen. Für das längere, gewohnte Frühstück blieb ihm heute keine Zeit. Zwei Rührei in die Mikrowelle (Mann ist erfinderisch) und einen Toast dazu mussten für heute reichen. Nun noch ein frisches, weißes Hemd, eine Designer Jeans und seine Bugatti Schuhe anziehen, das machte doch einen ganzen Kerl aus ihm.
Jetzt konnte er nur hoffen, dass der tägliche Stau nicht so lang war. Natürlich war er das, eigentlich wie immer. Der Verkehr war zum Erliegen gekommen und die Nerven lagen durch das Hupen einiger Idioten blank. Als ob es durch den Krach schneller voran ging. Nach fünf Minuten ging es weiter. Gerade noch pünktlich erreichte er das Bürogebäude und stürmte zum Aufzug. Natürlich war der im oberen Stockwerk und blieb erst mal dort stehen. Langsam kam er dann nach unten. Kevin hatte das Gefühl, dass er auf jeder Etage halten würde. Dann ging die Tür auf, nichts wie rein, den Knopf für das Schließen und für den 8. Stock zu drücken war eins.
Er stürmte in den Konferenzraum und bremste ab. Alle Kollegen waren schon versammelt, hatten ein Glas Sekt in den Händen, die Vorstellung war anscheinend schon vorbei. „Schön, dass Sie uns auch die Ehre ihrer Anwesenheit geben“ kam es sarkastisch aus dem Mund seines Chefs „aber dann stell ich Sie halt noch vor.“ Er wandte sich an die Frau an seiner Seite:“ Unser verspäteter Mitarbeiter heißt Kevin Schmidt und das ist Desiree Miller.“ Amüsiert reichte sie ihm die Hand.
Kevin war wie vom Donner gerührt. Eine solche Frau hatte es noch nie in seinem Umfeld gegeben. Sie trug Schuhe mit hohen Absätzen. Ihre schlanken Fesseln steckten in einem grauen Rock, der bis kurz über das Knie ging und schienen überhaupt nicht mehr aufzuhören. Die hellblaue Bluse ließ ahnen was sie eigentlich verbergen sollte. Ihr Kopf hatte die perfekte Form, volle Lippen und eine schmale Nase. Das Beste kam noch, sie hatte eine Glatze, die das ganze abrundete. So eine perfekte Glatze hatte Kevin noch nie gesehen, sie erinnerte an die Schauspielerin Florence Kasumba aus dem Tatort mit der Furtwängler. Ihr grinsen machte ihm bewusst, dass sie seine Unsicherheit wahrnahm. „Kevin Schmidt, angenehm“ konnte er nur noch stammeln.
In den nächsten Tagen hatte Kevin unheimlich viel in ihrem Büro zu tun. Mehr als ein arbeitstechnisches Gespräch kam aber nicht zustande. Er wollte schon aufgeben, es war einfach kein Fortschritt für etwas persönliches zu erkennen. Am nächsten Tag stand er mit dem vollen Tablett in der Kantine und suchte einen Platz. Desiree (allein der Name war schon eine Offenbarung, die Gewünschte, die Begehrte und wie er sie begehrte) saß allein an einem Tisch. Das war die Gelegenheit auf die er seit Tagen gewartet hat. Er trat näher, höflich wie er war, fragte er, ob sich dazu setzen könne. Mit einer Handbewegung deutete sie auf den freien Platz. Er versuchte es holprig mit Small Talk. Wie geht’s, schönes Wetter heute usw. Ein richtiges Gespräch schien nicht zustande zu kommen. Er konnte ihr dann doch noch was privates entlocken. Ihr Vater war Engländer mit jamaikanischen Wurzeln, ihre Mutter eine ganz ordinäre Kartoffeldeutsche. Die beiden hatten sich an der Uni in Heidelberg kennen gelernt und sie war das Produkt einer kurzen Beziehung. Den Bronzeton ihrer Haut hat sie von den jamaikanischen Vorfahren geerbt. Kevin konnte da nicht mithalten, seine Vorfahren waren alteingesessene Ruhrpottler. Er hätte gerne noch mehr erfahren, aber viel zu schnell endete die Mittagspause. Nach diesem vielversprechenden Anfang versandetet die noch gar nicht begonnene Beziehung wieder auf die rein geschäftliche Basis.

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