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Der Ritter Kurzibert mit der Nähnadel

Von tastifix Dienstag 21.09.2021, 11:37 – geändert Freitag 24.09.2021, 09:54

Kurzibert, gerade zum Ritter verhauen, hatte an seinem Schwert arg zu schleppen. Denn er war sehr klein. Laut stöhnte er herum. Beides wurde ihm aber bald zu anstrengend. Er besuchte den Zauberer Wunderix und bat ihn, jenes Schwert in eine zierliche Nähnadel zu verwandeln.
„Biste Dir denn sicher, dass die Dir dann nicht genauso noch zu schwer ist?“
Zweifelnd musterte der Zauberer den Winzling. Aber das Mitleid siegte.
„Okay, Ritter, mach ich! - Schwert, schrumpfe zum kleinen Pieker! Kabing, kabump!!“
„Danke, Wunderix! Jetzt ziehe ich los und besiege den riesigsten Drachen der Welt!“
„Viel Glück dabei, oh Ritter Kurzibert!“, entgegnete Wunderix und dachte:
´Der spinnt!!`
Ritter Kurzibert trat also die weite Reise an, besiegte Mücken, Wespen und ab und an auch eine Fliege und bildete sich immer mehr ein.

Er wanderte über sieben Berge, wähnte sich bei den sieben Zwergen und stellte erschrocken fest, dass er sich verzählt hatte und es nur fünf Berge gewesen waren. So irrte er denn ein wenig ratlos umher. Nach einer Weile traf er einen Käfer. Der hatte keine Angst vor ihm, denn der Ritter war fast noch kleiner als er selber.
"Wer bist Du denn? Darf ich Dir helfen? - Ich heiße Pünktchen Marienkäfer!“
Kurzibert zählte sicherheitshalber dessen Punkte nicht nach, denn er hatte sich heute schon einmal so blamabel verzählt.
„Ich bin Kurzibert und ein Ritter!“
´Hihi!`
Pünktchen musterte ihn genauer und bemerkte die Nähnadel.
„Wofür haste die denn bei Dir?“
„Um damit den größten Drachen der Welt zu besiegen! - Aber, wo finde ich den und wie komme ich dorthin?“
„Du willst wirklich … Etwa mit der Nadel da??“
Pünktchen verschlug es die Sprache. Als er sie nach längerer Suche wiedergefunden hatte, japste er:
„Also, Kurzibert, mach, was Du nicht lassen kannst. Aber es wird schwierig werden. Das verrate ich Dir schon jetzt!“
„Mich hindert niemand!“, war die überhebliche Antwort. „Welchen Weg muss ich denn jetzt gehen??"
Pünktchen erklärte:
„Kraxele über drei Berge zurück, dann marschierst Du nach links ans Meer ...“
„A..Ans Meer?“
„Ja, ans Meer. Du musst nämlich rüber fahren zur Insel Kummerland. Dort findest Du jenen Drachen Kaminfeuer höchstwahrscheinlich!"
Als er diesen Namen vernahm, überlegte Kurzibert kurz, ob er sich, was die Berge an ginge, nicht doch besser ein zweites Mal verzählen sollte.
„Nein, ein Ritter stellt sich dem Kampf!“
Gleich war er wieder mutiger.
„Biste denn seefest?“, meinte Pünktchen noch besorgt.
„S..Seefest?“
„Ja, am Ufer liegt eine Walnuss parat. Die zerteilst in zwei Teile und dann hast Du ein Schiff!“
„Ja, aber, wie steuere ich das denn dann?“
„Mit Deiner Nadel!“
„Danke Pünktchen und machs gut!“
„Du auch! -´Wenn das nur gut geht!??`

Ritter Kurzibert kletterte also Berge rauf und runter, zählte auch richtig und erreichte das Ufer. Dort fand er die Walnuss und nutzte deren schönere Hälfte dann als ein Schiff. Die andere ließ er liegen, denn weit und breit war kein Bioeimer zu sehen. Kurz darauf vertrieb er emsig mit der Nähnadel die Wassermassen und bildete sich prompt noch mehr ein. Es herrschte starker Wellengang, das Schiff schaukelte heftig und er durfte von Glück sagen, dass er Kummerland noch rechtzeitig erreichte, bevor sich seine Nasenspitze, weil es ihm schon fast schlecht war, etwa grün färbte. Das Schiff band er an einem Schilfrohr fest, trocknete mit einem zweiten die Nähnadel ab und marschierte ins Innenland, stets dabei die Berge vor sich im Auge behaltend.

Nach kurzer Rast - Ritterrüstung plus Nadel wogen schwer – wanderte er erholt und frohgemut weiter und lief um den ersten Berg herum. Kaum aber hatte er den umrundet, erschrak er gewaltig, denn zu Fuße des zweiten hockte jenes entsetzliche Untier, das gerade, wie es auschaute, wohl das Fallobst unter dem nächst stehenden Apfelbaum futterte.
„Keine schlechte Idee! Sollte ich nachher auch machen!`

Um dem zunehmenden Wind auszuweichen, drehte sich Kaminfeuers Kopf zur Seite. Kurzibert wiederum dachte, dass Kaminfeuer ihn bemerkt hatte und beschloss, möglichst tapfer auf ihn zuzuschleichen. Dagegen pochte ihm das winzige Ritterherz bis zum Hals. Geschockt bildete er sich ein, dass der Drachen noch wuchs, sich gar aufrichtete, dann eine Flamme spie so groß fast wie Kaminfeuer selber und ihn dabei drohend anbrüllte.

Wieder blies eine Boe, diesmal von der anderen Seite. Kaminfeuer wurds anscheinend zu kühl und er drehte sich erneut ein bisschen. Sein langer Drachenschwanz mit den gefährlich aufragenden Schuppen fegte den Boden, bis er plötzlich, als der Wind nachließ, direkt vor dem Ritter liegen blieb. Hätte der nicht solche Angst gehabt, hätte er vielleicht die Schuppen mal gezählt. Stattdessen ermahnte er sich:
´Los! Und ich werde der berühmteste Ritter der Welt: Kurzibert, der den Drachen besiegte!`
Als er an den ihn erwartenden Ruhm dachte, war die Furcht plötzlich weg und er wurde heldenhaft mutig wie noch nie an diesem Tag. Sich hoch auf die Zehenspitzen stellend, reichte er dem Drachen fast bis zum Knöchel, stemmte ächzend und unter Aufbieten seiner ganzen Kraft sein Nähnadelschwert hoch in die Luft und rammte es tief in Kaminfeuers rechte Hinterklaue.

Im nächsten Moment platzte Kurzibert fast vor Stolz, denn dieses von allen gefürchtete Ungeheuer versuchte nicht mal mehr, sich zu wehren.Triumphierend beobachtete der Ritter, wie es so allmählich in Ohnmacht sank. Dabei pfiff es zuerst dröhnend laut, danach ständig leiser und schließlich nur noch aus dem letzten Loch. Und dann herrschte Stille!

Von dem schrecklichen Drachen war nichts übrig geblieben. Kaminfeuer lag extrem abgemagert platt wie ein Fisch am Boden. Leider versetzte dies Kurzibert den zweiten großen Schock, denn urplötzlich war sämtliche Einbildung darum weg, dass er sich eine Menge einbilden dürfte. Das letzte Loch nämlich war nicht allein ein hörbares, sondern ein wirkliches. Erstarrt ob der Erkenntnis, wen er kampfunfähig gemacht, ja, eher umgebracht hatte, starrte er äußerst frustriert hin:
„Der war gar kein echter. Ich hab ´nen Gummidrachen erdolcht!!“
Entsetzlich, der Hohn der Welt war ihm gewiss! Es quälte ihn dermaßen,dass er sich beeilte, zu Wunderix zurückzukehren und dem alles zu beichten.

Die Überfahrt in der Walnuss war kein Problem und es wurde ihm nicht schlecht. Weil er ja sicher bis 2 zählen konnte, verkletterte er sich auch nicht und traf bald bei dem Zauberer ein. Als der von der Schmach erfuhr, blieb Wunderix, gleichfalls zum zweiten Male, die Sprache weg. Aber jetzt fand er sie ein wenig schneller wieder, war ja darin schon geübt.
„D..Du hast mit der N..Nadel ein W..Was ermordet...??“, stammelte er.
Ritter Kurzibert schien noch winziger zu werden.
„J..Jahaah!“, hauchte er und flehte: „Bitte, Wunderix, kannst Du mich groß zaubern? Aber lass die Nadel so, wie sie ist!“
„Was hast Du denn jetzt vor?“
„Erzähl ich Dir später!“
„Hm, na gut! Kabing, Kabump!!“, murmelte Wunderix und schon stand vor ihm ein stattlicher Ritter, unter den Arm die winzige Nähnadel geklemmt.
„Danke, Wunderix! Und bis bald!“

Die Heimreise dauerte nur noch die Hälfte an Zeit und, je näher er seinem Zuhause kam, umso fröhlicher wurde Kurzibert. Er hatte sich nämlich entschieden, seine Ritterrüstung wie auch jenen Beruf an den Nagel zu hängen und die Nähnadel künftig anders einzusetzen. So würde er sein augenblicklich zermatschtes Selbstbewusstsein ein wenig aufpolieren können und jene schreckliche Schmach vergessen. Weil er ja jetzt viel stärker und größer war als früher, traute er sich, Tierarzt zu werden, nähte dann echten Tieren deren Wunden zu und rettete vielen das Leben. Nebenbei dann sogar auch Mücken, Wespen und Fliegen. Zwar freute er sich stets über ein Lob, war aber nie mehr so eingebildet wie zuvor.

Und, wenn er nicht gestorben ist, dann näht er noch heute ...

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