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Der Dorfschütz oder Le garde-champêtre

Von Feierabend-Mitglied Freitag 02.04.2021, 11:18


Der Dorfschütz oder Le garde-champêtre

In meiner Kindheit gab es ihn noch, den Dorfschütz oder wie es bei uns im französischen Saargebiet hieß, le garde-champêtre. Immer am Mittwoch und am Samstag ging er durch das ganze Dorf. Er trug eine Art Uniform, eine Schirmmütze in der Art der Garde civil und eine Landknechts-Trommel . Die hing an einem Lederriemen, den er über der Schulter trug und in dem die Trommelstöcke staken. In jeder Straße hatte er feste Punkte, an denen er stehen blieb. Er pfiff ein paar mal durchdringend mit einer Trillerpfeife, dann trommelte er laut und ausdauernd. Die Leute kamen aus den Häusern und er rollte eine Papierrolle auf znd rief ein paar Mal:“ Bekanntmachung, Bekanntmachung, Bekanntmachung!“ Und es folgten dann Nachrichten aus dem Rathaus, Beschlüsse des Gemeinderates, Anordnungen der französischen Regierung für die besetzten Gebiete, Vereinsnachrichten usw. Immer wieder mal wurde dem Dorfschütz ein selbstgebranntes Schnäpschen angeboten und er ölte damit seine Stimme. Die Leute in den letzten Straßen hatten dann Mühe, alles zu verstehen, was er rief.
Der Dorfschütz oder Le garde-champêtre hatte abernoch andere, hoheitliche Aufgaben. Er wachte über die Einhaltung der Schonzeiten für das Wild. Er durfte die Jäger kontrollieren, ebenso die Fischer, die im Dorfbach nach Forellen angelten. Wehe, er erwischte jemanden ohne gültigen Angelschein. Dann durfte er ein Bußgeld kassieren.
Damals hatte niemand eine Heizung. Gekocht wurde in allen Häusern auf einem Hol z– Kohle – Herd.
Und auch meist wurde nur ein Zimmer beheizt mit einem Holzofen. So war es nicht verwunderlich, daß alle Leute meist mit einem Ziehwägelchen loszogen, um im Wald Unterholz für die Öfen zu suchen. Man durfte aber keine junge Bäume fällen, nur Stangenholz, das nicht dicker als vier Zentimeter Durchmesser war. Da stand dann oft der Dorfschütz am Ortseingang und kontrollierte die Ladung der Ziehwägelchen. Er hatte eine Schieblehre und maß alle Stangen, die dicker als die erlaubten vier Zentimeter hätten sein können. Erwischte er jemanden, war ein Bußgeld fällig.
Mitte der 1960ger Jahre ist der letzte Dorfschütz verstorben. Ein Nachfolger wurde nicht mehr von der Gemeinde eingestellt, an drei Stellen im Dorf stand ab da ein Schaukasten, in dem Mitteilungsblätter mit den neuen Nachrichten hingen. Heute stehen sie auf den Gemeindewebseiten im Internet.
Mein Sohn und die jungen Leute seiner Generation wissen nicht mehr, was der Dorfschütz oder erst Recht nicht, wer oder was le garde-champêtre gewesen ist. Aber das ist der Lauf der Zeit. C'est la vie.

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