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Bei denen piept`s wohl!

Von tastifix Samstag 11.05.2019, 08:53 – geändert Samstag 11.05.2019, 10:57

Es ist Frühling. Im Garten zwitschert es in sämtlichen Tonlagen. Die erste Stimme vertreten Winzlinge wie Rotkehlchen und Zaunkönig. Der zweiten widmen sich Spatzen, Meisen und Amseln, ab und an unterstützt von einem Eichelhäher. Damit es wirklich ein eindrucksvoller Chor wird, beteiligen sich noch die Tauben und vor allem Herr und Frau Elster und stellen die dritte Stimme. Sie alle singen nach eigenen Regeln, notfalls auch gegeneinander und kennen zudem keine Hemmungen, mitten während des harmonischen Viel-Etts mal eben schnell einem aufdringlichen Nachbarn die Meinung zu schimpfen. Dass sie dadurch das kreative Schaffen total durcheinander bringen, stört sie nicht im Geringsten. Denn da hat doch tatsächlich der blöde Herr Spatz versucht, dem Kollegen ausgerechnet den Lieblingszweig aus dessen Nest zu klauen. So etwas darf wirklich nicht ungesühnt bleiben.

Darum ist es nur gut, dass am Nachbarteich vier Meter weiter ein quicklebendiger Frosch sein Revier hat. Zu jeder Tages- und Nachtzeit verkündet er es nachdrücklich und wir machen uns seinetwegen schon Sorgen:
„Kriegt unser Froschkönig überhaupt genug Schlaf?"
Mittlerweile stehen wir wegen des durchdringenden Konzertes auf dem Schlauch, aber das nehmen wir selbstverständlich in Kauf. Wir sind ja Tierliebhaber.
„Hauptsache, er fühlt sich wohl!“
Wird ihm das Gezeter der gefiederten Nachbarn gar zu wild, ruft er die Vogelschar mit durchdringender Stimme streng zur Ruhe.
„Quaak!!“
Es wirkt sofort, denn gegen diese Stimme, dieses kaputte Motorengeräusch kommen sie alle nicht an. Weil sie klug sind, versuchen sie es auch gar nicht erst.
Meine Tochter und ich möchten den Piepzoo keinesfalls missen. Es macht uns riesigen Spaß, die Federbälle zu beobachten. Und genau das bringt uns auf eine verrückte Idee. Vernünftige Menschen tippen sich jetzt an die Stirn:
„Bei denen piept`s!!"
Wenn sie wüssten, dass sie uns damit nicht beleidigen, sondern eher ein großes Kompliment machen, würden sie bestimmt noch eins draufsetzen:
„Die haben ´ne Meise unterm Pony!"
Kameraden, da stellen wir fix etwas richtig:
„Doch nicht nur eine. Nein - einen ganzen Meisenschwarm!!"

Eines Morgens im Frühjahr greifen wir uns zwei Puddingschalen. Die eine füllen wir mit Vogelfutter, die andere mit frischem Leitungswasser. Beide stellen wir auf die Terrasse, denn wir möchten die Kleinen beim Naschen beobachten. Es ist Sommer und die Piepmätze brauchen derzeit wirklich keine Unterstützung, zumal nach den starken Regenfällen der letzten Tage überall extra leckere Regenwürmer aus dem Boden gucken. Sie glauben ja gar nicht, wie egal uns dies ist!!
Wir beziehen unseren Beobachtungsposten hinter dem Küchenfenster und warten. Allzu viel Geduld braucht es nicht. Vögel sind ja recht pfiffig und kriegen schnell spitz, dass Hotel Meisenschwarm-unterm-Pony offensichtlich einen Spezialitätentag begeht. Und die ersteht man sogar mit nur einem einzigen ´Piep`.
„Nichts wie hin!“, sagt sich Mama Elster.
Zu Hause wartet erstens ´ne hungrige Kinderschar, zweitens ist sie hier im Revier zusammen mit ihrem Herrn Gemahl die größte. Darum stolziert sie ziemlich selbstbewusst einher, trippelt um die beiden Schalen herum und verschafft sich einen Überblick über das Angebot. Prüfend legt sie den Kopf nach rechts, dann nach links und wieder zurück. Der Leckerbissen besteht den Test mit Bravour. Zufrieden tut Mama Elster schräpend ihr Lob kund und begibt sich fix ans Werk. Als Dame der besseren Gesellschaft setzt sie elegant Kralle vor Kralle. Hier ein paar Körnchen, dann, damit es besser rutscht, ein paar Schluck des köstlichen Nasses.
„Leute, es geht ja nichts über frisches Leitungswasser. Ist doch etwas ganz anderes als die Brühe dort vorne im Teich!"
So dürfte sie sich ohne Bedenken äußern, denn der Frosch nebenan versteht kein Elsterisch. Bei dem drolligen Anblick amüsieren wir uns königlich. Offensichtlich schmeckt es ihr vortrefflich. Mindestens fünf Minuten ist sie zugange. Dann ist sie endlich satt und flattert mit einem fröhlichen Knarren zurück zur Kinderschar.

Die Herrin über unsere Wiese, Gänseblumen und vor allem über die besagten zwei Schalen hat sich verzogen. Die Spatzen tauschen Blicke und aufgeregtes Schilpen. Jetzt sind sie und die restliche Vogelschar an der Reihe.
„Es ist genug für alle da!"
´Alle` nehmen sie wörtlich. Mindestens zwanzig Vögel auf einmal stürzen sich auf den begehrten Superschmaus und futtern sich die Bäuche voll, bis sie erschreckende Ähnlichkeit mit Tennisbällen haben. Doch wie auf Kommando beenden sie die Futterorgie. Einer der Altvögel sitzt im Gras und zwitschert auffallend energisch. Der Frosch von nebenan kann kein Spätzisch, aber meine Tochter und ich haben im Laufe der Jahre die Vogelsprache gelernt. Papa Spatz ermahnt gerade:
„Nun ist es genug! Sonst klappts mit dem Hochflattern nicht mehr!“
Die Schar beschließt, auf die letzten drei Minikörner in der Schale besser zu verzichten. Außerdem sind sie ja alle längst piepsatt. Nach dem Festmahl super gutgelaunt, schwingen sie sich hinauf in die Weide. Einige entschließen sich zum kurzen Dösen, andere wiederum sehen ´Mittagspause` gar nicht ein und jagen sich spielerisch kreuz und quer durch den Garten, immer haarscharf an der offenen Terrassentür vorbei.

„Gleich landet noch einer bei uns in der Küche!"
Meine Tochter grinst.
„Nicht schlimm, ich weiß, wie man sie fängt!"
„???"
„Mit nem leichten Tuch! - Nicht etwa mit einer Bettdecke. Das hätten sie bestimmt nicht so gerne!"
„Mamaa!!"
Gleich unseren gefiederten Freunden dort draußen sitzen übrigens auch wir am Mittagstisch. Es gibt ein tolles Menü: ´Makkaroni mit Soße`. Da fällt uns etwas ein. Auch Vögel mögen Nudeln. Ich erinnere mich meines Kanarienvogels, der da so gar nicht abgeneigt war - es sei denn, es winkte eine Minifliege, die ich für ihn gefangen hatte. Kurz entschlossen picke ich mir eine kleine Makkaroni vom Teller und befördere sie mit einem kühnen Aufschlagschwung wie beim Tennis zielsicher auf die Terrasse. Zumindest rechne ich damit, dass sie dort landen wird. Aber ich habe schon seehr lange nicht mehr Tennis gespielt ...

Die Richtung zur Terrassentür hält die Nudel tatsächlich ein. Aber dann fliegt die Makkaronispende statt nach draußen auf den Innenrahmen der Tür und pappt dort in anderthalb Metern Höhe keck fest. Verblüfft und mit angehaltenem Atem beobachten wir das emanzipierte Ergebnis unserer Kochkunst.
„Fällt sie oder fällt sie nicht?"
Die Makkaroni, diese veredelte Regenwurm-Schluckerei gibt mitnichten ihren Aussichtsplatz auf. Es ist ein Bild für die Götter. Helle Nudel auf fast schwarzem Untergrund: Unwillkürlich erinnert es mich an Loriots Sketch:
„Dessen Nudel hing ja bloß im Gesicht! Meine dagegen ...“

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