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Außergewöhnliches Wohngefühl in Parterre

Von Feierabend-Mitglied 13.10.2019, 07:38 – geändert Dienstag 13.07.2021, 09:43

Früher, als ich noch hoch oben wohnte, konnte ich mal schnell aus der Badewanne in mein Schlafzimmer hopsen oder in jedes andere Zimmer, ohne gesichtet zu werden, aber heutzutage...
Alles muss ich mir vorher zurechtlegen, um mein Bad genießen zu können. Buch, was zu trinken, auch ein paar Häppchen.
Ist nicht mehr!
Nee! Einfach mal aus der Badewanne raus und rein in die Küche, paar Schnittchen schmieren und zurück in die noch warme Wanne. Geht nicht mehr. Kann mich nur noch bekleidet sehen lassen.
So tief unten zu wohnen ist schon eine besondere Erfahrung und Umstellung für mich.
Denn fast jeder, der eine gewisse Größe hat, kann in meine Fenster schauen.
Manches Mal, wenn ich an meinem Schreibtisch mit rauchenden Kopf tief versunken sitze, und jemand die Abkürzung über die Wiese nimmt, was immer häufiger passiert, denn mittlerweile ist schon der reinste Trampelpfad entstanden, also in ca. 50 cm bei mir am Fenster vorbei schleicht, zucke ich nicht nur äußerlich zusammen.
Komme mir vor, wie ein lebendes Inventar eines Panoptikums!
Zeitung lesen und genüsslich Naseboren, von wegen.
Präsentierteller ist nichts dagegen, und meine Nachbarschaft wird mir auch ungefragt aufgetischt. Ob ich will oder nicht.

Ausgerechnet immer dann, wenn jemand ins Haus geht oder das Haus verlässt, schaue ich nichts ahnend aus dem Fenster, lasse die Rollos herunter oder ziehe sie nach oben...
Wie bei dem jungen Mann, der frisch verheiratet, oben mit seiner Frau unter dem Dach wohnt, jedes mal wenn er nach Hause kommt, ziehe ich gerade die Rollos hoch. Mir ist das schon peinlich, und die letzten Male habe ich gewartet, bis er im Haus verschwunden war.
Ihm scheint es auch aufgefallen zu sein, denn er schaut schon immer nach meinen Fenstern, wenn er aus seinen Wagen aussteigt.
Was kann ich dafür, dass ich fast immer zur gleichen Uhrzeit wachwerde. Aufstehe, wenn er nach Hause kommt, um sich nach seiner Nachtarbeit hinzulegen? Vielleicht ist ja seine zuschlagende Autotür mein Wecker?

Ich bin weder Concierge noch Hausmeisterin von diesem Block, nur die schrullige Olsche, die aus der Paterrewohnung.
Mir ist im Großen und Ganzen egal, was die Menschen über mich denken. Sie leben schließlich nicht mein Leben und ich nicht ihres.
Gerne halte ich es wie die drei Affen. Nichts hören, nichts sehen, nichts sprechen.
Ach nee, meine Klappe halte ich nicht. Ist sowieso niemand da, außer meine Katzen, und die nehmen es mir nicht krumm.
Wieso eigentlich drei Affen? Müssten es nicht vier sein?
Ich mein ja nur, es würde einer fehlen?
Ist schon manchmal lustig, was sich so alles im Treppenhaus an Aromen vermengen. Spiegelei- und Bratkartoffelduft aus der Parterrewohnung neben mir. Deo oder Parfum von frisch Geduschten, die durchs Treppenhaus huschen. Von oben aus dem 3. Stock kommt der schwere Geruch von Kohl und Fleisch, und aus dem Keller zieht müffelnd nass-warmer Sockengeruch von waschender Wäsche, alles gut vermengt mit Tabak und Alkoholfahne...

Aber wenn es mir zu bunt wird, gibt es nur eine Möglichkeit für mich. Ich nehme die Hörgeräte raus und lege die Brille ab...
Lach...
Ja, natürlich. - Die Nase bleibt dran (und die Zähne drinnen).
...gegen schlechten Geruch gibt es ja Minzöl oder Zimtpulver...
©MonikaKoch

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