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Der Lego-Teppich

Von tastifix Freitag 20.09.2019, 12:43

Es war Sperrmülltag. Aber diesmal wartete auf meine Kinder eine Überraschung. Ein Nachbar hatte eine große Truhe vor seinem Haus abgestellt, in der sich Lego türmte. Bruchstücke von Fahrzeugen, Schiffen, Flugzeugen, Autos sowie Dutzende von Türen, Fenstern und und und ...
„Weshalb verkaufen Sie das Ganze nicht?“, fragte ich ihn fassungslos.
„Ich mach lieber den Kindern hier damit eine Freude!“, war die Antwort.„Nehmen Sie sich soviel davon, wie Sie möchten!“
Jubelnd stürzten sich meine Töchter, bewaffnet mit großen Tüten auf dieses Stein-Schlaraffenland und schleppten heim, was gerade eben noch so hinein passte. Zuhause entdeckten wir tatsächlich zwischen all den bunten Bausteinen eine zusammengefaltete Legomatte.Wir breiteten sie auseinander. Sie bedeckte ein Drittel des Hobbyraumes und der hat fast 40 qm. Begeistert wühlte mein Nachwuchs in den Steinen, fand immer wieder ausgefallene Teile und entschied, eine Legowelt zu bauen.

Sorglos mischten sie Länder durcheinander, wogegen die Legosteine auch nicht protestierten, sondern sich klaglos einbauen ließen. Big Ben reckte sich auf einmal in Frankreich gen Himmel, Notre Dame stand an der Themse und das Brandenburger Tor gar in Österreich. Es ergab sich gelassen in sein Schicksal und ließ sich zuschneien. Schnee kannte es ja von Berlin. Auch der Eiffelturm gab sogar der kargen Landschaft Islands einen imponierenden Anstrich. Ich schwieg lieber zu all dem und freute mich an der lebhaften Fantasie meiner Kinder. Als ich sie abends mit Mühe und Not aus der Fantasiewelt heraus und hinein in die Betten befördert hatte, legte auch ich mich zur Ruhe, dachte an das gemeinsame Bauen zurück und schlief denn rasch ein.


Es waren wohl Stunden vergangen, als mich im Traum eine Stimme aufforderte, aufzustehen und mich im Hobbyraum nochmals von der bunten Welt verzaubern zu lassen.
„Bin zu müde!“, brummelte ich.
Doch sie blieb hartnäckig - mit Erfolg. Schlaftrunken erhob ich mich, wankte die Treppe hinunter in den Keller, öffnete die Tür des Hobbyraumes. Drei der vier Wände waren verschwunden, der Raum schien ins Endlose erweitert zu sein. Verblüfft betrat ich das Spielparadies. Eigenartig: Wollte ich die Häuser bestaunen, musste ich den Kopf weit in den Nacken legen, um sie überhaupt betrachten zu können. Die Fahrzeuge schienen riesig geworden zu sein und selbst die Lego-Ähren auf den Feldern überragten mich um Hauptes Länge. Ich war zum Zwerg verwandelt worden!

Munter schlenderte ich durch die Miniwelt unserer Baukunst. Es ging genauso geschäftig zu wie in unserer Menschenwelt, nur sehr viel farbenfroher. Überall wurden Häuser, die von uns noch nicht fertiggestellt worden waren, weitergebaut. Auf den Straßen herrschte starker Verkehr und die Legofiguren hasteten wie die Menschen hin und her. Aber ich durfte mich auch am satten Grün der Legoparks freuen und am Anblick der Puppenkinder, die sich auf den liebevoll hergerichteten Spielplätzen auf bunten Schaukeln und Wippen vergnügten. Die jüngeren hockten in Sandkästen und hielten Schaufeln und Eimerchen in den kleinen Händen. Unter den umstehenden Bäumen unterhielten sich ihre Mütter miteinander, vor sich hübsche Kinderwagen, in denen winzige Legobabys mit Rasseln spielten.

Und doch unterschied sich diese Welt von unserer. Mir fiel auf, wie friedlich alles ablief. Die Erwachsenen stritten nicht, sondern verhielten sich höflich und aufmerksam zueinander und selbst die Kleinen zankten noch nicht mal darum, wer den schönsten Sandturm errichtet hatte. Froh überkletterte ich die Grenzen aus winzigen roten Legosteinen, durchwanderte die Länder und genoss die Farbenpracht und den Frieden.

Nach stundenlanger Weltreise hüllte sich allmählich alles in lichten Nebel und wurde zunehmend von ihm verschluckt. Das Zauberreich verblasste und war kurz darauf entschwunden. Ich fand mich lächelnd im Bett wieder. Eigentlich wollte ich den schönen Traum noch festhalten, aber dann öffnete ich die Augen. Draußen wurde es bereits hell und ein neuer Tag begann.

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