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Der Hirsch

Von tastifix 19.05.2019, 13:55 – geändert 02.06.2019, 17:09

Bei Tagesanbruch bewegte sich ein kleines Hirschrudel, zunächst im Frühnebel nur als Schemen erkennbar, aus dem Dickicht des Waldes. Angeführt von einem prachtvollen 10-Ender betraten die Tiere die Lichtung, sicherten kurz, neigten die Mäuler dem saftigen Gras zu und begannen zu aesen. Die Hirschkühe wussten sich beschützt von ihrem mächtigen König, dem Hirschen. Dieser stand ein wenig abseits und achtete jedes Geruches, der vielleicht hätte Gefahr ankündigen können. Erst dann begann auch er zu fressen. Seine Bewegungen waren die eines alten Tieres. Wechselte er den Standort, setzte er bedächtig einen Huf vor den anderen.

Eine ganze Weile währte das friedliche Bild. Doch auf einmal hob der Hirsch den Kopf und schaute unruhig zum Wald hinüber. Zunächst vernahmen die Tiere nur ein leises Rascheln von Laub. Kurz darauf zeigte sich zwischen den Bäumen ein junger Hirschbulle. Er lief auf die Lichtung, wandte den Kopf zu den Weibchen, dann zu dem Herrscher jenes Rudels. Stolz sich hoch aufrichtend, legte er den Kopf in den Nacken und röhrte laut. Er wollte den Kampf um die Weibchen wagen ...

Auch der Alte richtete sich auf und präsentierte das eindrucksvolle Geweih, bereit, es mit dem Jungen aufzunehmen. Zögerlich näherten sie sich einander, blieben in noch kurzer Entfernung stehen. Dann jedoch machte der König des Waldes, laut warnend röhrend, ein paar weitere Schritte auf seinen Rivalen zu, doch jener wich nicht. Schließlich senkten sie beide die Köpfe, rannten gegeneinander, die Geweihe verharkten sich. Jeder versuchte, den Anderen wegzudrängen. Wütend behauptete der Alte sich. Doch nach weiteren Angriffen, bei denen der Jüngere mit seinem Geweih brutal zustieß, erlahmte sichtlich seine Kraft. Dem jungen Hirschen sagte der Instinkt, dass sich der Kampf zu seinen Gunsten entscheiden könnte. Wieder und wieder attacktierte er den alten Hirsch, schob ihn immer weiter weg von dem am Rande der Lichtung zusammen gedrängten, das Geschehen verfolgenden Rudel und fügte ihm derweil schlimmste Verletzungen zu.

Die Schmerzensschreie des Besiegten dröhnten weithin. Sich geschlagen gebend, machte er noch ein paar schleppende Schritte und brach dann im Schein der aufgehenden Sonne blutüberströmt zusammen. Sein Schreien verstummte, sein Auge brach.

In diesem Moment, als er sein Leben aushauchte, erfüllte sich die Luft mit bedrohlichem Kreischen von Holzfällersägen. Der Wald, sein Wald, würde gerodet werden ...

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