-WIR-
Von
Feierabend-Mitglied
Dienstag 09.04.2024, 20:19 – geändert Mittwoch 10.04.2024, 19:10
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ER
Nachhause kommen wie immer. Ich schließe die Wohnungstür auf, sehe, dass sie noch beschäftigt ist. Ein knapper Gruß, sie arbeitet weiter. Sie könnte ja wenigstens fragen, wie mein Tag war....na gut, dann nicht. Müde und frustriert gehe ich in mein Zimmer.
Jeden Tag das Gleiche, das Leben fliegt nur so dahin. Manchmal tauschen wir Worte aus, Informationen, wann wer was zu erledigen hat. Was soll das alles noch?
Dabei haben wir so viele Höhen und Tiefen gemeinsam erlebt, überwunden, richtig schöne Zeiten gehabt. Hauptsächlich hat sie unsere Kinder großgezogen, hat das häusliche Leben geregelt, mir den Rücken freigehalten, damit ich mich auf den Beruf konzentrieren konnte, war selbst berufstätig, hat große Hilfsdienste in ihrer Herkunftsfamilie geleistet, war mir Jahrzehnte lang treu und loyal. Aber bei ihrem Spagat zwischen all ihren Pflichten hatte sie wenig Zeit für mich, bin ich zu kurz gekommen, das hätte ich mir schon anders gewünscht.
SIE
Ich höre wie er die Wohnungstür aufschließt. Endlich ist er hier. Warum kommt er nicht mal, nimmt mich in den Arm, fragt, wie es mir geht.....dann eben nicht. Ich kenne das seit langem, ein kurzes Hallo und schon ist er in seinem Zimmer verschwunden. Nur nicht zeigen, wie sehr mich dieses Verhalten verletzt, bringt sowieso nichts mehr.
Unser Leben ist so kurz, es vergeht so schnell, soll das denn alles gewesen sein, Einsamkeit zu zweit, Missverständnisse, streiten um Nebensächlichkeiten? Es muss doch noch etwas Anderes geben.....
So fest hatte ich es mir zu Beginn unserer Beziehung vorgenommen, mich nicht vom Alltag unterkriegen zu lassen, genau aufzupassen, dass wir uns nicht verlieren, achtsam und liebevoll mit uns umzugehen. Der Alltag hat mich/uns doch eingeholt.
Obwohl......schön ist es, er kocht jeden Morgen Kaffee für mich. Wenn ich mal ganz früh einen Termin habe, steht er mit auf, und wenn ich aus dem Bad komme, ist der Frühstückstisch gedeckt. Ich lächele, denn wenn ein neues Marmeladenglas auf dem Tisch steht, ist der Deckel immer schon aufgedreht, seit Jahrzehnten, weil es mir schwer fällt, es zu öffnen. Ich muss schlucken.....wenn mir kalt ist, legt er mir eine Wärmflasche ins Bett, und wenn er einkaufen geht und sieht etwas, von dem er weiß, dass ich es mag, bringt er es mir mit, auch Blumen, und er putzt immer mein Fahrrad mit und...und...jetzt weine ich.......
ER
Ich setze mich an meinen Schreibtisch, schaue aus dem Fenster, weiß, ich liebe diese Frau! Und wenn wir doch noch eine Chance hätten?
SIE
Ich kann mich nicht auf meine Arbeit konzentrieren, muss nur an ihn denken, denn eigentlich ist er alles was ich will! Ob wir nicht doch einmal neu beginnen könnten und uns umeinander bemühen, wie wir es früher taten?
Vielleicht könnten wir es schaffen....zusammen.....
W I R
She2021
Aus meinen "Kleinen Geschichten"
Habe mich bei dieser ein klein wenig von Reinhard Mey inspirieren lassen.
Bild/Netzfund