Neu hier? Lies hier über unser Motto gemeinsam statt einsam.
Mitglied werden einloggen




Passwort vergessen?

5 6

Sterne auf Zeit Teil 1

Von Reineke1794 Montag 08.03.2021, 06:11 – geändert Montag 08.03.2021, 06:18

Teil 1

Selbstverständlich will ich den Dieter und mich nicht mit Lady Gaga vergleichen, nicht mit einem von den Back Street Boys, Tokio Hotel, Roy Black, Helene Fischer, Madonna oder Karel Gott, um nur einige Namen zu nennen, die mir im Zusammenhang mit Stars so völlig ungeordnet einfallen. Nein, ich stehe mit beiden Beinen auf dem Boden der Tatsachen, weiß um unsere Bedeutungslosigkeit im Vergleich zu solchen Namen und kann trotzdem davon berichten, wie es ist, wenn man mal zum Star - im kleineren Kreise zwar - geworden ist; in diesem Falle der Dieter und ich. Die Anzahl der Fans – wobei ich ehrlicherweise zugeben muss, nicht genau zu wissen, ob uns denn alle so toll fanden – kann ich sogar zahlenmäßig benennen. Fünfundfünfzig Mädchen waren es und der Zauber währte so ziemlich genau 45 Minuten. Diese Zahlen jetzt richtig einzuordnen, habe ich mir zur Aufgabe gemacht.

Wie fange ich an? - Vor einiger Zeit habe ich bei Feierabend über das vergebliche Unterfangen berichtet, mit Dieter, einem Jugendfreund, Grace Kelly in Monaco zu besuchen. „Junge Spunde“ hatte ich die Geschichte genannt und so erspare ich mir jetzt eine lange Vorgeschichte über die besonderen Umstände, Erlebnisse und auch die misslungene Begegnung mit unserer verehrten Grace. Gewissermaßen eine Fortsetzungsgeschichte ist jetzt diese hier, denn sie ereignete sich nur wenige Tage nach der Abreise aus Monaco, nachdem wir Grace, wie gesagt, dummerweise verpasst hatten. - Aber jetzt der Reihe nach.

Bereits in der letzten Nacht hatten wir sehr schlecht und wenig geschlafen. Es war in einem südfranzösischen Dorf, in dem wir auf einen Lift, wie man in Tramperkreisen die Mitnahme durch einen freundlichen Autofahrer nannte, gewartet hatten. Hier in den Bergen herrschte allerdings auch nur ein extrem verhaltener Verkehr und so hatten wir für die Nacht nach stundenlangem Warten am Tage ein Quatier in einem abgestellten Eisenbahnwaggon gefunden. Der erwähnte, mangelnde und schlechte Schlaf hatte sich ergeben, weil der Waggon nachts kontrolliert worden war, man uns zwar nicht entdeckt hatte, dafür aber am sehr frühen Morgen Fahrgäste eingestiegen sind, denn der Waggon war Teil eines Zuges, der in die Gegenrichtung fahren sollte, nach Nizza, wenn ich mich richtig erinnere. Fluchtartig hatten wir den Waggon verlassen und nach einem Frühstück in einem kleinen Straßenkaffee ungewaschen, ungekemmt und leicht zerzaust uns wieder an den Straßenrand gestellt. Unsere Pfadfinderkluft hatten wir an, das will ich noch erwähnen, weil wir damit vermutlich vertrauensseliger aussahen und dieses Attribut war an diesem Morgen sicherlich besonders angebracht. Gemessen daran, dass die Nebenstraßen in den Bergen nur sehr wenig befahren wurden, hatten wir ein unglaubliches Glück. Bereits um die Mittagszeit hatten wir die Grenze passiert, waren wir in Italien und bis zum Abend schafften wir es tatsächlich bis Domodossala, also in die Nähe des Simplonpasses an der Grenze zur Schweiz. Damit das Glück uns nicht völlig überwältigte, so vermute ich es mal, hatte sich das Wetter kolossal in Italien geändert. Je mehr wir uns der Schweiz annäherten, desto kühler war es geworden. Als wir Domodossala erreichten, konnte von Kühle keine Rede mehr sein. Es war ausgesprochen kalt geworden und dies im Monat August. Den Simplonpass hatte man sogar wegen eines Wintereinbruchs gesprerrt, so dass an ein Weiterkommen an diesem Tag ohnehin nicht mehr zu denken war. Zu allem Überfluss begann es dann auch noch zu nieseln. Dank unserer internationalen Jugendherbergskarte wussten wir, dass es weit und breit keine entsprechende Herberge gab. Uns eine Bleibe in einer kleinen Pension zu suchen, verneinte das mittlerweile schmale Budget, zumal wir ja noch eine recht weite und nur schwer kalkulierbare Reise nach Hause vor uns hatten. Was also tun?
Somit waren wir auf die Idee gekommen, in einem Kloster um eine Unterkunft nachzufragen. Freundlich aber bestimmt wurden wir jedoch abgewiesen. Völlig durchgefroren, unsere Pfadfinderkluft mittlerweile durchnässt, versuchten wir es etwa zwei Stunden später – es war gegen 22 Uhr - ein weiteres Mal, rüttelten wir mit Nachdruck an der Glocke des Klosters, nachdem wir in dem kalten Ort keine passende Unterkunft gefunden hatten. Hartnäckig waren wir, mit Händen und Füßen versuchten wir unsere, wohl auch schon sichtbare Not, auszudrücken, so dass der Mönch oder sagt man Pater, an der Pforte bereit war, einen Vorgesetzten an das Tor zu holen. Dieter und ich, beide der italienischen Sprache nicht mächtig, mit mäßigem Englisch ausgestattet, versuchten nun mit Latein, unserem Gegenüber unsere Notlage darzulegen. Obwohl Latein ja mal die Sprache der alten Römer gewesen ist, wie wir uns erinnert hatten, vermochte dieses vermeintlich kluge Kalkül Dieters bei dem Vorgesetzten des Pförtnerns keinerlei Erinnerung an die Römerzeit, also an dessen Vorfahren zu wecken. Ich will sie nun abkürzen, diese erbärmliche „Unterhaltung“ und komme zum Fazit. Man war schließlich bereit, uns unter bestimmten Bedingungen aufzunehmen. Somit bin ich endlich auch am Kern meiner Geschichte. Eines der Argumente, die auch gegen unsere Aufnahme gesprochen hatte, waren die eingangs erwähnten 55 Mädchen einer südfranzösischen Gruppe, die im Rahmen eines Ferienaufenthaltes in Domodossala, eben genau in dieser klösterlichen Herberge wohnten. Unser Aussehen, kläglich, armselig, nass und verfroren, wie wir da in unserer vertrauensvermittelnden Pfadfinderkluft vor den christlichen Herren standen, mag zuletzt den Ausschlag gegeben haben – keinesfalls jedoch unser Latein – dass wir endlich eingelassen worden sind. Sogleich erfolgte eine Belehrung: Keinem der Mädchen dürften wir uns nähern, schon gar keinen Kontakt zu einem einzigen aufnehmen. Lediglich im Keller des alten Klostergemäuers dürften wir die Nacht verbringen. Es sei uns ferner untersagt, diese Räumlichkeiten zu verlassen, selbst nicht, um unsere Notdurft zu erledigen. Hierfür stünde uns allerdings eine etwas ältere Einrichtung im Kellerwölbe zur Verfügung. Gegen die Feuchtigkeit und Kühle auf dem steinernen Boden werde man jedem von uns 10 Decken aushändigen. Etwa je fünf als Unterlage und fünf zum Zudecken. Ein Frühstück dürften wir um 8 Uhr in dem Frühstücksraum zusammen mit den Mädchen im Obergeschoss – somit einem Raum mit Tageslicht – einnehmen.

Du möchtest die Antworten lesen und mitdiskutieren? Tritt erst der Gruppe bei. Gruppe beitreten

Mitglieder > Mitgliedergruppen > Kreativ Schreiben > Forum > Sterne auf Zeit Teil 1