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Sterne auf Zeit - ausgemustert Teil 2

Von Reineke1794 Montag 08.03.2021, 06:15 – geändert Montag 08.03.2021, 06:18

Teil 2
Jetzt aber zu jenem unvergesslichen Zeitabschnitt über exakt 45 Minuten, den Dieter und ich als Irgendwie-Stars erleben durften. Bereits am späten Abend musste sich unserer Ankunft im Hause herumgesprochen haben. Zu sehen war da nichts, jedoch zu spüren war es. Ich kann das schlecht beschreiben, denn eine Atmosphäre schriftlich wiederzugeben, macht einige Mühe und darauf kommt es ja hier nicht an. Oben, also über dem Kellergewölbe, waren sie zu hören diese Mädchen, ein Gegackere, Gekreische usw. Ich meine das nicht abwertend oder überheblich, will nur zum Ausdruck bringen, dass wir merken konnten, dass man sich unserer Anwesenheit sehr wohl bewusst gewesen sein muss. An Einzelheiten kann ich mich auch gar nicht mehr erinnern. Ich weiß aber noch, dass irgendwo mal eine Tür nach oben geöffnet worden ist und ein paar Mädchen irgendwas furchtbar Lustiges zu uns herunterbrüllten, denn ihr Lachen wollte dann gar kein Ende mehr nehmen. Das richtige „Star-Erlebnis“ ergab sich dann aber am nächsten Tag ab Punkt 8 Uhr. Damit hier kein schiefes Bild entsteht, muss ich leider einfügen, dass Dieter und ich eigentlich zwei unauffällige Typen waren, für die sich bestimmt unter normalen Umständen niemand interessiert hätte. Nun aber waren wir in der Nacht aufgetaucht, abgerissen sozusagen, eigentlich erbarmungswürdig ob der äußeren Umstände. Diese Rolle war es wohl, die uns so interessant gemacht hat. Vielleicht hat man uns als kleine Helden gesehen, die sich durch fremde Welten schlagen müssen, Tag für Tag. Ganz sicher spielte auch der Altersunterschied eine Rolle, denn die Mädchen waren so zwischen 13 und höchstens 15 Jahre alt und wir schon „welterfahrene 17-Jährige“. Nicht zu vergessen, welche Geschichten sich um uns da gerankt haben mögen, denn wir hatten ja keinem der Mädchen über uns erzählen können, was ja auch keineswegs erwünscht gewesen ist. Zu jener Zeit war es außerdem auch noch relativ unüblich, dass Jungs, die wir ja auch noch waren, so alleine in ein oder gar mehrere fremde Länder gereist sind. - Was da in den Köpfen einiger Mädchen so alles eine Rolle gespielt haben mag, weiß ich nicht, kann es also nur vermuten.

Als wir in den Raum traten, ich denke mal, keines der 55 Mädchen fehlte da, wurde es tatsächlich erheblich ruhiger. Wir wurden angestarrt, konnten geradezu spüren, für einen Moment im Mittelpunkt allen Interesses in diesem Raum zu stehen. Hier muss ich anmerken, dass Dieter und ich solch Erlebnis noch nie gehabt haben und ganz gewiss ziemlich linkisch uns verhielten, denn eine unglaubliche Hilfsbereitschaft seitens einiger Mädchen brach über uns herein. Da wurden uns die Tassen zugereicht, die Teller, wir mangels französischer Sprachkenntnisse über die Gestik befragt, was wir trinken wollten, was wir zu essen wünschten, ob Brötchen oder Brot, Baguette oder Hörnchen, welchen Brotbelag, bzw. Aufstrich wir bevorzugten. Selbstverständlich wurden Brot, Baguette oder Brötchen von Mädchen für uns bestrichen oder belegt usw. usw. Ja, behandelt wurden wir wie die Hähne im Korb, doch muss ich gestehen, dabei durchaus auch ein Gefühl von Unwohlsein und Peinlichkeit verspürt zu haben. In diesem Moment dürfte sich rückblickend auch abgezeichnet haben, was Dieter und mich von all den Größen unserer Welt unterschieden hat. Wir haben es einerseits sehr wohl genossen, dermaßen im Mittelpunkt zu stehen, dermaßen bewundert zu werden, bemuttert und betuttelt, ja, fast schon getätschelt zu werden, doch unsere Verlegenheit dabei, mag zwar sympathisch rübergekommen sein, aber für echte Stars war dies ganz bestimmt unmöglich und alles andere als förderlich. Woher ich das weiß? Nun, ich hätte den Verlust an Bedeutung in diesem Moment schon in einer Zahl ausdrucken können. Als wir das Kloster nach diesem besonderen Frühstück verlassen haben, da winkten sie hinter uns her, die Mädchen. Fünfundfünfzig war es ganz bestimmt nicht, die da auf dem Innenhof des Klosters standen. Wenn wir Glück hatten, war es ein Dutzend, vielleicht auch eine oder zwei weniger, vielleicht auch nur noch sieben. Jedenfalls habe ich nicht nachgezählt, denn die Zeit, ein Star gewesen zu sein, war da schon vorbei.

Allerdings, das möchte ich nicht verschweigen, gab es zwei Verehrerinnen, die erst viele Tage später uns ihre Zuneigung und ehrliche Freude über uns haben spüren lassen. Nicht einmal teilen mussten wir sie uns. Jeder hatte seine eigene, unbedingte, unumstößliche, unglaublich zuverlässige, liebenswerte und lebenslängliche Verehrerin. Es waren unsere Mütter: Die von Dieter für ihn und die meine für mich.

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