Räuber und Gendarm
Von
Plapparella
Donnerstag 18.07.2024, 10:28
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Plapparella
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Da war er also, der Ort des heiligen Verrats. Wenn ich die Augen schloss, sah ich mich in der 2. Reihe links sitzen, den Blick gebannt auf die Bühne gerichtet, damit mir nicht sie kleinste Kleinigkeit der Handlung entging. Der Gendarm jagte den Räuber. Aber was für ein gemeines Spiel! Immer, wenn der Räuber auftauchte, bekam er eins übergezogen. Entweder vom Gendarm oder von Kasper. Ohne Gerichtsverfahren! Es gab noch nicht mal ein Verbrechen, das ihm zur Last gelegt wurde. Der Räuber hatte nichts getan. Jedenfalls war davon nicht die Rede. Er war eben nur der Räuber. Präjudizieren nennt man das. Und hätte nicht auch eine einfache Festnahme genügt? Stattdessen diese Prügelorgie?
Meine fünfjährige Seele bäumte sich auf. Das war doch nicht richtig!
Und da kam der Kasper auch schon wieder.
„Ich verstecke mich hinter diesem Stein, und wenn der Räuber kommt, bekommt er meinen Prügel zu spüren. Ihr verratet mich doch nicht, Kinder?“
„Nein!“, brüllten 25 Kinderkehlen.
Ich rutschte auf meinem Hintern hin und her, blieb stumm. Jetzt kam der Räuber. Der kindliche Mob grölte.
„Ist der Kasper hier irgendwo?“, fragte er die Kinder. „Ich will ihm nicht begegnen, denn er will mich fangen.“
„Nein, wir haben den Kasper nicht gesehen. Er ist hier nicht“, logen 25 kleine Monster wie aus einem Munde. Sie wollten Blut sehen. Hoppla, „du sollst nicht lügen“ hatten sie uns doch gerade noch eingebläut. Mir wurde bang. Würden mich diese Kinder auch ins Messer laufen lassen, nur weil man es ihnen sagte?
Wie zur Bestätigung nickten der Pastor und die Diakonissen zufrieden.
Ich brauchte Verbündete und sah mich um. Aber alle Kinder starrten gebannt auf die Bühne und konnten gar nicht erwwarten, dass der Räuber verprügelt wurde.
„Pass auf, Räuber, der Kasper versteckt sich hinter dem Stein“, hörte ich mich mit Piepsstimmchen warnen.
Augenblicklich erstarb jedes Geräusch. Ich hatte mich tatsächlich getraut.
Im Saal wurde es so eisig, dass die Luft knackte. Die Blicke der Kinder, des Pastors und der Diakonissen durchbohrten mich. Sie wollten mich vernichten. Sie wollten mich töten. Ohne Anhörung. Wie den Räuber. Ich spürte es deutlich und bekam Angst.
Heute werden in dem Saal Fliesen gelagert.