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Ein seltsamer Fall - Joa Bosch ©BJS

Von Pinnacle 31.05.2020, 14:38

In all den Jahren hatte Kommissar Kannenberger schon jeden Mordfall gelöst und alle Täter hinter Schloss und Riegel gebracht. Aber diesmal war alles sehr rätselhaft.

Der Mordkommission war anonym ein Foto zugeschickt worden, wahrscheinlich von einem Tatort. Auf dem Bild waren drei Personen und ein Hund abgebildet, der neben einer Lache stand. Ob es sich um Hundeurin oder Blut vom Opfer handelte, war auf dem Schwarzweißbild nicht zu erkennen. Zwei Personen, eine ältere sowie eine junge Frau befanden sich in einem salonähnlichen Raum, der spärlich eingerichtet, aber mit Ahnenbildern voll gehangen war. An Möbeln war nur ein Regal voller Krimskrams zu erkennen, obenauf befand sich eine palmähnliche Pflanze. In der ersichtlichen Raumecke stand ein Koffer mit der Aufschrift „Berlin“.

Neugierig geworden analysierte Kannenberger das Foto jetzt genauer. Ein Mann, mit einer Rose in der rechten Hand, stand außerhalb eines geöffneten Fensters dieser Räumlichkeit, die sich wohl im Erdgeschoß befand. Die ältere Dame hing mehr als sitzend, wie leblos mit geschlossenen Augen, versunken in einem Ohrensessel. Die junge Frau stand bei der männlichen Person am Fenster und hielt deren linken Hand. Beide blickten eher teilnahmslos zu der alten Dame hin.

Kopfschüttelnd drehte der Kommissar das merkwürdige Bild um. Auf der Rückseite stand in krakeliger Schrift „Meine verfluchten Mörder“ und darunter eine Anschrift. Kannenberger eilte sofort mit seinem Team zu der angegeben Adresse. Das Haus befand sich in einem gepflegten Garten am Stadtrand mit Panoramablick auf die Berge. Bevor die Beamten das Anwesen betraten, wurden erste Ermittlungen in der Nachbarschaft erhoben.

Die Besitzerin, Frau Eglinde Grollmus, eine ältere und kinderlose Dame, die als sehr bösartig und geizig galt, lebte alleine mit ihrem Hund Sultan in dem großen Haus. Nur der Gärtner verweilte nach getaner Arbeit ab und zu bei ihr. Das Gebäude war schon „in die Jahre gekommen“, fast eine Ruine, doch das Grundstück hatte einen erheblichen Wert. Ab und zu suchten Verwandte die Alte auf und stritten lautstark mit ihr. Es ging, wie immer, um das Erben.

Schnell waren zwei der abgebildeten Personen von den Nachbarn identifiziert. Die Alte auf dem Stuhl war Frau Grollmus. Das Paar am Fenster war ihre Nichte Chantalle und ein unbekannter Mann. Der Kommissar ließ sofort nach der Nichte fahnden, mit dem Auftrag, sie in das Präsidium zu einer Zeugen-Befragung aufzufordern.

Kannenberger betrat als erster das Haus, begann mit der Ermittlung und öffnete nach und nach die Türen um die abgebildete Räumlichkeit zu suchen. Als er die dritte Tür auf machte, blickte er in das auf dem Foto abgebildete Zimmer und verglich das Bild mit der angetroffenen Situation. Das Fenster war jetzt geschlossen. Es fehlten alle Personen, auch der Hund und die Lache, ebenso der Koffer mit der Aufschrift Berlin, sowie die Ahnen-Bilder an der Wand. Die Pflanze, die auf dem Regal stand, war eingegangen, Palmwedel hingen welk herab, die Blumenerde war steinhart.
Wie lange war Frau Grollmus schon verschwunden oder sogar tot? Ohne Leiche war alles sehr fraglich. Die Durchsuchung vom Keller bis zum Dachboden, auch des Grundstückes, ergaben keine Anhaltspunkte.

Nun begab sich der Kommissar mit kriminaltechnischer Schutzkleidung versehen, vorsichtig in den Raum. Der Wäschekorb erweckte sofort sein Interesse. Unter ihm lugte der Knauf eines Messers hervor. Mit einer großen Pinzette zog er den verdächtigen Gegenstand hervor und verstaute das corpus delicti ebenso in einer Beweis-Sicherungstüte, sowie einen schmierigen Wischlappen, den er im Korb fand.

Nach weiteren Durchsuchungen war nichts mehr zu ermitteln. Das Haus wurde versiegelt und der Kommissar kehrte mit seinem Team ins Präsidium zurück. Inzwischen war dort die Nichte eingetroffen. Sie war sehr verunsichert und machte einen nervösen Eindruck. Kannenberger stellte sich vor und begann mit dem Verhör, legte das Foto auf den Tisch und fragte: „Was fällt ihnen dazu ein?“ Erstaunt schaute sie das Bild an und stammelte: „Wer hat denn diese Aufnahme gemacht?“, und ergänzte, „Das war vor einer Woche, als ich Tante Eglinde besuchte um meinen Freund Gottfried vorzustellen. Vorher hatte ich sie angerufen und habe ihr eine Überraschung versprochen. Als wir ankamen, wollte ich sie zuerst alleine darauf vorbereiten. Gottfried sollte derweil im Garten warten. Sie saß wie immer in ihrem Salon, schnitt gerade mit einem Messer einen Apfel klein und fütterte damit ihren Hund. Ich begrüßte sie und kam gleich zur Sache. Sie schrie aber sofort: „Wieder so ein elendiger Erbschleicher mehr“, und tobte weiter: „Keiner von euch bekommt was – Sultan und das Tierheim erben alles“. Als sie immer weiter und noch lauter schimpfte, hat Sultan vor lauter Angst auf den Boden gepinkelt. Meine Tante wurde sehr wütend und hat mit dem Messer nach dem Hund geworfen, hat ihn aber nicht getroffen.“

Der Kommissar schmunzelte und fragte: „Was geschah dann?“ Chantalle antwortete: „Ich habe Gottfried, der vor dem Haus stand, zum Fenster gerufen. Er sollte ihr eine Rose zur Begrüßung schenken, aber sie war schon, wie so oft, über ihr Gezeter wieder einmal eingenickt. In diesem Moment musste irgendjemand das Foto gemacht haben.“ Der Kommissar räusperte sich: „Naja, wozu?“ und ergänzte: „Was haben sie dann gemacht?“ Chantalle entgegnete: „Ich habe den Boden aufgewischt und den Lappen in den Wäschekorb geworfen. Das war`s; dann sind wir gegangen.“ Sie schluckte und fragte: „Was ist denn mit der Tante?“ Der Kommissar raunzte: „Wenn wir das bloß wüssten.“

Auch die Befragung des Freundes ergab nichts Neues. Seine Aussage stimmte mit der von Chantalle überein. Keine Leiche, kein Mord.
„Der Gärtner ist immer der Mörder“, diese alte Krimi-Weisheit blieb Kannenberger nur noch übrig. Schon am nächsten Tag konnte er diesen vernehmen und legte dabei das Foto vor. Herr Hagedorn, ein liebenswürdiger älterer Mann, brachte schnell Licht ins Dunkel. „Ach die Frau Grollmus! Wegen ihrer ständigen Erbstreitigkeiten mit der ganzen Verwandtschaft hat sie mich gebeten, von jedem der Besucher heimlich ein Foto zu machen. Um zu wissen, wer wie oft und wann auf Besuch kam, legte sie von allen Bildern eine Liste an. Frau Grollmus hat mir vorher immer Bescheid gegeben und ich habe die Aufnahmen von der angrenzenden Besenkammer gemacht. In der Wand zum Salon war ein Loch und durch das Blümchenmuster von der Tapete konnte ich unbemerkt fotografieren, zuletzt die Nichte mit ihrem Freund – das war vor einer Woche!“

Der Kommissar fragte erstaunt: „Und wo ist Frau Grollmus verblieben?“ dabei drehte er das Bild um. Als Hagedorn „Meine verfluchten Mörder“ las, erbleichte er. „Wie bös muss die Alte bloß sein?“ flüsterte er und schüttelte dabei ungläubig den Kopf. Kannenberger sagte: „Das müssen Sie mir jetzt aber genauer erklären.“

Der Gärtner antwortete: „Na ja, Frau Grollmus hatte die Nase voll, wollte ihre Ruhe vor der ganzen Bagage haben. Vor allem von dieser Chantalle, die immer wieder einen neuen Freund angeschleppt hat. Daher ist Frau Grollmus einfach abgehauen und wollte ihrer Nichte mit der Bildaufschrift sicher noch eins auswischen. In Berlin besitzt sie eine große Wohnanlage und ist mit ihrem Hund dort hingezogen. Deshalb hat sie ja auch die ganzen Ahnen-Bilder mitgenommen. Sie können die Frau Grollmus ja mal anrufen. Sie hat mir ihre Nummer hinterlassen, damit ich ihr hin und wieder etwas über Haus und Garten berichten kann“ und legte einen Zettel mit der Telefonnummer auf den Tisch.
Der Kommissar seufzte und wählte die Nummer in Berlin. Nach dem dritten Tonzeichen meldete sich eine krächzende Stimme:
„Grollmus?“ Er antwortete: „Hier ist Kommissar Kannenberger, ich wollte…,“
weiter kam er nicht und wurde sofort unterbrochen:
„Auch du erbst nix, du verfluchter Erbschleicher, du elendiger Habenix, du sag das deiner blöden Schantallleee ....“.

Seufzend legte der Kommissar auf – Fall gelöst.

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