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Die Melone

Von tastifix Samstag 07.12.2024, 11:07 – geändert Samstag 07.12.2024, 18:49

Es passierte auf der Hochzeitsfeier meiner Cousine. Ich war damals16 Jahre alt.
Die Verwandtschaft in edlen Roben, ein typisches Restaurant der Oberklasse, mit versnobten ,Kellnern, die herumschwirrrten wie aufgescheuchte Bienen und uns damit auf die Nerven gingen sowie einer passend dazu geschmückten langen Tafel in einem ebenso überladen hergerichteten Saal. Puuh, ich mochte solchen Zirkus nicht!
Aber wider meiner Erwartung stieg die Stimmung mit der Zeit beträchtlich. Zu heiraten ist ja aufregend und es mitzuerleben, ebenfalls.

Aber ich war sauer, denn als Tafel-Nesthäkchen saß ich am Fußende derselbigen. Am Kopfende thronte selbstverständlich meine Oma. Und diagonal über Eck von mir saßen Mutter und neben ihr mein Bruder, der mich vielsagend angrinste. Der wusste nämlich, , wie ich mir dort auf dem Präsentierteller vorkam.

Der Jetzt-endlich-Angetraute hatte schon längst alle Herzen im Sturm erobert. Auch meines! Doch. wei ler Lehrer war, hielt ich mich mit Sympathiebezeugungen noch sehr zurück.
Der Brautwalzer war vorüber. Meine Cousine setzte sich erleichtert, sie tanzte nicht so gern. Ihr Ehemann dagegen war begeistert dabei und forschte also nach Ersatz, erinnerte sich seines just angeheirateten Cousinchens; verbeugte sich formvollendet und forderte ich auf. Mutter und Bruder tuschelten grinsend. Kein Wunder, denn ich ähnelte plützlich einer überreifen Tomate. Mein Tänzer war Frauenkenner, auch der ganz junger Frauen wie mich und wusste genau, wie er mir imponieren könnte:
"Du tanzt sehr gut, Gaby!", bemerkte erund prompt trampelte ich, total von den Socken, auf seinen Schuhen herum. Ein einziges solches Kompliment und ich verzieh ihm den ´Lehrer`!`

Das Abendessen verteilte sich auf fünf Gänge delikater Happen, eher Häppchen und stammte aus der feinsten französischen Küche. Es schmeckte selbst mir gut, obwohl ich sonst sehr wählerisch war und eher f.ür Kartoffelsalat mit Würstchen schwärmte. Das Menü verabschiedete sich. Zehn mit blasierter Miene nasal quatschende Kellner trugen den Nachtisch heren. Auf jedem Teller thronte ein honigfarbenes, halbmondförmiges Etwas mit etwas Grün an seinem Rücken.

Obwohl ich als brave Tochter(Es geziemte sich so!) an den verschiedenen alkoholischen Getränken vor mir genippt hatte, tippte ich schon beim ersten Versuch ins Schwarze, was da auf mich zukam: Eine süsse Melone, bestimmt sehr erfrischend und ich würde deren Geschmack wahrscheinlich genießen. Allerdings war mir überhaupt nicht klar, wie ich diesem Imitat-Halbmond Frau werden sollte. Zu versuchen, sie etwa heimlich unterm Tisch irgendwie zu zerstückeln, wäre ja ebenfalls ungehörig gewesen. Nein, ich hätte mich dem angesichts eines feixenden Bruders sowie dann nachsichtig lächelnder Onkel und Tanten oberhalb der Tischkante zu stellen. Um vorzutäuschen, ein Melonenrendezvous wäre für mich etwas ganz Alltägliches, setzte ich mich betont kerzengerade hin. Derweil schielte ich aber ratlos von Einem zum Anderen. Bissen sie einfach rein oder bearbeiteten sie das Ding mit Messer und Gabel? Panik befiel mich, mich gar zu blamieren. Anstatt mich mit einem hilfreichen tTipp zu unterstützen, grinste mein Bruder noch mehr und amüsierte sich offensichtlich königlich.
„Glaub`ja nicht, dass ich jetzt aufgebe!“
Ich würdigte ihn keines Blickes mehr, beobachtete lieber meine Oma. Aha, so machte man es: Sie bediente sich des Besteckes und genoss dann sichtlich die saftige Frucht.
„Wenn sie das schafft, dann ich auch!“
Ich griff mir das Besteck, um die Melone zwecks einfacheren Verzehrs in mundgerechte Scheiben zu zerteilen. Tja, leeider wurde ich dann an den bekannten Ausspruch erinnert:
„Der Mensch denkt und - ... in ja nur unbedeutender Abwandlung: Die Melone lenkt!"
Sie hatte so unschuldig in ihrem Saft auf meinem Teller gelegen, honiggelb mit zartgrünem Rücken. Eben dieser Saft verhalf ihr plötzlich zu unerwarteter Beweglichkeit. Je mehr das Messer drückte, umso lebhafter rutschte sie auf der Saftrutschbahn hin und her. Die Gabel war machtlos, verwandelte die glatte Frucht zwar in einen super Schweizer Käse, fand aber keinen Halt in dem glitschigen Etwas.
Das Messer schien, wie es wohl jeder hätte verstehen können, wegen seiner vielen vergeblichen Bemühungen – es wardoch erst gestern elektrisch geschärft worden – scheinbar einen heftigen Wutanfall zu bekommen. Jedenfalls ließ es sich willing ins MMlonenfleisch rammen. Die brach durch und das Messer knallte laut auf den Teller. derweil die Frucht herunter rutschte und dann auf den Schoß mmeines weißen Festtagskleides fiel. Der Knall blieb nicht ungehört. Alles am Tisch erstarrte. Selbst Mutter und Bruder verging das Lachen. Mutter des ungehörigen Knalles, aber noch mehr wegen des nass-verdreckten Kleides und meinem Bruder vor Schrecken. Mit sowas hatte er denn doch nicht gerechnet.

Aber die Angelegenheit war noch nicht ausgestanden, denn die Frucht hatte mich gehörig angemacht. Ich gierte nach ihrem Saft hatte großen Durst. Nein, ich würde sie bezwingen, ich ließe mir doch nicht von einer Melone auf meinem Schoß herumtanzen. Mit zittrigen FIngern nestelte ich die allglatte Sünderin aus den Kleiderfalten und bugsierte sie zurück auf den Teller. Ich bemühte mich, an Benimm-Eindruck zu retten, was zu retten war (oder auch nicht, wie ich mir in meinem Herzen kleinlaut eingestand), hielt mit der linken Hand das flutschige Biest fest umklammert und stach triumpfierend mit der Gabel zu.

Siegessicher musterte ich die Gesichter ringsum, insbesodere das meiner Mutter und meines da überaus geliebten Geschwisterchens. Mutter war eindeutig eindeutig viel zu blass für ihren Teint. Mein Bruder stierte nur wohl in purer Hoffnungslosigkeit, alles wäre nur ein Abtraum, die Tischdecke an. Noch länger auf meine Melone zu starren, fehlte ihm anscheinend der Mut. Die restliche Verwandtschaft glättete in aller Eile ihre Lach- oder doch weitaus zahreicheren Entsetzensfalten und übte sich in höflicher Disziplin. Warum quälte ich mich überhaupt mit Selbstvorwürfen? Immerhin hatte ich denen doch zu Gesprächsstoff für mindestens vier Wochen verholfen.

Doch zurück zur Melone. Die rührte sich nach der Zwangszurückversetzung auf den Teller zu meinem Glück nicht mehr und benahm sich endlich tandesgemäss. Mein Vorteil! Ich wollte auch meinen Nachtisch geniessen, den ganzen Frust mit seinem Saft runterspülen. Entschlossen ging ich per Besteck zum Generalangriff über und schnitt, noch immer unkundig, wie eigentlich, eine Scheibe Honigbraun mit hinten etwas Grün ab. Zwar wunderte ich mich, weshalb Letzteres so schwer von der Melone zu trennen war, sagte mir aber, dass die Beiden ja auch extrem fest miteinander verbunden waren.

Wieder ganz die wohlerzogene Tochter, saß ich dort wie eine Eins, tat den ersten Bissen, schmatzte auch nicht und ließ es mir in keiner Weise anmerken, wie widerlich es schmeckte, wie eigenartig es mir deswegen wurde.
Ein verstohlener Blick diagonal über den Tisch zu Mutter und Bruder verriet mir, dass da etwas nicht stimmte. Mutters bis dato unnatürlich bleiches Gesicht überzog eine sich rasch intensivierende Röte. Mein Bruder hatte seine festgefrorene Miene abgelegt und lachte stattdessen laut.

Später dann erklärte mir der Bräutigam:
"Gaby, das konnte ja nicht schmecken. Du hast die Schale mitgegessen!"
Deshalb Mutters Zweiminutenwundermakeup. Daher Bruders hämische Fröhlichkeit.
Die überreife Tomate platzte. Ich heulte.

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