Das Bäumchen, das frei sein wollte (2)
Von
tastifix
Donnerstag 15.05.2025, 17:26 – geändert 18.05.2025, 06:00
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tastifix
Donnerstag 15.05.2025, 17:26 – geändert 18.05.2025, 06:00
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Mehrere Nächte war der Winzling unterwegs, möglichst weit fort von den Siedlungen der Menschen bis zu einem bewaldeten Berg. Dort oben gab es sicherlich auch einen Platz für ihn. Entschlossen wanderte er ihn empor. Ab und an hielt er am Abhang kurz inne und schaute hinunter. Alles schien ihm winzig klein geworden zu sein. Und doch lag sein Ziel weit höher, er suchte die Freiheit, in der er unbehelligt er selber sein durfte. Endlich, nach Stunden des anstrengenden Aufstiegs, fand er sich am Rand einer Lichtung wieder. Wunderbare Stille empfing ihn. Selbst Tiere schien es hier kaum zu geben. Allein der Ruf eines Raubvogels in der Ferne war zu vernehmen.
„Hm, ja doch auf Dauer sehr einsam!“
Aber zurück wollte er auf keinen Fall. Er wollte frei sein!
Die weite Wiese vor ihm war von Blumen übersät, die ihn überrascht und neugierig musterten.
„sie wikren so fröhlich. Sie sollen meine Freude werden!“
Hier würde er glücklich sein. Niemand ihm Vorschriften machen, wie er auszusehen oder zu sein hätte. Er entdeckte einen kleinen Teich und beschloss, an dessen Ufer zu verbleiben. Der Mondschein ließ das ruhig liegende Wasser ilbrig glitzern. Auch spiegelten sich die Sterne in ihm. Es sah wunderschön aus und Schaukeli konnte sich gar nicht satt daran sehen. Seine Wurzeln gruben sich tief in den Boden und als Schaukeli wenige Tage darauf fest mit dem Erdreich verbunden war, begann er zu wachsen und entwickelte sich allmählich zu einem prachtvollen hohen Baum.
Lange Jahre vergingen, ohne dass etwas das freundliche Miteinander zwischen Schaukeli und seinen neuen Freunden, den Blumen, gestört hätte. Gesund und stolz stand er aufrecht dort, zufrieden das Leben genießend. Nichts trübte seine Gedanken, nur selten noch erinnerte er sich an Flattis damalige Warnung.
„Wenn er mich jetzt sehen könnte, würd er sich riesig freuen, dass es mir hier so gut geht!"
Schaukeli ahnte ja nicht, was in der Welt der Menschen inzwischen vor ging. Auch sie bewunderten diesen Berg und begeisterten sich, welch herrliche Fernsicht sich sicherlich von oben bieten würde. Pläne beschäftigten sie, große Teile des Waldes zu roden und dagegen großzügige Hotelanlagen zu errichten. Es würde Touristen von weither anlocken und ein lukratives Geschäft werden.
Einige Wochen später setzten sie ihr Vorhaben in die Tat um. Die Stille im Wald endete abrupt. Stattdessen nahm der Krach der Baufahrzeuge ständig zu und, was noch viel schlimmer war: Er näherte sich beängstigend schnell. Ständig lauter vernahm Schaukeli das gruselige Krachen der umstürzenden Bäume und immer öfter erzitterte dabei der Boden unter ihm.
„Sie werden uns alle umbrigen!“, jammerten verzweifelt die Blumen. „Auch Dich!“
Die Rodung des Waldes schritt rasch voran. Kurze Zeit später schlängelten sich Wanderwege in Serpentinen weiter und weiter nach oben. An ihnen entlang: Wild verstreut vernichtetes Pflanzenleben. Dann kam der Tag, an dem der erste Bagger und eine ihm im folgende Gruppe Neugieriger am Rand der Lichtung auftauchten. Furchtsam streckte Schaukeli flehend den obersten Zweig zum Himmel, der ihm ja all die Jahre Sonnenwärme und auch Regen geschickt hatte. Er ahnte, dass seinen Freunden, den Blumen, genau wie auch ihm nur noch wenige Stunden vergönnt sein würden. Schon betraten die ersten Leute die Wiese und ließen begeistert den Blick umher schweifen.
"Aber dieser Baum muss unbedingt weg! Er nimmt zuviel der Sicht!“, meinte der Baggerführer rigoros.
Zu der Gruppe der neben ihm Stehenden zählte auch eine junge Familie mit einem vielleicht achtjährigen Sohn. Der kleine Peer war empört:
„Nein, das dürft Ihr nicht! Der sieht so toll aus, der ist viel schöner als die doofen Hotels! Weshalb macht Ihr alles kaputt?“
Ein wenig verlegen schauten ihn die Erwachsenen an.
“Aber Kind, solche Häuser bieten auch ganz Tolles für Kinder! Du wirst sehen!“
„Nein, will ich aber nicht! Der Baum darf nicht sterben! Keiner rührt den an. Sonst werd ich böse!!“
Er umarmte Schaukelis Stamm.
„Dir wird niemand etwas Böses tun! Wehe!!“
„Junge, es dauert ja noch, bis es soweit ist!“
„Nein, Mama, nein Papa! Niemals!!“
Ratlos sahen sich die Eltern an. Einerseits tat Peer ihnen leid, weil er so verzweifelt wirkte, gleichzeitig empfanden sie Stolz, dass er sich so sehr für etwas einsetzte und doch wussten sie, dass es nichts nützte. Das Fällen des Baumes war schon so gut wie beschlossen.
Kinder merken sofort, wenn Erwachsene verunsichert sind. So auch Peer. Seine Worte hatten nicht nur seine Eltern, sondern auch die Anderen gerührt.
„Stimmt doch, ja? Der muss bleiben. An dem können doch Alle Freude haben!“
Erneut streiften die Blicke den Baum. Fassungslos beobachteten sie, wie der Baum noch weiter gen Himmel wuchs. Sowas gab es nicht. Sie bildeten sich nur etwas ein! Doch auch Peer hatte es gesehen. Der Junge, der vor wenigen Momenten noch tieftraurig gewesen war, begann zu strahlen.
´„Mama, Papa, guckt doch mal!"
Aufgeregt deutete er in die Höhe. Alle Blicke folgten der hoch gereckten Hand und erspähten ein wundersames Licht um den obersten Zweig des Baumes. Die Menschen standen stumm und es wurde so still, wie es hier all die Jahre zuvor gewesen war.
Allein Peer, dem Jungen, war es beschieden, noch mehr zu erkennen. Etwas auf sich wirken lassen zu dürfen, was Erwachsenen verborgen bleibt. Nur kindlicher Fantasie ist es gegeben, in jene Welt der Wünsche so tief einzutauchen. Peer vernahm eine überirdisch schöne Weise, die versprach, dass dieser Baum, sein Freund Schaukeli, niemals gefällt werden und dagegen noch für sehr viele Menschen eine große Freude sein würde.
Peer hätte es so gern seinen Eltern erzählt, aber sie hätten es nicht verstehen können.
Und doch empfanden die Erwachsene, was jenes helle Licht ihnen sagen sollte: Egal, wie viele Hotels sie bauen würden, egal, wie reich die Stadt vielleicht werden würde, wäre es nicht damit zu vergleichen, wie sehr der prachtvolle Baum die Herzen der Menschen höher schlagen lassen würde. Irgendwie wurde es ihnen, als sie jenem Gedanken nachhingen, so froh zumute.
Peer war selig. Immer wieder besuchte er seinen geliebten Freund Schaukeli. Selbst, als er später erwachsen war, begab er sich, egal, wo er wohnte, jedes jahr auf die Reise zu ihm, umarmte ihn wie damals als Kind und Schaukeli streichelte ihn mit einem Zweig, wie er es früher bei Flatti gemacht hatte. Peer genoss es und fühlte sich eins mit der nNatur.
Schaukeli hatte sein Ziel erreicht, unbedrängt einfach ´Er` sein zu dürfen und wurde zudem von Allen geliebt.