Sie besaß den Führerschein erst wenige Tage ...

Meine Zwillinge hatten gerade die Fahrprüfung hinter sich. Danach bewies sich wieder mal, dass sie sich ähneln wie Tag und Nacht, also überhaupt nicht. Die Ältere der Beiden, (2min!) wirkt noch zarter als die jüngere Schwester, was aber nicht täuschen durfte, denn sie ist bis heute viel selbstbewusster als jene.

Zwilling 1 kaufte sich also sofort danach gebraucht einen kleinen Micra in Grellorange, nannte ihn, verliebt wie sie war, Knautschi und verbrachte halbe Tage damit, den Kleinen zu verwöhnen. (Zum Beispiel mit Island-Aufklebern auf seinen Blechpopo!). Damit er sich fix an sie gewöhnen sollte, unternahm sie vom ersten Tag kurze Ausflüge, die dann allmählich länger und länger wurden. Kurzum: Sie und Knautschi harmonierten hervorragend.

Als die Zwei sich sicher genug dafür fühlten, mich zu einer Spazierfahrt einzuladen, kam ich dem nur zu gerne nach. Tja .. Zuerst kurvten wir wie von mir vermutet durch unseren Stadtteil, dann aber gab meine Tochter euphorisch Gas. Eindeutig wollte sie mir beweisen, wie weit ihre Fahrkünste schon gediehen waren. Ein wenig überrascht stellte ich fest:
´Hm, unser Stadtteil hat sich aber verändert. Moment mal, dort sind wir ja gar nicht mehr!`
Ich begann, mir Gedanken zu machen, was noch folgen würde. Ein rascher Seitenblick zur Fahrerin gab mir Recht, denn ihre Mimik verriet wahre Bände:
´Sie plant noch viel mehr!!`
Ich nahm mir fest vor, ihr, egal, was mich denn noch an Überraschungen erwarten würde, keine Sekunde einen Anflug mütterlicher Sorge zu zeigen. Nein, dies würde ich ihr nicht antun. Sie war doch so stolz! Und zudem, wenn Knautschi sich so gänzlich ohne zu zögern mit ihr solidarisch erklärte, dann bliebe garantiert alles im Rahmen. Mittlerweile kannte er meine Tochter ja recht gut.

Es wurde denn ziemlich aufregend, denn meine kleine Große sah mir an, wie stolz ich auf meines Kindes Fahrkünste war, ja betont fröhlich guckte und meinte:
„Mama, und jetzt geht’s auf die Autobahn. Da machts noch viel mehr Spaß!!“
´Ääh!`, dachte ich sehr zutreffend, denn Knautschi beschleunigte, beschleunigte dann noch mehr und ich schielte aufs Tacho, wie viel denn der Kleine wohl imstande wäre, zu leisten. Dies wäre total überflüssig gewesen, denn in den nächsten Minuten rasten wir nur so dahin.
„Hach, das ist ja so schön! Hach, Mama!!“
Ich im Stillen dazu:
´Hoffentlich bleibts auch so!`
Für so wagemutig hatte ich sie denn doch nicht gehalten.

Aber der Clou sollte ja erst noch folgen.
„Mama, gibt’s ja gar nicht! Guck mal, da fährt ja Papa! Den überholen wir jetzt. Juchuuh!!“
Knautschi wurde noch schneller, schien es genauso lustig zu finden wie meine Tochter und preschte dann mit 160km/h an dem Charisma vorbei. Ihr Vater erkannte den Winzling sofort und grinste, derweil ich wegen des Übermutes meines Kindes so allmählich Bedenken bekam und den Sicherheitsgurt umklammerte.
„Mama, ich könnte jetzt immer so weiter fahren!!“
´Ehem … Sie hat den Schein doch erst ´nen paar Tage!`
„Meinst Du nicht, wir sollten so allmählich zurück? Die Anderen warten daheim! - Aber ich muss sagen, Du fährst wirklich klasse. Deine Schwestern werden staunen!!“
Ob dieses tollen Lobes aus Mutters Mund erklärte sie sich einverstanden, schnatterte aber während der Heimfahrt pausenlos, wie gespannt sie auf Papas Reaktion sei und lachte laut dabei.

„Na, wie wars? Wo seid Ihr denn gewesen?“, wurden wir begrüßt.
Und, als sie dann erfuhren, sie hätte tatsächlich Papa weit hinter sich zurück gelassen, erntete die mutige Fahrerin von allen Seiten bewundernde Blicke. Nein, so etwas hätten sie ihrer Schwester jetzt noch nicht zugetraut. Kurz darauf traf auch ihr Vater zuhause ein. Meine Tochter hatte Oberwasser im Höchstpegel:
„Äätsch, Papa, Du mit Deinem Charisma! Knautschi ist viel tüchtiger als der!!“
Er trug es mit Humor.