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Frühstück im Bett

Von CeeBee 22.05.2022, 22:31


Schaut man sich hier bei Feierabend oder anderswo die Profile an, trifft man hin und wieder auf Mitglieder/innen, die unter dem Stichwort "Der perfekte Start in den Tag" das Frühstück im Bett für das Höchste der Gefühle halten.

Ich denke, es lohnt, dieses einmal näher zu beleuchten ...


Von einem Frühstück im Bett können meiner Ansicht nach nur jene schwärmen, die entweder solches noch nie gemacht haben, sich vielleicht dunkel an den Frühstückservice im Krankenhaus erinnern oder schlicht einem fragwürdigen Fetisch huldigen.

Ich verstehe ja, dass man als normal Frühstückende/r sich irgendwann einmal diesem Träumen hingeben mag, man säße in seinem Bett zwischen kühlen, mit knisternder Seide bezogenen Plumeaus und blickt bei weit geöffneter Terrassentür zwischen den leicht wehenden, schneeweißen Tüllgardinen hinaus in den üppig blühenden Sommergarten, wo im frühen, bereits wärmenden Morgenlicht einige muntere Schmetterlinge um die bis ins Schlafzimmer duftenden Rosenstöcke kreisen.

In dieser Idylle ist der liebste Mensch auf Erden gerade im Begriff, das Betttischchen dem/der Glücklichen vor den Bauch zu setzen mit einem Körbchen herrlich luftiger Croissants, einem Tellerchen wachsweicher Bauernbutter, rot leuchtender, englischer Fruchtkonfitüre nebst wunderbar riechendem, frisch gebrühtem brasilianischem Hochlandkaffee und dem, mit einem kleinen Wollmützchen aufmerksam warm gehaltenen drei-1/2-Minuten Ei, ohne zu vergessen, der liebevollen Zeremonie mit einem zarten Kuss, auf beide Augenlider des/der Bedachten, ein Krönchen aufzusetzen ...

... und ...

... genau in diesem Moment, dem wenige Augenblicke später gar nicht mehr so sehr geliebten Menschen durch eine kleine Unachtsamkeit das gesamte Frühstück - hoppla - vom Tablett rutscht und der allgegenwärtigen Schwerkraft anvertraut. Auch verzweifeltes, vielhändiges und luftakrobatisches Jonglieren mit Butter, Croissant, Marmelade und Co. verhindert das Unvermeidliche nicht mehr.

Allem voran wird der siedend heiße Kaffee seinen Weg suchen und besonders hautnah und erlebnisreich erst in den zuckenden Schoß laufen, dann weiter zwischen den brennenden Schenkeln hindurch, um irgendwo auf Nimmerwiedersehen in den Daunen und dann, ein zweites Mal gefiltert, unter dem Laken in der Matratze zu versickern. Der reflexartige Abwehrgriff hin zum vergnügt über dem Bett, wie eine lustig taumelnde Frisbeescheibe, heran schwirrende Marmeladenschälchen lässt die Konfitüre derart umherspritzen, dass nur wenig später alles von oben bis unten, rot gesprenkelt, einem Opfer wütender, gefräßiger Masern oder Windpocken gleicht, die scheinbar selbst vor bereits toten Dingen wie Bettwäsche, Teppichen, Gardinen und Tapeten keinen Halt machen.

Das ganze Malheur findet jedoch erst dann seinen glanzvollen Höhepunkt, wenn der/die Beglückte spürt, wie das, wegen seines süßen Bommelmützchens, immer noch heiße Frühstücksei im hohen Bogen, als gäbe es nur diesen einen Weg, genau im Ausschnitt des Schlafanzuges verschwindet und sachte, begleitet von einem geschmeidigen Klecks Butter, die nackte Brust hinunterrutscht und in der Bauchfalte nahe dem Nabel, glühend wie ein Stück Grillkohle, zu kuscheln beginnt, während gleichzeitig die Croissants nach einer kleinen, unkontrollierten Luftfahrt irgendwo draußen auf der Terrasse die Landung einleiten.

Dann ist nur noch zu überlegen, ob man, bereit zum Empfang der letzten Ölung, einfach im Bett liegen bleibt oder doch noch schnell versucht, dem Horror irgendwie durch Flucht zu entkommen.

Ja, ja, auf diese Weise hat es sich dann nämlich ganz fix ausgefrühstückt ... im Bett ...

Und nun zu denen, die sich so gerne, wenn auch völlig diffus, an die vermeintlich luxuriöse Morgenmahlzeit im Krankenhaus zurückerinnern und ganz verklärt die Realitäten hinsichtlich des dortigen Frühstücks im Bett aus den Augen verloren haben.

Gefrühstückt wird morgens um 04:30 Uhr, kurz nachdem man endlich neben diesem unruhigen Menschen im Nachbarbett die Augen schließen konnte und eingeschlafen ist. Pünktlich, auf die Minute genau, betritt Oberschwester Kriemhild die Szene mit Pfleger Bruno im Schlepptau. Bruno, ein Bär von einem Mann, ist in der Umschulung. Bis vor Kurzem war er noch der Wrestler 'Bruno Brutus' mit Künstlernamen. Demnächst, so seine Absicht, will er Kranke pflegen, mit denen er, wie er selber sagt, allemal noch ganz allein fertig wird, auch wenn die Jahre des Kampfes in der Sportarena körperlich und mental ihre Spuren hinterlassen haben.

Wenn Bruno mit dem großen Schwamm zur alltäglichen Morgentoilette ansetzt, heißt es locker bleiben, nicht verkrampfen, dem Ganzen keinen körperlichen Widerstand entgegensetzen. Nur dann geht es ohne Handgreiflichkeiten, und wer will die schon, hinein in einen vielleicht schönen Tag. Ausziehen, waschen, anziehen ist in dem Fall gerade mal ein Gucken.

Anschließend, beim Frühstück selbst, hört allerdings jeder Spaß auf. Da wird vertilgt, was ans Bett kommt. Rote Pillen, Graubrot, Margarine, grüne Pillen, Käse, Wurst, Joghurt und blaue Pillen. Alles muss rückstandslos, bis auf den Joghurtbecher selbst natürlich, aufgegessen werden. Gelingt einem das wegen irgendwelcher Unpässlichkeiten nicht oder hat man die Reihenfolge des Menüs nicht vorschriftsmäßig eingehalten, kann man sich darauf verlassen, dass das Fiebermessen, klassisch rektal natürlich, wieder einmal das Toperlebnis des Tages wird. Menschen seien ja so leicht hin zum Guten zu motivieren, sagt Bruno und verlässt sich ganz auf seine Methoden.

Und nach dem Frühstück geht es noch einmal ruck zuck. Bruno tritt an das Bett, greift nach Dir und wirft Dich, wenn Du freudig aktiv mitwirkst - wie gesagt, immer schön locker bleiben - wie eine leblose Schweinehälfte über die Schulter und wartet, während Oberschwester Kriemhild mit einer Schwesternschülerin Dein Bett macht. Kissen aufschlagen, Oberbett ausschütteln, alle Laken runter, auch das Gummi, und alles wieder darauf und stramm gezogen, Schweinehälfte zurück ins Bett, fertig!

Das Schöne ist, so muss man zugeben, dass sich das nun makellose Bett wieder so anfühlt, als sei man gerade frisch von der Notaufnahme ins Krankenzimmer eingeliefert worden. Wunderbar!

Das war das Frühstück in Kissen, Variante Zwei. Für all jene, die sich an die Wirklichkeit nicht mehr so richtig erinnern können oder wollen ...

Und schließlich sind noch ein paar Worte über die Unheimlichen, die Fremdartigen fällig, die ... die ... ich weiß nicht was ... die frühstücken, wie auf einem anderen Stern.

Das ist, wenn man es als Purist erleben möchte, ein Frühstück ohne jeglichen Schnickschnack. Ohne Kaffee, ohne Butter, es gibt weder Marmelade noch Wurst noch sonst etwas. Nichts!

Dieses Frühstück wird nicht eingenommen, sondern muss ausgehalten werden. Es ist eine rein äußerliche Anwendung.

Zunächst jedoch bedarf es einer kleinen Vorbereitung. Dazu schlägt man das Oberbett vollständig zurück, zieht das Laken straff und legt das Kopfkissen beiseite. Als Weiteres muss man entscheiden, ob man sich ein Frühstück 1en, 2en oder 3en Grades zubereiten möchte. Die Hauptbestandteile sind dem Range nach ansteigend: Knäckebrot, Zwieback sowie trockenes Baguette, Brötchen von voriger Woche geht auch oder steinharte Brotkanten.

Reichlich werden nun die genannten Zutaten, entweder sortenrein oder gemischt, gleichmäßig über das ganze Laken verteilt. Und das war es dann auch schon. Man legt sich in leichter Nachtwäsche oder vollständig unbekleidet einfach nur noch obendrauf und zieht die Bettdecke hoch bis zu den Ohren. Wer etwas feinfühlig ist, kann sich das Kissen unter den Kopf stopfen, was allerdings kontraproduktiv wäre. Es macht Sinn, sich ein paarmal wie bei einem schweren Alptraum hin und her zu wälzen, damit rasch das echte Krümel-im-Bett-Gefühl entsteht.

Im Gegensatz zu einem normalen, sprich, amateurhaften Bettfrühstück, bei dem man sich vielleicht eine oder zwei Stunden lang gedulden muss, bis endlich die erste Brotkrume den Weg in die Gesäßspalte gefunden hat und dort fröhlich zu piken beginnt, stellt sich hier sofort, ohne Wartezeit der pure Lustgewinn ein. Da hat es piksende, stechende und kratzende Krümel, so viel man nur will. Neben den gängigen Hautirritationen, wie Rötungen oder leichten Abschürfungen, darf man insbesondere bei der Verwendung von scharfkantigem Zwieback oder einer zerbröckelten Scheibe durchgetrocknetem Paderborner Landbrot sogar mit kleinen Wunden am Hintern oder im Schritt rechnen. Für Kenner, und jeder von denen wird das bestätigen, ist das der ultimative Hochgenuss!

Hhmm ... ?!

Gleichwohl ... bei jeglichem Verständnis für die Vielfalt persönlicher Vorlieben, stellt sich mir dennoch die Frage, ob es nicht doch generell abartig ist … das Frühstück im Bett … ?

Nicht umsonst beginnt der Artikel Eins des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland mit den Worten:


"Die Würde des Menschen ... "

... ähem ...

"... endet nicht im Bett!"




© CB......__........
Foto: pixabay.com

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