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Ein Puzzle wehrt sich

Von tastifix Dienstag 28.01.2020, 12:23

Monika und Manfred puzzeln ausgesprochen gern. Meist sind es die üblichen Landschaftsmotive, bis sie sich tatsächlich an ein 1000-3D-Puzzle aus Schaumstoffteilen heran wagen. Als es fertig ist, betrachten sie stolz Schloss Neuschwanstein, die gesamte Anlage mit all den Türmen und Innenhöfen. Es schaut dermaßen toll aus, dass es noch mehrere Wochen stehen bleibt. Dann allerdings räumen sie es schweren Herzens weg, denn sie benötigen den Platz für nachfolgende Werke.

Mutiger geworden, arbeiten sie einem 2000er Puzzle, einer Landschaft mit Bergen, Almhöhen und passendem, von riesigen wunderschönen Blumenbeeten umgebenen Herrschaftshaus. Es gefällt ihnen so gut, dass es - vielleicht für immer - auf dem Tisch verbleibt, denn es passt prima zu den vielen Pflanzen, die das Wohnzimmer schmücken.

Kurze Zeit später nutzen sie erneut die große Puzzleplatte. Zu Manfreds Geburtstag schenkt ihm die Verwandtschaft nämlich ein sehr ausgefallenes Puzzle, dass vom Stil her ein wenig an die Illustrationen in den Asterix-Heften erinnert. Zwar liebt er Asterix und Obelix, aber noch viel mehr schwärmt er für Historie und dieses Puzzle zeigt eine Zusammenstellung lustiger Einzel- und Miniszenen aus ferner Vergangenheit.

Am unteren Bildrand hütet ein Schäfer seine Schafe, weiter rechts Schweinehirten ihre Tiere. Darüber erkennt man Türmchen und Türme mit Fenstern und Balkonen, von denen Mönche aufs altertümliche Treiben ringsum schauen sowie eine Gruppe Krieger, die jedoch ausgesprochen zufrieden wirken, denn es gibt nichts zu bekriegen. Überhaupt scheinen alle sehr fröhlicch zu sein.

Dies wundert Monika und Manfred dann doch sehr. Als sie nämlich die linkere obere Bildhälfte betrachten, trauen sie im ersten Moment den Augen nicht. Dort hockt nämlich ein gewaltiger flammendroter, bedrohlich sein schreckliches Gebiss zeigender Drache. Wieso wackeln bei dessen Anblick den Bewohnern jener kleinen Welt nicht die Beine vor Furcht?? Während die Beiden noch darüber nachgrübeln, holt sie zu ihrem Glück die Realität schnell wieder ein.
„Ist ja nur ein Bild!“

In den nächsten Stunden sind sie sehr beschäftigt. Das Puzzle erweist sich nämlich als äußerst schwierig und die Beiden genießen die Herausforderung. Den gruseligen Drachen setzen sie, wieder gefangen in der Fantasiewelt, sicherheitshalber erst zuletzt zusammen. Erleichtert beobachten sie, dass er nicht etwa alles Flammen speiend zerstört, sondern sich starr nicht von der Stelle rührt. Aufatmend freuen sich die Beiden, dem kniffeligen Legespiel Herr/Frau geworden zu sein. Stolz lassen sie es noch mehrere Tage liegen und bilden sich nur zu gerne ein, jene Miniwelt würde sich darob ständig fröhlicher präsentieren.

Was Manfred und Monika nicht wissen: Jener Drache ist kein Feind, sondern ein Freund der Miniwelt und derer Bewohner und zudem, wie es sich noch zeigen wird, erstaunlich schlau für einen Drachen.
„Vorsicht!“, denkt er. „des geht nicht mehr lange gut!“
Besorgt klärt er die Schweinehirten, die Schäfer, aber vor allem die Mönche darüber auf, dass sie alle in Gefahr schweben und ihr Dasein nur von kurzer Dauer sein wird. Verzweifelt hören sie ihm zu, aber fix weicht die Verzweiflung mehr und mehr der Begeisterung. Denn der Drache hat eine tolle Idee, wie sie sich wehren können.
„Ja, so machen wir es!“, jubeln alle. „Die werden es nicht wagen, unsere Welt in böser Absicht anzurühren!“
Der nächste Tag verläuft dagegen äußerst friedlich. Es scheint fast so, als sei nur die Fantasie mit dem Drachen durchgegangen. Also widmen sich die Pappgesellen wieder beruhigt den üblichen Aufgaben.

Am nachfolgenden späten Abend jedoch entscheiden Monika und Manfred, sie haben nun lange genug den Anblick des lustigen Bildes genossen und wünschen sich den Platz für Neues.
Mit letzten Seufzern des Bedauerns trennen sie zwei Puzzleteile auseinander. Das erste Randteil verschwindet - wahrscheinlich gar auf Nimmerwiedersehen - wieder im Karton.
Angespannt verfolgen es die Hirten, die Krieger und auch die Mönche.
„Jetzt!!!“, kommandiert da der Drache.
Die Hirten schicken ihre Hunde vor, die Krieger zücken die Lanzen und die Mönche veranstalten mit ihren Gebetsmühlen soviel Lärm wie möglich, um die zwei Menschen einzuschüchtern.

Doch davon lassen sich Monika und Manfred nicht beeindrucken. Gerade macht sich Manfred an der einen Klaue des Drachen zu schaffen, als er plötzlich zurückschreckt:
„Au, verflixt! Haben die scharfe Ränder!!“
Alle seine Versuche, dem Drachen Herr zu werden, scheitern kläglich. Seine Hand ist bereits voller Schrammen. As er sich dennoch am Drachenmaul vergreift, spürt er einen heftigen stechenden Schmerz und schaut entsetzt auf seine stark blutenden Finger.

Derweil versucht Monika die Krieger aus dem Puzzleverband zu lösen. Zwar ergeht es ihr nicht besser als Manfred, doch sie bleibt stur. Aufgebracht und immer wütender stechen die winzigen Gesellen mit ihren Lanzen auf sie ein. Es brennt höllisch und auch Manfred erträgt es nicht länger, das Blut von seinen Fingerkuppen tropfen zu sehen.
„Das Puzzle ist verhext!“, behaupten die Beiden.

Sie beschließen, lieber die paar losen Teile wieder einzusetzen, bevor sie später gar fast ihrer Finger verlustig gehen würden. Die Miniwelt beruhigt sich darob, attackiert sie nicht länger und sie schließen Frieden miteinander. Ja, Manfred und Monika stellen sich das Bild sogar auf ein Regal. Anstatt sie zu vernichten, haben sie sich vorgenommen, die kleine Fantasiewelt zu achten und sich immer mal wieder an dem Anblick zu erfreuen.












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