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Kleine Blume - ganz groß!

Von tastifix Samstag 31.07.2021, 20:51

Nach dem strengen Winter besiegte der Frühling das Bild der dürren Felder und kahlen Wälder. Voller Kraft zauberte er überall zarte Pflanzen hervor sowie Blattknospen an die Zweige der Bäume. Mit jedem nachfolgenden Tag verwöhnte die Sonne sie mit zunehmend wärmeren Strahlen. Das Braun des Erdbodens verschwand unter einem ständig üppigeren, saftig grünen Teppich, den vielerorts ein leuchtendes Farbspiel schmückte. Das kam von den unzähligen kleinen und großen Blumen, die sich sacht im Frühlingswind wiegten.
Genauso erwachten die Vögel aus der Traurigkeit der vergangenen kalten Monate, kleideten sich leuchtend bunt, flogen und hüpften munter einher und übten ihre Arien. Manche bewiesen sich als wahre Meister. Andere schienen ihr Lied vergessen zu haben und komponierten es neu. Erst zögerlich, dann immer sicherer reihten sie Ton an Ton, bis sie sich schließlich stolz in die kleine Vogelbrust warfen und die fertige Melodie jubelnd zum Besten gaben.

Auch die Menschen genossen die erwachende Natur, nahmen Abstand vom nüchternen Alltag und erholten sich in Wiese und Flur. Sie hatten sich einen Blick bewahrt für die zierlichen Pflanzen und ein Ohr für das zwitschernde Konzert der Vögel, sogen die reine Luft ein, schlossen die Augen und lauschten froh.
Erst recht hielt die Kinder nichts mehr daheim. Übermütig rannten sie zu den umliegenden Feldern und hüpften durch das frische Gras. Manche legten sich auf jenen kitzelnden Teppich und bewunderten dabei die vielen Blumen ringsum, die wachsende Lebensfreude und die Aussicht auf Wochen und Monate wilder Abenteuerspiele im Freien versprachen.

„Ich pflücke welche für Mama!", rief die kleine Amelie.
Es sollte ein sehr bunter Strauß werden.
„Da vorne steht eine tolle rote Blume!“, schlug ihre Freundin vor.
„Das ist Mohn!“, erklärte die Kleine stolz.
Entsetzt hatten die umstehenden Pflanzen dem Gespräch gelauscht.
„Au weia! Wie werden wir bloß ganz schnell blass, damit wir den
Menschenkindern nicht mehr gefallen?“, jammerte die Mohnblume, gar nicht mehr stolz auf ihr strahlendes Rot.
Dagegen hatte sie noch vor ein paar Minuten furchtbar angegeben, wie schön sie doch wäre.

„Das haste jetzt davon!“, hielt ihr ein bescheiden auftretender blauer Krokus vor. „Das Angeben hat genauso kurze Beine wie das Lügen.“
Irgendwie tat ihm die Mohnblume ja trotzdem leid, was er aber um
nichts in der Welt zugegeben hätte. Die eingebildete Schönheit neben ihm gab sich im Stillen zu, dass der Winzling recht hatte. Darüber aber weiter nachzudenken, blieb ihr keine Zeit mehr. Schon stand Amelie neben ihr und rupfte sie mit einem kleinen Hauruck aus der Erde.
„Autsch!“, machte die Blume.
Es blieb das Letzte, was von ihr zu hören war.

In der einen Hand die Mohnblume haltend, entdeckte Amelie den kleinen Krokus.
„Ach, wie süß Du ausschaust!“, rief sie aus. „Ob ich Dich auch mitnehme?“
Grübelnd legte sie die Stirn in Falten.
Der Krokus duckte sich und bemühte sich verzweifelt, ja nicht mehr so gut zu duften. Seine Blütenblätter zitterten vor Angst im Wind.
´Ach, bitte lass mich leben!`
Ob das Menschenkind ihn wohl verstehen würde? Kinder mögen Tiere und sind meist lieb zu ihnen. Genauso mögen sie alles Kleine in der Natur, wie es dann Amelie bewies. Sie sah die zur Erde geneigte, zitternde Blüte und die kindliche Fantasie bewirkte ein Übriges.

„Duhuuh ... , meinte sie nachdenklich zu ihrer Freundin, „Ich glaub, der fürchtet sich schrecklich. Wir sind so groß und er ist ja soo klein.“
Nach einer kurzen Pause entschied sie:
„Nee, das mach ich nicht. Hier sieht der viel schöner aus als in Mamas Vase! - Keine Angst, Blümchen! Ich lass Dich hier. Dann strahlt Dich die Sonne an und Du bist froh.“
Der Krokus konnte sein Glück kaum fassen. Seine Blütenblätter hörten auf zu zittern. Er reckte den Kopf hoch in die Luft und duftete aus Dankbarkeit ganz besonders lieblich. Das eigentlich sonst so bescheidene Blümchen war ausnahmsweise richtig stolz, denn Amelie hatte gesagt, wie hübsch es wäre.
Das kleine Mädchen pflückte noch mehrere Mohnblumen und Margeriten und eilte zurück nach Hause. Die Mutter freute sich sehr über den Strauß und stellte ihn in eine schöne Vase auf den Wohnzimmertisch.

Am nächsten Morgen aber wartete eine bittere Enttäuschung auf Amelie. Die Mohnblumen hatten alle Blüten abgeworfen und boten einen sehr hässlichen Anblick.
„Nee, ihr müsst weg!“, griff sie sich resolut die ehemals hochnäsigen Geschöpfe und warf sie in den Abfall. Nachmittags aber besuchte Amelie noch einmal den kleinen Krokus. Der stand aufrecht in der Sonne und seine Blüte leuchtete in einem wunderschönen Blau.
„Du bist viel hübscher als die Mohnblumen und die süßeste Blume hier weit und breit!“, flüsterte sie ihm zu.

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