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Falsches Täubchen

Von Fiddigeigei Freitag 29.10.2021, 10:50


La Paloma Blanca


Unserem Häuschen gegenüber steht das alte Schulhaus. Lange schon wird es nicht mehr benutzt und die ersten Dachziegel hat der starke Ostwind bereits abgedeckt, der Verfall ist eingeleitet. Antonio, unser nächster Nachbar hat in dieser Zwergschule noch das Ein X Eins und Lesen gelernt. Die ganze Bildung fand für alle Kinder gemeinsam in einem Schulzimmer statt; und wie wir an unseren Nachbarn feststellen konnten sind diese trotzdem rundum tüchtige und blitzgescheite Menschen geworden.
Antonios Mutter Maria führte damals noch einen kleinen Laden in ihrem Bauernhaus für die verstreut liegenden Nachbarn und sie erzählte uns, wie die Kinder oft in der Pause zu ihr kamen um Wasser aus dem Brunnen zu trinken, oder um Bonbons zu betteln. Es waren sehr arme Leute, die damals im Campo lebten und Kinder freuten sich über jede Kleinigkeit.
Lange schon ist in der kleinen Schule Ruhe eingekehrt und die Natur holt sich ihr Recht zurück.

Seit kurzem beobachte ich, wie einige Wildtauben die Öffnungen im Dach als Einflugloch für ihre neue Wohnung benutzen.
Schon früh am Morgen, die Sonne hat sich kaum über der Sierra Almanara erhoben, sitzt der weisse Täuber auf der Dachspitze und gurrt sein dunkles ruh ruh ruh , dreht sich dabei wie ein Pfau im Kreise und begrüsst so den neuen Tag.
Seine Damen 4 bis 5 an der Zahl sind trotz des werbenden Rufens nicht zu sehen. Sicher sind sie noch bei ihrer Morgentoilette und das dauert. Denn jede will die Schönste sein, wenn sie sich dem Herrn des Harems zeigen.
Aber jetzt können auch sie dem sehnsuchtsvollen Gurren ihres Paschas nicht mehr widerstehen und eine nach der anderen zeigt sich. Sie scharren sich um den Täuber und er tut stolz und erhaben, ein echter Macho.
Nochmals das Gefieder geputzt und dann geht es los auf die tägliche Futtersuche. Wir haben viel Freude an dem emsigen Geflatter, Geschnäbel und dem Hin und Her.

Mindestens zwei Mal in der Woche treffen wir uns mit Maria und Antonio um Neuigkeiten auszutauschen. Das ist für uns besonders vorteilhaft: So lernen wir die Sprache in der Praxis. Heute geht es um die wilden
„ Palomas „ Auch Antonio hat die Zuzügler bemerkt und erzählte uns, dass die Tauben immer in seinen Stall fliegen würden, um dort die Mittagshitze zu verschlafen.
Mutter Maria ist eine Frau, die in ihrem Leben immer als erstes daran denken musste, mit wenig Geld möglichst viele hungrige Mäuler zu stopfen. So ging auch ihre Frage an uns: Esst ihr in Deutschland Tauben. Die Tragweite dieser Frage war meiner Frau im Moment nicht klar, als sie Maria erzählte, das ihre Mutter in der Kriegszeit, auch Täubchen auf ganz lecker Art und Weise zubereitet hätte, die sie von einem Bauern aus der Nachbarschaft für Hilfe auf dem Feld, als Bezahlung erhielt.
Sofort wurde lebhaft über die besten Rezepte diskutiert und den Zuhörern wurde es ganz schwindelig bei den Schilderungen der verschiedenen Genüsse.
Die armen Friedensboten wurden in Gedanken auf mannigfaltige Weise gestopft, gebraten, auf Spiesse gesteckt und geräuchert.

Als ich Antonio in die Augen sah, erblickte ich in ihnen langsam Mordlust aufglimmen. Mir schwante, dass dieses unverfängliche Gespräch zum Fiasko meiner Palomas führen könnte. Einen geordneten Rückzug aus dieser Sache sah ich nicht mehr.
An diesem Abend gingen wir sehr nachdenklich zurück in unser Häuschen und in unruhigen Träumen regnete es unschuldige weiße Federn auf mich herab.
.Wie geahnt, so ist es gekommen. Schon am anderen Morgen hatten wir Besuch von Antonio. Geheimnisvoll und mit gedämpfter Stimme erklärte er mir, wie wir den Täubchen beikommen könnten. Sein Plan war
einfach:
Der Stall hat nur eine unverschliessbare Fensteröffnung, welche ich mit einem Brett zuhalten sollte, sobald die schattensuchenden und vom Fliegen müde gewordenen Vögel eingenickt sind.
Antonio wollte dann durch die Türe kommen, die Tauben mit einer Taschenlampe blenden und murks murks, wäre es aus- mit dem am blauen Himmel Kreise ziehen, dem verliebten Schnäbeln, dem wollüstigen Gurren, dem geniessen des Sonnenaufganges und der aufregenden Futtersuche-.
Zwei Tage später schon war es so weit: Der Anruf kam und ich machte mich schweren Herzens auf den Weg. Antonio hatte alles wie besprochen vorbereitet. Er gab mir das Brett, der Plan war klar. Die Jagd konnte beginnen.
Kaum war ich in Position gegangen und hatte das Flugloch geschlossen, hörte ich Antonio auf der anderen Seite die Türe öffnen. Plötzlich polterte etwas mit ziemlicher Wucht gegen mein Brett; mein Stand war nicht besonders und im Schreck rutschte mir das Brett etwas ab. Huiii machte es und über meinen Kopf hinweg sauste die Taubenschar in die blaue Helle, hinaus in den Sonnenschein und die Freiheit.
Antonio kam gelaufen und machte ein ärgerliches Gesicht und dachte sicher: so ein dummer Stadtfrack. Dann sahen wir uns an und mussten beide herzhaft lachen. Am meisten lachten aber Maria und meine Frau und Antonio und ich, die betrogenen Jäger mussten manchen Spott ertragen.
Die Tauben meiden seit diesem Anschlag Antonios Stall beharrlich, längst haben sie einen anderen Ruheplatz gefunden, aber den luftigen Wohnplatz hoch oben im Dach der alten Schule haben sie beibehalten und wir freuen uns jeden Tag an ihnen. Und Nachwuchs gab es auch schon.
Um meine Ungeschicklichkeit wieder gut zu machen, lud ich unsere Nachbarn zu einem Essen ein. Das Rezept nannte ich:

Falsche Täubchen a la Jägerart oder Paloma falsa de Cazadores

Ein Pollos / Hähnchen. 2 rote/grüne Paprika. 1k reife Tomaten, oder sonst besser Büchsentomaten. Eine handvoll schwarze Oliven. Eine Knoblauchknolle. Zwei grosse Zwiebeln. Pfeffer, Salz, Rosenpaprika, 2 Bolas(getrockneter Paprika, muss nicht sein). Thymian und Rosmarin frisch oder getrocknet. Olivenöl.
Pollo/Hähnchen beim Schlachter in möglichst kleine Teile zerlegen lassen. Paprikas in grobe Streifen schneiden. Tomaten vierteln. Oliven entsteinen. Knoblauchzehen schälen. Zwiebeln in Spalten zerlegen. Frischer Rosmarin kleinhacken, Thymianblättchen abzupfen. Getrocknete Kräuter rebeln.
In einem hohen Backofenblech (oder ähnlichem)den Boden gut mit Olivenöl bedecken und im Backofen bei ca. 180° heiss werden lassen. Hähnchenteile einlegen und scharf von allen Seiten anbraten. Kann auch separat in einer Pfanne auf dem Herd erfolgen.
Blech herausnehmen und zwischen die Hühnerteile Paprika, Paprika getrocknet, Tomaten mit Saft und Kernen, Zwiebeln, Oliven, Knoblauchzehen streuen. Mit Kräutersalz, Pfeffer und Rosenpaprika kräftig würzen und die Kräuter dazu geben. Nochmals mit Olivenöl darüber gehen. Das Blech total mit Alufolie möglichst dicht verschliessen und wieder in den vorgeheizten Backofen( mittlere/untere- Stufe, 180°) geben. Garzeit ca. 1 St. 15Min.
Für rustikale Esser einfach in der Pfanne auf dem Tisch servieren, dazu gibt es Gabeln und knusperiges Weißbrot zum Auftunken der göttlichen Sosse. Die Geflügelteilchen werden mit den Fingern gegessen.
Dazu schmeckt roter oder weisser Landwein.
Natürlich passen auch Nudeln oder Reis als Beilagen. Für Freunde mit orientalischem Geschmack kann man Rosinen, frische oder getrocknete Feigen und/oder Datteln mit garen.
Ich kann dieses Rezept auch mit Kaninchen wärmstens empfehlen.

Guten Appetit oder Bueno Aproveche

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