Neu hier? Lies hier über unser Motto gemeinsam statt einsam.
Mitglied werden einloggen




Passwort vergessen?

6 5

Ein etwas ungewöhnlicher Wiener Walzer

Von tastifix Samstag 17.07.2021, 16:28 – geändert 01.08.2021, 13:11

Ich war 17 Jahre alt und verbrachte fast die Hälfte meiner Freizeit in der Tanzschule. Vor allem Sonntags war ich nicht zu bremsen.
´Herrlich! Fünf Stunden Tanztee!`
Ungeduldig guckte ich alle paar Minuten auf die Uhr, wann ich denn endlich in die Welt der Melodien wechseln dürfte.

Wie auf Wolken schwebte ich dann in romantisch gestylter Bluse und Glockenrock in mein zweites Zuhause, begrüßte Freundinnen und andere Anwesende und wartete sehnlich darauf, dass es los ging. Das Schicksal wollte mir wohl eine Freude machen und schon wurde er angesagt:
„Kaiserwalzer!!“
Hach, ich wäre vor Seligkeit ja fast bis zur Saaldecke gesprungen, doch, weil des ziemlich dämlich gewirkt hätte, ließ ich es denn bleiben.

Sofort forderte mich mein Tanzpartner auf. Er tanzte ausgezeichnet und wir wirbelten mit zunehmendem Schwung herum, Runde für Runde, geradeaus, seitwärts, links und rechts. Wiener Walzer ist nicht allein ein sehr romantischer Tanz, sondern, tanzt man den richtig, sehr schwierig und auch anstrengend. Und der Kaiserwalzer dauert lange.

Ich trug sehr grazile Riemen-Sandaletten. Drei große Runden lang durch den riesigen Saal klappte alles wunderbar, ich schloss die Augen und ließ mich von der Musik entrücken. Während der vierten Runde passierte es dann: Irgendwie hatte sich mein Tanzpartner verschätzt, was den Abstand zu dem Paar neben uns anging. Jenes wirbelte aber genauso doll im Kreis herum wie wir. Das junge Mädchen trat mir aus Versehen in die Hacke, meine Sandalette nahm es sehr übel, entschloss sich, sich nicht weiteren derlei Angriffen auszusetzen, das Riemchen löste sich und die Sandalette war weg.

Entsetzt sah ich zu, wie sie sich den Weg zwischen den Beinen hindurch bahnte und wirklich bis zur gegenüber liegenden Saalwand flutschte. Sie tanzte sozusagen alleine weiter. Klar hätte ich ja jetzt aufgeben können. Aber nein, ich doch nicht! Erst recht nicht während eines Wiener Walzers! Mein Tanzpartner kannte mich inzwischen recht gut, wusste darum und tanzte fleißig weiter, als ob nichts geschehen wäre. Ich hing in seinem Arm, den Seidenstrumpf gewandeten Fuß ordentlich auf dem Ballen aufs Parkett setzend und sehr konzentriert darauf achtend, den Höhenunterschied Fuß mit Schuh und Fuß ohne Schuh ausgeglichen zu halten. Die ums uns herum tanzenden Paare schielten amüsiert auf meinen Fuß:
„Ob sie des bis zum Ende durchhält?“
Ich grinste zurück. Niemand sollte merken, dass es mir inzwischen echt peinlich war.
„Aufgeben gilt nicht!“
Also biss ich die Zähne zusammen und walzte weiter. Zwei lange Runden lang. Noch nie hatte ich mir so sehr gewünscht, ein Walzer sollte enden. Als endlich der letzte Ton verklungen war, war genauso ich am Ende und total durchgeschwitzt. Aber ich hatte es geschafft, Allen bewiesen, dass es möglich war.

Erschöpft trippelte ich die paar Schritte auf einen jungen Mann zu, der so hilfsbereit gewesen war, die Sandalette aus ihrer misslichen Lage zu befreien. Dankend nahm ich sie entgegen.
„Klasse!“, meinte er nur.
Ich war stolz.

Dieses Erlebnis habe ich nie vergessen können.

Du möchtest die Antworten lesen und mitdiskutieren? Tritt erst der Gruppe bei. Gruppe beitreten

Mitglieder > Mitgliedergruppen > Wunderbare Jahre > Forum > Ein etwas ungewöhnlicher Wiener Walzer