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Vorsicht! Pfiffige Lehrer!!

Von tastifix Mittwoch 27.02.2019, 11:06 – geändert Mittwoch 07.07.2021, 10:42

Auch unter meinen Paukern fanden sich Lehreroriginale. An unserem Lyzeum sorgten ungewollt gleich mehrere für so manchen Gaudi und damit überaus heitere Schülerseelen, besonders aber der Lateinlehrer. Bei fast zwei Metern extrem dünn geraten, hatte er es jedoch faustdick hinter den recht großen Ohren. Deren Anblick jagte uns einen Angstschauder über den Rücken. Wie, wenn deren Hörvermögen in etwa deren Optik entsprach?
„Dann können wir uns warm anziehen!", meinte unsere Klasse einstimmig.
Der Lehrer, so passend ´Gräte` genannt, war zum Glück abwesend und so bewährten wir uns, was das oft ziemlich unfaire Benehmen ihm gegenüber betraf, in Ehrlichkeit und gaben halbwegs zerknirscht zu:
„Gut nur, dass sich bislang keiner eingehendere Gedanken wegen unserer Gesichtssegel gemacht hat!"

Für Schüler bedeutete es eigentlich schon zuviel eines Eingeständnisses und deshalb … :
„Wir haben die geerbt. Das ´Gräte-Faustdick-Gen` hat uns angesteckt und so sind wir eigentlich engelsgleiche Wesen zu ausgesprochenen Bengeln geworden.“
Obwohl Gräte und wir uns also ähnelten wie ein Ei dem anderen, mochten wir den langen Lulatsch sehr gern. Er unterrichtete mit viel Humor. Dennoch zog auch er den Lehrplan durch, der immer wieder fiese Klausuren vorsah, die wir dann zum Teufel wünschten. Zum Glück gab es ja genügend Tricks, sich gänzlich oder wenigstens für Minuten dem Stress zu entziehen. Einige schwänzten und gönnten sich einen mindestens zweistündigen Stadtbummel. Kürzer wäre schlecht gewesen, denn dann wären die kecken Sünder zu früh zurück in die Klasse geplatzt und hätten sich in dem von allen so gehassten Klassenbuch wiedergefunden: Tadel und/oder Benachrichtigung der Eltern, die aus sämtlichen Wolken fielen ... und selbstverständlich danach der ersehnte Kinobesuch flach.

Andere waren weniger mutig, marschierten lieber nur bis zum Klo und fahndeten dort im Zeitraffertempo auf dem Knie-Spickzettel nach einer vermaledeiten Konjugationsform. Weil es extrem fix gehen musste und deshalb öfters so schnell nicht klappte, war es einfach unvermeidbar, alle zwanzig Minuten ein bestimmtes Bedürfnis anzumelden:
„Herr Lehrer, ich muss mal!"
Ein treuherziger Blick, der nicht darüber im Unklaren ließ, wie unaufschiebbar das wiederholte Bedürfnis war.
„Aber du warst doch … ?"
Spätestens beim dritten Male zeigte Grätes Stirn Sorgenfalten:
„Haste soviel getrunken oder biste am Ende krank?"
Nein, eine Krankheit vortäuschen ... Das wollte mein Klassenkamerad Gräte denn doch nicht antun:
„I..Ich hab ne schwache Blase!", stammelte er mit einem steinerweichenden Blick, der prompt Grätes Herz erweichte.
„Na, aber fix, bevor du gar ... "
Uns heimlich zuzwinkernd, damit wir wussten, es wäre alles in Ordnung, verschwand der Bengel. Zwei Klobesuche später kreuzte er wieder auf, sichtlich doppelt erleichtert und also bester Laune. In der nachfolgenden Viertelstunde flitzte sein Füller nur so übers Papier.
´Was das ausmacht … `, grübelte ich: ´Ob ich auch mal … ?`
Doch ich war zu feige. Zudem standen meine Notizen ja für alle Fälle auf meinem Arm. Also kratzte ich mich ab und an ausgiebig.
„Nebenan haben sie Bio und füttern Frösche mit Mücken. Tja, die haben dann wohl öfters daneben geschnappt!“
Leider war Gräte nicht blöd und bewies, was eine Harke war, setzte sich ans Pult, kramte eine Zeitung hevor und fing an zu lesen. Es verunsicherte uns beträchtlich.
´Hääh!!??`
Wir wurden übervorsichtig. Mein Klassenkamerad vergaß sogar den längst fälligen Klo-Besuch und ich meinen Krabbelzoo am Arm. Total irritiert starrten wir auf die Zeitung und den Pauker dahinter.
„Anstatt mich anzustarren, nutzt besser die Zeit!“, meinte der trocken, lehnte sich ostentativ zurück und hielt die Lektüre noch etwas höher.

Im nächsten Moment klapperten so manche Füller und segelten so einige Spickzettel zu Boden. Geschlossen machte die ganze Klasse Klausur-Erholungs-Gymnastikübungen und sammelte hastig die Indizien der Unverschämtheit wieder ein. Nun wähnten wir uns erneut auf der sicheren Seite und unser Selbstbewusstsein wuchs sich zu einem mehr als unverfrorenen Selbstbewusstsein aus.
„Einmalige Chance, jetzt oder nie!"
Wir erwachten zu erstaunlicher Geschäftigkeit und mogelten wie verrückt. Halbfertige Klassenarbeiten reisten durchs ganze Klassenzimmer, wurden von den Lateinassen korrigiert und landeten dann wieder bei ihren überglücklichen Besitzern, die übers ganze Gesicht strahlten.

Sprachentalente bleiben oft unerkannt. Tatsächlich musste erst ein Pauker auf solch originelle Weise wie Gräte nachhelfen, damit sie die Schüchternheit verloren und sich in aller Pracht entfalteten.
„Haste denn jetzt alles?", erkundigte ich mich nach rückwärts.
Dort hockte unser Lateinkamel erster Güte und kapierte überhaupt nichts.
„Wie heißt der letzte Satz bloß? Übersetz mal, schnell!"
Leider war der sehr schwierig und so fix bekam ich es auch nicht auf die Reihe.
„Uund ... ?", hakte das Kamel ängstlich nach.
„Mensch, ist doch immer das Gleiche. Schreib: Der metzelte die nieder. Stimmt garantiert und die Formulierung ist dichterische Freiheit!!“
Das Kamel beherzigte sicherheitshalber meinen Vorschlag. So stand dort wenigstens etwas, für seine Null-Ahnung schon ausgesprochen viel. Ich war zufrieden, denn ich hatte meinen Klassenkameraden vor dem grammatikalischen und auch sonstigen Untergang gerettet. So glaubten die Anderen und erst recht ich ...

Gegen Ende der Stunde faltete Gräte seine Lektüre langsam sorgfältig zusammen. Wir erstarrten zur Salzsäule. In Grätes Augenhöhe klaffte in der Zeitung nämlich ein viereckiges Loch, gerade groß genug, um durchschielen zu können.
„Ihr müsst mich nicht für so doof halten!", erklärte der geliebte Lehrer ziemlich grob: „Schließlich war ich auch mal Schüler!"
Schuppen fielen uns von den Augen. Gräte hatte alles beobachtet, wir waren bis auf die Knochen blamiert. Aber selbst zum Schämen schämten wir uns zu sehr. Das dicke Ende folgte noch: Wir ernteten zwar keine Sechser, aber kamen in den äußerst zweifelhaften Genuss, die Klausur - und zwar dann ohne Zeitung - wiederholen zu müssen.

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