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Endlose Weiten

Sie muss neun oder vielleicht zehn gewesen sein und lag lang ausgestreckt hinten im Wagen. Alles roch nach Staub und Hitze. Die Kleider klebten an ihrem Körper. Die Straße war gerade und streckte sich endlos in die Wüste hinein. Ihr war schlecht, hundselend. Wenn sie die Augen öffnete, überkamen sie Wellen von Übelkeit.

Vorne im Wagen sprachen ihre Eltern miteinander. Die Motorengeräusche des Wagens verschleierten die Worte. Nur Töne drangen zu ihr durch.
„Papa, mir ist schlecht“, konnte sie noch gerade herausbringen, als sie sich schon wieder übergeben musste. Ihr Körperchen zuckte zusammen. Ihr Brustkorb tat weh. Ihre Mutter kühlte ihr das Gesicht mit Wasser, das sie aus einer kleinen leinenen Wasserflasche goss, die im Fahrtwind an der Stoßstange hing. Es enthielt herrlich kühles Wasser. Sie lief ein paar Schritte um den Wagen mit ihr. Nur die endlosen Weiten waren zu sehen und tanzende Hitzewellen über der Straße.

Kein anderes Auto, kein Mensch rührte sich in dieser von Gott verlassenen Gegend. Sie war nur ein Kind, und dabei war es ihr so furchtbar elend, dass sie nicht die wunderbaren Farben der Landschaft wahrnehmen konnte. Die für sie so eintönige Landschaft spiegelte alle Farben des Regenbogens. Tiefes Purpur wechselte sich mit veilchenblau und Gold ab.

Die Dornensträucher am Rand der Straße, formten obskure Gestalten, aber das Olivgrün der Blättchen und das Weiß der Dornen umrandete diese herrlichen Gemälde. Auch waren sie gar nicht allein. Große Tausendfüßler krochen über die verbrannte Erde. Wespen flogen von einem winzigen Blütchen der Akazien zum anderen. Ein Chamäleon verbarg sich langsam hinter den Zweigen eines Dornbusches, als der Wagen hielt, und die Zikaden schwiegen sofort mit ihrer Gezirpe.

Sie waren zu viert, und doch konnte sie sich überhaupt nicht an ihren Bruder erinnern. Er war doch dabei. Waren sie sich schon damals so fremd?

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