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Sie tauchte nie mehr ohne den Rosenkranz

Von ehemaliges Mitglied Mittwoch 08.07.2020, 05:43


Es hatte damit begonnen, dass der jungen Arm Thornwall das Rosenkranztäschchen zu Boden fiel, alle Mädchen bückten sich mit ihr, viele Hände griffen danach — das Täschchen öffnete sich, und ein schimmernder Rosenkranz wurde hochgehoben, so köstlich, wie man ihn selten sah. Auch der Missionar, der dieser Mädchengruppe in der Heimstunde von Japan erzählte, blickte ganz verblüfft drein.
„Ist es möglich, Miss Thornwall — sind es echte Perlen?" Die Kleine wurde rot, man wusste nicht, ob vor Stolz oder vor Verlegenheit. „Ja, Pater, es sind japanische Perlen. Mein Vater gehörte lange der Besatzungstruppe um Tokio an — er brachte ihn mir zum Andenken mit.
Eigentlich war es ein buddhistischer Rosenkranz, wir haben ihn ändern lassen, die Perlen neu gefasst." Der Pater streckte die Hand aus und prüfte das Material. „Ich glaube wahrhaftig, das sind Perlen von Mikimotos Zucht. Sie haben tatsächlich einen Rosenkranz von erlesener Schönheit, Miss Thornwall — aber er erinnert mich lebhaft an einen anderen, den kostbarsten, den ich je in Japan sah. Ich will es Ihnen erzählen — wenn Sie mögen; er gehörte ebenfalls einem jungen Mädchen, einer Perltaucherin von Mikimotos Farm."

Die Mädchen umdrängten den Missionar.
"ja bitte, wir möchten es gern hören." Er behielt den Perlenrosenkranz nachdenklich in seinen Händen und erzählte nach einer kleinen Pause: „Ich weiß nicht, ob Sie wissen, was der Name Mikimoto bedeutet; in Japan ist er ein Begriff, den jedes Kind kennt. Mikimoto, das ist der ungekrönte König des Perlenhandels der ganzen Welt. Die Geschichte, wie er sich vom armen Arbeiter zum Perlenforscher und Besitzer einer riesigen Taucherfarm in der Ago-Bay entwickelte, ging oft genug durch die Weltpresse, er ist heute ein uralter, steinreicher Mann. Aber nicht von ihm wollte ich berichten, sondern von einer seiner jungen Amas, so nennt man die Taucherinnen im Alter von 16 bis 20 Jahren, die täglich den Meeresgrund nach Perlen absuchen, ebenso gesunde wie geschickte Schwimmerinnen. Ich war entsetzt, als ich zum ersten Mal Bekanntschaft mit ihnen machte, denn sie ließen sich in große Tiefen hinab, ohne den Schutz, den jeder normale Taucher beanspruchen kann. Nur eine dünne Gesichtsmaske hielt Augen und Nase frei gegen das Eindringen des Meerwassers. Nur zu bald erfuhr ich, dass die langen weißen Taucherhemden oft zum Totenkleid der Trägerinnen wurden. Da waren Haie, die plötzlich auftauchten und ein Blutbad anrichteten, oder es passierten Unfälle beim Tauchen und Aufwärtsholen.
Trotzdem beschäftigte Mikimoto laufend an die 2000 Amas, „Töchter des Meeres". Die Arbeit wurde verhältnismäßig gut bezahlt, und viele daheim überflüssige Mädchen begrüßten die Gelegenheit, sich für die Familie nützlich zu machen, zumal bei dem japanischen Kinderreichtum große Not herrschte. Kikuno — ihr Name bedeutet Chrysantheme und ist einer der häufigsten in Japan — war Studentin und tauchte in den Semesterferien, als ich sie als Taufschülerin kennen lernte. Sie erzählte mir viel aus dem Leben der Taucherinnen, Frohes, aber viel mehr Trauriges; durch sie nahm ich tieferen Einblick in die Seele des Landes. Niemals aber verlor sie bei ihrem anstrengenden Tagewerk den Mut und ihr leuchtendes Lächeln, dieses rätselhafte Lächeln, das oft viele ungeweinte Tränen verbirgt. Lächelnd berichtete sie mir auch eines Sommerabends von der Strenge eines Vorarbeiters, Matsu-san, der, wie alle seinesgleichen, nur dazu bestellt war, die Tagesleistungen der Amas zu überwachen und sie am Hebeseil hinab- und herauf zu heben. Als sein Name öfters fiel, horchte ich auf. Sie gestand mir ungefragt, dass Matsu-san sie begehrte — sie fürchtete sich vor der unverhohlenen Leidenschaft in seinen Augen, wenn er sie ansah. So ein Vorarbeiter war mächtig, ja zuweilen der Herr über Leben und Tod seiner Amas, aber das wusste ich erst später. Ich gab Kikuno gute Ratschläge und bat sie, wenn Matsu-san ihr lästig würde, doch lieber die Arbeit dort abzubrechen. Sie lächelte und sagte nur: „Mein Vertrag lautet auf sechs Monate, verehrungswürdiger Father!" Da wusste ich, dass sie ihr Wort nicht brechen würde.
Regelmäßig kam sie nach dem schweren Tagewerk zur Katechese; besonders über die Gottesmutter verlangte sie immer wieder Neues zu erfahren; dadurch wurde meine Unterweisung ganz marianisch, und ich zögerte nicht, ihr noch vor der Taufe einen Rosenkranz zu schenken, nein, keinen aus Perlen; die wenigsten Amas konnten sich den Erwerb einer einzigen leisten; es war ein schlichter Holzrosenkranz; sie nahm ihn mit tiefer Verbeugung ehrfurchtsvoll entgegen.
Sie versprach, ihn täglich zu beten. Es war sechs Wochen vor ihrer Taufe, als sie plötzlich nicht mehr kam. Ich wurde unruhig — sollte der heidnische Matsu-san es fertig gebracht haben, sie wankend zu machen? Arbeitete Kikuno doch in vollständig unchristlicher Umgebung. Da war es ein leichtes — ich beschloss, sie aufzusuchen.
Lächelnd berichtete mir ihre Gefährtin, dass Kikuno gestorben sei. Ich erstarrte, verlor fast das Gesicht; die junge Ama wartete, bis ich mich gefasst hatte. „Es war kein Hai und auch das Senkseil hat gehalten", sagte sie im furchtbaren Gleichmut der Japaner, „der Gott des Meeres hat sie schonen wollen, aber Matsu-san wollte ihren Tod." — „Er hat sie ermordet?", rief ich entsetzt. Die Ama sah sich um, ob niemand lauschte. „Ehrenwerter Fremdling", sagte sie vorsichtig, „das Wort ist gefährlich. Matsu-san bedient das Hebeseil — er zog sie zu rasch hoch, als sie ihm am Tage zuvor seine Wünsche abschlug und sich ihm nicht ergab.
Sie bekam den üblichen Lungenriss und war auf der Stelle tot." Ich schwieg erschüttert, dann fuhr ich auf: „Das ist ein Verbrechen, man muss es anzeigen!" Die Ama lächelte. „Mikimoto schützt seine tüchtigen Vorarbeiter mehr als unnütze Mädchen, niemand kann Matsu-san etwas nachweisen, so etwas kommt immer wieder vor. Kikuno wollte ihn nicht — als sie starb, sah Matsu den Grund — sie war Christin." Ich berichtigte: „Sie wollte Christin werden." Die Ama schüttelte den Kopf: "Nein, sie war es, Father! Dies hielt sie in der Hand, als sie hochgezogen wurde — sie tauchte nie mehr, ohne die christliche Gebetsschnur bei sich zu haben. An jenem Morgen muss sie etwas geahnt haben, denn sie trug sie offen in der Hand. Wenn sie mögen, gebe ich Ihnen die Schnur zurück, ihre Eltern sind ja Buddhisten." Ob ich wollte? Ergriffen nahm ich Kikunos hölzernen Rosenkranz, dieses letzte Zeugnis ihrer Liebe zu Maria und ihrer stummen, heldenhaften Treue zu Christus.
Sehen Sie, meine Damen, darum halte ich auch heute noch Kikunos Rosenkranz für den kostbarsten, der mir je zu Gesicht kam, und gäbe es solche aus Gold und Edelstein. Es wäre schön, Miss Thornwall, wenn Sie an Japans junge Christen dächten, so oft Sie diesen Perlenrosenkranz beten" — und er reichte die köstliche Schnur dem ergriffenen Mädchen zurück.

Consilia Maria Lakotta

Aus dem Buch "An Mariens Mutterhand"
von A. M. Weigl

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