So ein Zausel
Von
IchmagdasMeer
Mittwoch 25.01.2023, 12:42
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IchmagdasMeer
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Es ist so ein typisch nasskalter Januar Tag. Keine Sonne im grauen Himmel zu sehen und trotz der Windstille fühle ich wie es mir eisig um das Gesicht zieht. Ich bin in unserer Feldmark spazieren. Habe das alles hier schon unzählige Male gesehen - zu allen Jahreszeiten und Wetterbedingungen. Jede einzelne hat dabei für mich ihren ganz eigenen Reiz. Das Wetter spielt nur hinsichtlich der Kleidung eine Rolle. Hier, draußen in der Natur bin ich wirklich zuhause. Ich lasse meine Gedanken ziehen und komme von Erinnerung zu Erinnerung. Alles im kurzen, aber für mich beruhigenden Takt. Keine Sorge, keinen Stress und Ärger. Nur ich und die Natur, Mit jeden Atemzug fühle ich mich noch verbundener mit meiner Heimat - es ist einfach nur herrlich. Ich schlendere so dahin, biege vom Feldweg auf die alte Verbindungsstraße, die unser Dorf mit dem Nachbarort verbindet. Hier dürfen nur landwirtschaftliche Fahrzeuge fahren und natürlich Radfahrer. Dieser Weg (unter vorgehaltener Hand auch Alkoholschleichweg genannt
) führt vom Nachbarort aus kommend zu den alten Buckelgräbern. Bis dorthin ist das befahren mit dem Auto erlaubt. Es kommt immer wieder mal vor, dass von den wenigen Besuchern bei der Wegfahrt von dem Parkplatz, die Fahrer in die verkehrte Richtung fahren, oder das Einheimische diesen Weg als Abkürzung nutzen. Den Einen oder Anderen hat dort auch schon die Polizei erwischt. Einige Führerscheine fielen der Selbstüberschätzung und der Unterschätzung der konsumierten Alkoholmenge zum Opfer....
Ich gehe also so vor mich hin, betrachte die Windräder in der Ferne, als mir ein Auto entgegen kommt. Am Kennzeichen erkenne ich, dass es ein Elektro Auto ist. Von der Form her, irgendwie ein SUV, aber dabei ziemlich sportlich aussehend. Die Marke kenne ich nicht, muss ich mal im Internet schauen. Vielmehr wurmt es mich, dass der Fahrer es nicht für nötig hält, wenigstens etwas langsamer an mir vorbei zu fahren. Der Weg ist nicht wirklich breit. Ein PKW füllt diesen schon ziemlich aus. "Ach, ärgere Dich nicht" holt mich ein Gedanke zurück in die Natur und ich lasse sowohl den Gedanken an die Geschwindigkeit des Fahrzeugs, als auch den Fahrer seine Wege ziehen.
Nach einer Weile biege ich in den Wald ab. Vielleicht 50 Meter später nehme ich aus dem Augenwinkel eine Bewegung war. Ich bleibe stehen, gucke genauer und mich trifft beinahe der Schlag. Da hat offensichtlich irgendein besonders gemeines Exemplar von Mensch einen Hund an einen Baum gebunden. Ich nähere mich vorsichtig und spreche ihn mit ruhiger Stimme an. Je näher ich komme, desto klarer kann ich sehen, dass es sich um ein noch junges Tier handelt.
Völlig verängstigt guckt er mich an, die Rute unter den Bauch eingezogen und je näher ich komme, desto kleiner macht er sich. Ich bin den Tränen nahe, vor Mitgefühl und vor Wut auf die Person, die das diesem Tier angetan hat. Ich setze mich auf den Boden direkt vor ihm und strecke behutsam meine Hand zu ihm, derweil rede ich so gütlich zu ihm, wie ich es nur kann. Es ist scheinbar so eine Promenadenmischung, dunkles fast schwarzes Fell und einen weißen Fleck auf dem linken Vorderbein. Langsam kommt er zu mir. Er weint dabei, mir wird abwechselnd warm ums Herz und kalt vor Zorn. Am liebsten würde ich mit diesem Band den herzlosen Menschen ebenfalls irgendwo ganz alleine an einen Baum binden. Dann könnte er sich über sein Verhalten Gedanken machen, während die Kälte von seinem Körper Besitz ergreift.
Nach einer Weile schleckt mir der Hund zaghaft über die Hand. Ich streichel ihn und rede immerfort auf ihn ein. Schließlich kann ich ihn von diesem Band befreien und nehme ihn in meine Arme. Immer wieder höre ich ihn regelrecht weinen. Sein Körper ist so kalt. Ich ziehe meine Jacke aus, auch den Pullover und wickel ihn vorsichtig darin ein. Sofort kuschelt er sich an mich, nachdem ich ihn vor meinem Bauch halte und die Jacke wieder anziehe.
"Hab keine Angst, jetzt bin ich bei Dir, ich passe auf Dich auf", sage ich zu ihm und mache mich auf den Rückweg.
Auf unserem Weg nach Hause ist er ganz ruhig. Es guckt nur sein Rücken so halbwegs aus dem Pullover heraus und ich spüre, wie sein Zittern langsam weniger wird.
Wir kommen zuhause an, ich lasse meine Jacke fallen und gehe mit dem kleinen Hund auf den Armen, immer noch eingewickelt in den Pullover, zu meiner Frau in das Wohnzimmer. Sie sieht mich fragend an und ich erkläre ihr, immer noch tief berührt von diesem schlimmen Ereignis. Langsam hole ich ihn aus dem Pullover und präsentiere ihn meiner Frau.
Sie schaut mit dem liebevollen Blick, den ich so an ihr liebe, das arme Tier an und ist ebenfalls fast sprachlos. Ich setze mich auf das Sofa und der Hund liegt auf meinem Schoß.
Meine Frau fragt: "Hat er Durst, hat er Hunger?" Sie geht in die Küche und holt eine kleine Schüssel mit Wasser, doch der Kleine will nicht trinken. Er guckt uns beide mit seinen großen Augen an und schleckt auch meiner Frau vorsichtig über die Hand.
"Guck mal, der ist ja ganz schmutzig. Der muss erstmal in die Wanne. Und Du rufst jetzt bei Sylvia an(eine Tierärztin, die bei uns im Dorf wohnt)".
Sie nimmt den Hund auf den Arm und geht mit ihm ins Bad, während ich die Tierärztin anrufe. Wir können heute noch zu ihr kommen, sie wird sich das
"Findelkind" heute noch anschauen. Schon etwas zufriedener gehe ich ins Bad zu den Beiden. Der Hund in der Wanne, es scheint ihm zu gefallen, vielleicht wegen dem warmen Wasser?
" Guck ihn Dir mal an. So ein Zausel" sagt sie und grinst dabei. Nach dem abtrocknen stellt sie ihn auf den Boden. Meinen Reflex, ihn sofort wieder tragen zu wollen, unterbindet sie. "Der hat 4 Beine, bis in die Stube kann er schon alleine gehen"
Recht hat sie und Zausel (das ist ab jetzt sein Name) weicht nicht von meiner Seite.
Wir fahren dann zur Tierärztin in die Praxis, wo Zausel ausgiebig untersucht wird. Er lässt das in aller Seelenruhe über sich ergehen. Seine Rute ist auch nicht mehr unter den Bauch geklemmt und teilweise wedelt er damit sogar etwas.
Ein Scan nach einem Chip bleibt erfolglos und es findet sich auch keine Tätowierung in den Ohren. Dieses Tier ist quasi vogelfrei. Nein, nicht ist, sondern war!
Diesen Hund werden wir behalten. Und ich werde meine Frau davon überzeugen.
Wir bekommen in der Praxis noch eine Futterprobe mit und es wird uns gesagt, dass Zausel sicher noch kein Jahr alt ist.
Zuhause angekommen, mache ich sofort den Ofen an, Zausel liegt dabei auf dem Sofa und guckt schon interessiert in die Runde.
Wir streicheln ihn und unterhalten uns, was wir nun mit ihm machen sollen.
Mein Standpunkt ist nicht verhandelbar: wir behalten ihn!
Nach kurzer Zeit stimmt sie zu, sieht Zausel mit ihren warmen und so liebevollen Augen an. Dann blickt sie mir in die Augen, mit genau dem Blick, bei dem ich weiß dass es jetzt ernst wird.
"Der Hund bekommt nichts vom Tisch. Und er kommt nicht ins Bett"!
Der Tonfall sagt klar aus, dass gerade zwei Gesetze in Stein gemeißelt wurden. Jede Widerrede ist hier zwecklos....
Ich hole zwei Wolldecken und baue für Zausel ein Nachtlager auf dem Flur, direkt neben der natürlich offenen Schlafzimmertür.
Zausel bleibt ruhig und schläft und auch wir schlafen irgendwann ein, nachdem wir auf jedes Geräusch geachtet haben....
Morgens um halb sechs wache ich auf, drehe mich um schaue auf den Wecker und....
Es war nur ein Traum. Ich habe das wirklich nur geträumt und finde es tatsächlich schade, ich hatte mich doch schon verliebt in den kleinen Zausel....