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Klima: Wie ich mit 60 eine Demo organisierte

Von Feierabend-Mitglied 08.12.2019, 03:41 – geändert 08.12.2019, 18:27

Gut, nicht mit 60 - es fehlen mir noch zwei Monate.

Von der Gefahr weiß ich seit mehr als 30 Jahren Bescheid, tat aber diesbezüglich nichts. Ich nehme an, dass damals (in den 80-ern - also kein WWW, kaum Internet, kaum E-Mail) das "Club of Rome" oben auf meiner Interessenliste landete. Worauf ich mich aber noch gut erinnern kann: Ich las da um 1989 einige Artikel über die s.g. "komplexen Systeme" und "Chaostheorie". Und das hat mir echt Angst in die Knochen eingejagt. Nämlich...

Obwohl es sich um mathematische Details handelt, war das wichtigste nicht schwierig zu verstehen und sich zu merken: Komplexe Systeme, die aus einer großen Anzahl untereinander verbundener nicht linearen Elemente bestehen (Beispiele dafür wären: Gehirn; Immunsystem; ja natürlich, ein ganzes lebendiges Wesen; das Ökosystem; das wirtschaftliche System; das gesellschaftliche System; das globale Wetter) können sehr lange als stabil erscheinen und trotzdem durch Veränderung gewisser Eigenschaften bzw. Rahmenbedingungen dann "unerwartet" zu einem Kipppunkt gelingen. Dadurch wird in einer kurzen Zeit eine bedeutend andere Lage erreicht, die weiter genauso stabil andauern kann, aber völlig andere Eigenschaften haben kann. Wenn es sich z.B. ums Klima handelt können das weitere abertausende von Jahren sein - ein stabiles, aber vor allem für die Menschheit ein lebensfeindliches Klima.

Ein Beispiel ereignete sich kurz danach: Der Zusammenbruch der Sowjetunion in diesem kaum vorher vorstellbarem Tempo. Mir wurde also in etwa klar, was für Prozesse am Werk sind, tat aber diesbezüglich nichts. 30 Jahre lang so. Mittlerweile haben die Ausgucke von oben mindestens fünfmal in einer Bücherreihe laut und deutlich (und - anhand immer weiterer Vergleiche zwischen den Berechnungen und dem Kurs - immer selbstbewusster) geschrien: "Eisberg direkt voraus!". Das Orchester spielt aber weiter und die Zombies tanzen weiter. Business as usual.

Und dann - vor etwa einem Jahr - erschien diese Greta, die mit #FridaysForFuture, #ParentsForFuture, #TeachersForFuture usw. eigentlich schrie: "Erwachet!". Ich habe mich zwar gewundert, wie so junge Menschen "von einmal" das wichtigste so schnell begriffen haben, tat aber diesbezüglich weiter nichts. Mann hat eigenes Leben, eigene Sorgen, eigene Pflichten, eigene Schmerzen... Am Abend, nach einem Arbeitstag, fühlt man sich Kraftlos und Ausgebrannt. Warum noch mehr Last auf sich nehmen? Es ist schwierig genug.

Kurz nach Mitte November 2019 sah ich zufällig auf einem Fernsehkanal einen Teil eines Gespräches mit Luisa Neubauer. Naja, eine selbstbewusste, mir zu kalt aussehende junge Frau, dessen Ruhe mich allerdings an einen Prediger erinnerte, der von dem, was er erzählt, komplett überzeugt ist. Das gefiel mir und ich ging auf youtube auf die Suche. Dort sah ich mir "Why I became a climate activist - and you should, too" an.

Ausbrechen aus der Komfortzone - was würde das für mich bedeuten? Die Jungen, idealistisch und ausdauernd, versuchen zu zeigen was los ist, versuchen uns alle wach zu rütteln. Schon ein Jahr lang so... mittlerweile eine Gewohnheit. Viele meinen schon: Ein Freitagszirkus der Jugend. Nichts Besseres zu tun? Ist ja nur eine Ausrede die Schule zu schwänzen, nicht wahr. Geht mich nichts an... Usw.

Und ich, mittlerweile ein Senior, der seit eh und je wusste - ja noch vor die meisten der Jungen überhaupt geboren waren - dass sie recht haben... Was ist denn meine eigene, persönliche Komfortzone? Ich kann wohl nicht nur zuhause quaken und so mein Gewissen reinwaschen. Es ist doch wirklich nicht ein Freitagsvergnügen der Jugend - es geht uns wirklich alle an. OK, dann werde ich halt eine Demo organisieren... Wenn das die kleine Greta konnte, werde ich es wohl auch irgendwie schaffen. Und so nahmen die Geschehnisse ihren Lauf...

Ich besuchte endlich einmal die Webseiten, um mir die Bewegung näher anzusehen - in meinem Fall fridaysforfuture.at. Die "Parents for Future", obwohl bei denen alle Erwachsene willkommen sind, schien mir vom Namen her doch zu eng. So entschied ich mich für den Namen Seniors for Future - Senioren für Klima, sozusagen. Oje, schon für den 29.11.2019 wurde von #FridaysForFuture ein globaler Schulstreik angekündigt. In meinem Ort an dem Tag anscheinend tote Hose. Gut, dann werden es wohl die Senioren sein müssen!

Kurzerhand meldete ich mein Vorhaben auf der Karte von FridaysForFuture.at an. Dann wurde ich etwa zweieinhalb Arbeitstage zwischen den Stellen der Stadtgemeinde geschoben, vertröstet... Weichnachtdorf... viel zu tun... Keine Mails wurden beantwortet, keine Sprachnachrichten erwidert. Das Wochenende verstrich. Ich dachte mir schon: "Naja, wirklich, warum habe ich das ganze überhaupt angefangen. Mit der Anmeldung wird wohl nichts und ist auch gut so..." Ich ging dann aber trotzdem zur verantwortlichen Stelle, die sich überraschenderweise doch als nett und hilfreich entpuppte. Und danach, endlich, kontaktierte ich die Polizei: Wow! Alle Stellen unglaublich nett, professionell und effizient. In nur drei Stunden hatte ich schon die Bescheinigung meiner Demo-Anmeldung. Es geht also doch los...

Dann schnell eine Web-Seite zusammenbasteln und - kaum zwei Tage vor dem Termin - die Mails versenden und in der Nacht von Donnerstag auf Freitag ein paar Transparente vorbereiten. Facebook lehne ich ab und verwende gar nicht - keine Frage, bei so einem Unterfangen wohl ein Nachteil.

Aber doch, es kamen etwa fünfzehn Menschen... Zwei Lehrerinnen... Ein paar junge Mädchen auch... Zwei Damen aus den Seniorenwohnhäusern... Insgesamt eine bunte, interessante Truppe. Menschen, die sehr nett miteinander geplaudert haben. Die Kontaktdaten wurden ausgetauscht.

An diesem kommenden Freitag, 13.12.2019, als in meiner kleinen Stadt diesmal die Jungen #FridaysForFuture ihre zweite Schulstreik-Demo abhalten werden - um Zwölf Uhr mittags (eigentlich 11:59, es ist ja eine Minute vor Zwölf!) werden auch die Senioren dabei sein und mit der Jugend durch die Stadt gehen. #FridaysForFuture mit #SeniorsForFuture, gemeinsam. Hier:

austria:leoben [Seniors for Future]
seniorsforfuture.borut.eu


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