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Ein Kommentar aus der NZZ

Von Feierabend-Mitglied Dienstag 30.06.2020, 17:14 – geändert Dienstag 30.06.2020, 17:17

über den kontrovers diskutiert werden kann zu dem heute in Kraft getretenen Paritätsgesetz in Brandenburg:


"Frauenquoten fürs Parlament: Wie man die Idee des Bürgertums verrät und das Leistungsprinzip aushebelt

In Brandenburg ist an diesem Dienstag das von SPD, Linkspartei und Grünen beschlossene «Paritätsgesetz» in Kraft getreten. Es zwingt Parteien, jeden zweiten Listenplatz mit einer Frau zu besetzen. Ein Irrweg – den die Verfassungsrichter hoffentlich schnell stoppen.
Jede Frau kann sich in einer Partei engagieren und dort für einen Listenplatz kandidieren. Jeder Partei steht es frei, so viele Frauen zu nominieren, wie sie will. Dafür braucht es keinen gesetzlichen Zwang.
Martin Müller / Imago

Der Landtag von Brandenburg soll weiblicher werden. Daran ist nichts auszusetzen – abgesehen von dem diskriminierenden, leistungsfeindlichen und höchstwahrscheinlich verfassungswidrigen Weg, den die Abgeordneten von SPD, Linkspartei und Grünen hierfür gewählt haben. Indem die linke Parlamentsmehrheit alle Parteien von der nächsten Wahl an per Gesetz dazu verpflichtet, genauso viele Frauen wie Männer auf ihre Kandidatenlisten zu setzen, fördert sie nicht die Gleichberechtigung. Sie hebelt sie aus.

An diesem Dienstag ist das «Paritätsgesetz» in Kraft getreten, aber die juristische Auseinandersetzung hat erst begonnen. An ihrem Ende werden die verantwortlichen Abgeordneten – hoffentlich – nicht gut aussehen und mit ihnen all jene Politiker, die Brandenburg als Quotenlabor für den Rest des Landes betrachten.
Wo bleibt die Förderung von Migranten? Oder Unternehmern?

Das Gesetz sichere «die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen», hiess es 2019 in einer Erklärung der damaligen Landtagspräsidentin Britta Stark von der SPD. Da fängt der Irrtum schon an. Gleichberechtigung bedeutet Gleichheit vor dem Gesetz. Zum einen soll sie verhindern, dass Menschen benachteiligt werden: wegen ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung oder anderer Merkmale, auf die sie keinen Einfluss haben. Zum anderen soll es keine privilegierte Behandlung einzelner Gruppen geben.

Genau das geschieht nun aber in der dünn besiedelten Mark rund um Berlin. Der Frauenanteil der Parteien lag im vergangenen Jahr laut Brandenburgs Parlamentarischem Beratungsdienst zwischen 18 und 43 Prozent. Wenn Frauen in dem Bundesland künftig jeden zweiten Listenplatz besetzen müssen, werden sie also eindeutig privilegiert. (Das Gleiche würde für Männer gelten, wäre ihr Anteil in den Parteien so gering.)

Brandenburgs Gesetzgeber untergraben die Idee der Gleichberechtigung, indem sie Politikerinnen eine Präsenz sichern, die deutlich grösser ist als deren Anteil in den Parteien. Warum fördern sie, wenn sie schon dabei sind, nicht auch andere Gruppen per Gesetz, die auf den Wahllisten unterrepräsentiert sind? Menschen mit Migrationshintergrund, zum Beispiel? Oder Unternehmer?

Die Befürworterinnen der erzwungenen Parität beschwören gerne den «lebendigen demokratischen Diskurs» und die «Unterstützung der Zivilgesellschaft». Doch ihr Anliegen ist vormodern. Quoten machen aus einer Gemeinschaft gleichberechtigter Bürger wieder konkurrierende Gruppen, die sich allein durch äussere Merkmale unterscheiden. Dies ist der Wurm, der in jedem identitätspolitischen Projekt steckt.
Jede Frau kann sich in einer Partei engagieren und dort kandidieren

Das Brandenburger Modell setzt auch das Leistungsprinzip ausser Kraft. Wenn eine Partei mit einem Frauenanteil von, sagen wir, 25 Prozent jeden zweiten Listenplatz weiblich besetzen muss, dann wird die Chancen- durch Ergebnisgleichheit ersetzt. Viele Kandidatinnen, die auf diesem Weg aufgestellt werden, hätten ohne Quote keine Chance. (Das Gleiche würde auch in diesem Fall für Männer gelten, wäre ihr Anteil so gering.) Statt talentierte Individuen zu fördern, begünstigen solche Gesetze die Gruppe pauschal, auch die minderbegabten Mitglieder.

Das Paritätsgesetz postuliert Unrecht, wo keines besteht. Es will Zustände erzwingen, die von niemandem verhindert werden. Jede Frau kann sich in einer Partei engagieren und dort für einen Listenplatz kandidieren. Jeder Partei steht es frei, so viele Frauen zu nominieren, wie sie will. Sie kann schon heute Listen aufstellen, die zu 50 Prozent aus Frauen bestehen. Es können auch 80, 90 oder 100 Prozent sein. Denkbar wäre auch die Einführung sogenannter offener Wahllisten. Dort gäbe es dann kein von der Partei festgelegtes Ranking der Kandidaten.

Wenn es eine Form der «Diversity» gibt, die tatsächlich förderwürdig wäre, dann die der politischen Ideen und des Respekts vor Andersdenkenden. Die Verhärtung des Meinungskampfes und der immer schriller werdende Ton rechter wie linker Stammeskrieger bedrohen auch in Deutschland die bürgerliche Gesellschaft. Hier liegt die Gefahr. Der Kampf gegen die Windmühlen eines im 15. Regierungsjahr von Angela Merkel angeblich immer noch quicklebendigen deutschen Patriarchats ist eine Ablenkung.

Brandenburgs Parlamentarier sind nicht allein in ihrem Kampf für die vermeintliche Geschlechtergerechtigkeit. Auch in Thüringen haben die linken Parteien im vergangenen Sommer ein solches Gesetz beschlossen. Hier wie dort ist nun die Judikative gefragt. In Brandenburg will das Verfassungsgericht des Landes am 20. August über das dortige Gesetz beraten. Thüringens Verfassungsgerichtshof hat schon für Mitte Juli ein Urteil angekündigt. Man kann nur hoffen, dass die Richter diesen Irrweg beenden, bevor er Schule macht.

Zum Schluss noch ein Zitat aus dem Gutachten des Parlamentarischen Beratungsdienstes von Brandenburg. Die Autoren, ein Mann und eine Frau, haben das dort nun eingeführte Gesetz bereits im Herbst 2018 untersucht. Ihr Fazit: «Die Einführung eines paritätischen Wahlvorschlagsrechts stellt eine an das Geschlecht anknüpfende Ungleichbehandlung dar, die nicht durch das Gleichberechtigungsgebot gerechtfertigt wird und damit verfassungswidrig ist.»"


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