Sonne und Mond
Von Feierabend-Mitglied Freitag 07.10.2022, 17:41
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Die Sonne sprach: Oh Mond,ich wende
der lieben Erde nun mich ab,
und lasse dich zurück; oh spende
ihr alles das, was ich nicht gab.
Ich gab ihr die Erregung
des Lichtes und der Lust;
verleih ihr nun die Hegung
des Glücks in stiller Brust.
Wo sengend trafen meine Strahle,
darauf gieß einen Tropfen Tau,
und was durch mich gewelkt im Tale,
das zu erfrischen atme lau.
Und was ich den Gedanken
nicht zeigen durft' im Raum,
daß lass der Seele Ranken
umwehn in duft'gem Traum.
Und wenn ich kehr' am Morgen wieder,
will ich mich deiner Hilfe freun ;
gelabte Schläfer werden Lieder,
erwachte Blumen Weihrauch streun.
Jedwedes Blatt am Baume ,
von dir gepfelgt, gedeiht,
und was du gabst im Traume,
mach' ich zur Wirklichkeit.
Friedrich Rückert
1788-1866
deut. Dichter,
Prof. für orientalische Sprachen
eig.Bild